Publication Geschichte Im Namen Christi die Waffen aus der Hand

Von Buchenwald nach Flossenbürg – vor 60 Jahren wurde der Theologe Dietrich Bonhoeffer ermordet. Von Heinrich Fink

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Heinrich Fink,

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May 2005

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Von Buchenwald nach Flossenbürg – vor 60 Jahren wurde der Theologe Dietrich Bonhoeffer ermordet

Nach drei Tagen Bunker in Buchenwald wurde Dietrich Bonhoeffer über Berlin in einem Militärlastwagen zusammen mit anderen Häftlingen aus dem Kreis der Verschwörer vom 20. Juli ins KZ Flossenbürg gebracht. Dort wurde der evangelische Theologe am 9. April 1945, vier Wochen vor der bedingungslosen Kapitulation Hitlerdeutschlands, nach einem nächtlichen Standgericht wegen >>Hochverrats<< erhängt.

Wie kommt es, dass ausgerechnet der Name des Theologen Dietrich Bonhoeffer heute weltweit bekannt und  verehrt wird, obwohl seine Forderung, Krieg verbindlich zu ächten, und seine Überzeugung, Chrisen hätten immer an der Seite der Verachteten zu stehen, nur wenige Gemeinden zu biblisch gebotenem Umdenken veranlasst haben?

Und weiß eigentlich George W. Bush, dass Bonhoeffer Kriege für Gotteslästerungen gehalten hat? Als der Präsident der USA in seiner  Rede vor dem Deutschen Bundestag im Jahre 2002 den von den Nazis Ermordeten einen der größten Deutschen des 20. Jahrhunderts nannte, applaudierten die Abgeordneten spontan und stürmisch. Immerhin wurde derart wohl in diesem Hause erstmalig öffentlich ein Pazifist geehrt.

Bei seinem Studienaufenthalt in den USA 1930/31 war Dietrich Bonhoeffer dem französischen Pazifisten und Pfarrer Jean Lasserre begegnet, der ihn davon überzeugte, dass die Bergpredigt als verbindliches Friedensgebot zu verstehen ist. Wieder zurück nach Deutschland wird er Privatdozent an der Theologischen Fakultät in Berlin und übernimmt zugleich im >>Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen<< die Aufgabe eines Jugendsekretärs, weil er sich konkret für Verständnis zwischen verfeindeten Völkern engagieren will -  wider jene prominenten Theologen wie Paul Althaus (Erlangen) und Emanuel Hirsch (Göttingen), die mit Unterstützung der Presse laut verkünden: “Die Sieger des Ersten Weltkrieges bleiben Deutschlands Feinde”

Im Juli 1932 sagt Bonhoeffer auf einer christlichen Jungendfriedenskonferenz in der Tschechoslowakei: “Weil wir aber den Krieg keineswegs als Erhaltungsordnung Gottes und somit als Gebot Gottes verstehen können, … muss der nächste Krieg der Ächtung durch die Kirchen verfallen. Wir sollen uns hier auch nicht vor dem Wort Pazifismus scheuen.” Schon am 15. April 1933 wendet er sich in einem Aufsatz gegen die organisierte Judenhetze und fordert, >>nicht nur die Opfer unter dem Rad selbst in die Speichen zu fallen. Solches Handeln wäre unmittelbar politisches Handeln der Kirche<<. In einem Flugblatt, das er mit seinem jüdischen Theologenfreund Hildebrand verfasst, geht er sogar so weit, zu verlangen, dass, wenn die Kirche die Ariergesetze übernimmt, man aus ihr austreten müsse, weil sie ohne und gegen Juden nicht länger Kirche sei: Jesus von Nazareth war Jude.

