Publication Geschichte - Rosa Luxemburg Bertha von Suttner und Rosa Luxemburg

Beitrag für den Internationalen Workshop "100 Jahre Friedensnobelpreis für Bertha von Suttner – 1000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005", Prag 8./9. September 2005

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Online-Publ.

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Dietz-Verlag,

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September 2005

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Bertha von Suttner (1843-1914) und Rosa Luxemburg (1871-1919) gelten bis heute als die beiden bekanntesten Frauen unter den Kriegsgegnern des 19. und 20. Jahrhunderts. Beide wandten sich konsequent gegen die Aufrüstung, arbeiteten aber politisch nicht zusammen.


Rosa Luxemburg stand der Friedensbewegung sehr kritisch gegenüber, weil die Friedensbewegung nach Rosa Luxemburgs Meinung die wirtschaftlichen Ursachen von Kriegen eher verdeckte als offen legte. Rosa Luxemburg stand in dieser Frage auf dem Standpunkt von Karl Marx, der schon in den 1870er Jahren eine Zusammenarbeit mit der Friedensbewegung, die damals vor allen in Großbritannien und Frankreich stark war, konsequent abgelehnt hatte. Die Ursachen für die Kriege ihrer Zeit sah Rosa Luxemburg in der kapitalistischen Ökonomie begründet; zur Erklärung des Imperialismus ihrer Zeit hatte Rosa Luxemburg eine eigene Akkumulationstheorie geschaffen: Der Kreislauf des Kapitals erfordere ständige Akkumulation. Um die durch erhöhte Akkumulation zusätzlich produzierten Waren absetzen zu können, seien kapitalistische Volkswirtschaften gezwungen, sich ständig neue Absatzmärkte zu unterwerfen – wodurch ein Drang zum Krieg entstehe.


Für Rosa Luxemburg gab es nur eine Kraft, die Kriege verhindern konnte: die sozialdemokratische Arbeiterbewegung und eine sich immer weiter politisierende Arbeiterschaft. Der Friedensbewegung warf sie vor, die Arbeiterschaft in Illusionen über die Ursachen des Krieges zu wiegen und so den Widerstand der Arbeiterschaft gegen den Krieg zu schwächen. Rosa Luxemburg konnte sich eine Zusammenarbeit mit der Friedensbewegung lediglich zeitweilig und in einzelnen Punkten vorstellen – immer darauf bedacht, dass die Friedensbewegung keinen Einfluss auf die Arbeiterschaft erlangt. Diese Haltung war vor dem Ersten Weltkrieg für Sozialdemokraten typisch. Rosa Luxemburg war in dieser Frage ein Kind ihrer Zeit.


Rosa Luxemburg hatte bis zum 1. August 1914 geglaubt, dass die Sozialdemokratie aller Länder nie dem Krieg zustimmen werde und dass das Deutsche Kaiserreich in Wahrheit keinen Krieg anstrebe. An beiden Irrtümer ist sie fast zerbrochen. Dennoch rückte sie von ihrer Gegnerschaft zum Krieg nicht ab. Dafür hat sie einen hohen Preis bezahlt: Fast den gesamten Krieg über war sie eingekerkert. Der Hass der Reaktion und der regierenden Sozialdemokraten beendete am 15. Januar 1919 ihr Leben.
Bertha von Suttner sah in der Sozialdemokratie einen wichtigen, wenn nicht gar ihren wichtigsten Bündnispartner, der sie aber immer wieder zurückstieß. Bertha von Suttner hat unter dieser Zurückweisung und der Anmaßung vieler Sozialdemokraten, die „wirklichen Friedenskämpfer“ zu sein, stets gelitten; trotzdem hat sie bis zum Schluss immer wieder um die Sozialdemokratie geworben.