Bonhoeffer schließt sich der Bekennenden Kirche an, die 1934 mit der Barmer Theologischen Erklärung ihr öffentliches Veto gegen die völkische Theologie der Deutschen Christen vorlegt. Sorge bereitet ihm der Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund. Er forciert seine Kritik an der Aufrüstung. Und er hofft, dass die für Ende August 1934 auf die dänische Insel Fanö einladende internationale Christenkonferenz – erstmals in der Kirchengeschichte – eine klare Verurteilung des bevorstehenden Krieges beschließen wird. Die Thesen zu seinem Referat, die Bonhoeffer dem Ökumenischen Rat in Genf vorher einreicht, erregt Empörung. Der Leiter der Forschungsabteilung, Schönefeld, ist entsetzt, dass es in diesem Text so einseitig “um Krieg” als zentrale Frage gehe, wo doch die Deutschen zur theologischen Reflexion von Rasseproblemen vieles aktuell beizutragen hätten. Bonhoeffers Referat wird vom Programm abgesetzt, aber in der ihm zugestandenen Morgenandacht trägt er zumindest seine wichtigste Forderung vor: “Nur das eine große Ökumenische Konzil der Heiligen Kirche Christi aus aller Welt kann ihren Söhnen im Namen Christi die Waffen aus der Hand nehmen und ihnen den Krieg verbieten…. Das Ökumenische Konzil ist hier versammelt… Die Welt starrt in Waffen… Die Kriegsfanfare kann morgen geblasen werden… Worauf warten wir noch? Wollen wir selbst mitschuldig werden wie nie zuvor?” Seine kirchlichen Gegner in Deutschland verzeihen ihm diesen Friedensappell nicht. Nicht nur im kirchlichen Außenamt ist Bonhoeffer nun als “Pazifist und Staatsfeind” abgestempelt. Die Theologische Fakultät begründet seine Entlassung aus der Berliner Universität mir dem gleichen Argument.

Als die Kirchen sich 1939 bereitwillig vor den Kriegswagen spannen lassen, ist es nur folgerichtig, dass sich Bonhoeffer nun aktiv einem Kreis anschließt, der zwar keineswegs pazifistisch ist, wohl aber den Krieg beenden will – durch einen Militärputsch, durch Tyrannenmord. Sein Bruder und zwei Schwäger sind bereits involviert. Unter Einsatz ihres Lebens sind sie bereit, dem “Rad in die Speichen zu fallen”. Bonhoeffer erlebt, wie schwer es ist, auch bei seinen einflussreichen Freunden im Ausland um Vertrauen für das geplante Attentat zu werben.

Bereits am 5. April 1943 wird er verhaftet. Im Gefängnis erfährt er, dass es am 20. Juli 1944 nicht zum erhofften Kriegsende gekommen ist. Dass Bonhoeffer so viele Briefe und Texte aus der Haft schmuggeln kann, ist Bewachern zu danken, die Menschlichkeit riskieren. Die Kirche indes, fatal gebunden an Obrigkeitsgehorsam, nennt das Scheitern das Attentats auf Hitler eine Gnade Gottes und jene, die den Widerstand organisierten, Verräter – und wiederholt dieses Urteil sogar noch 1947.

Übersetzt in fast alle Sprachen der Welt, ermutigen Bonhoeffers Texte noch heute, die Bibel aus den gottlosen Bindungen fundamentalistischer Interpretationen zu befreien sowie gegen immer perfektere Waffen und den zerstörerischen Umgang mit den Lebensgütern der Erde zu protestieren. In den 60 Jahren seit Beendigung des Zweiten Weltkrieges hat die weltweite Friedensbewegung unermüdlich Kriegsinteressen und Kriegsgefahren aufgedeckt, auch wenn damit aktuelle Kriege nicht gestoppt werden konnten. Es bleibt an uns, die unerfüllten Forderungen derer, die wegen ihres Protestes gegen Faschismus und Krieg ermordet worden sind, zu Stolpersteine im Pflaster der Tagespolitik zu gestalten.

 
Sind wir noch brauchbar
Wir sind stumme Zeugen böser Taten gewesen, wir sind mit vielen Wassern gewaschen, wir haben die Künste der Verstellung und der mehrdeutigen Rede gelernt, wir sind durch Erfahrung mißtrauisch  gegen die Menschen geworden und mußten ihnen die Wahrheit und das freie Wort oft schuldig bleiben, wir sind durch unerträgliche Konflikte mürbe oder vielleicht sogar zynisch geworden – sind wir noch brauchbar?
Nicht Genies, nicht Zyniker, nicht Menschenverächter, nicht raffinierte Taktiker, sondern schlichte, einfache, gerade Menschen werden wir brauchen. Wird unsere innere Widerstandskraft gegen das uns Aufgezwungene stark genug und unsere Aufrichtigkeit gegen uns selbst schonungslos genug geblieben sein, dass wir den Weg zur Schlichtheit und Geradheit wiederfinden?

Dies fragte sich und andere Deutsche Dietrich Bonhoeffer in finsterer Nazi- und Kriegszeit, Ende 1942