Publication Ungleichheit / Soziale Kämpfe Innovationen für eine zukunftsfähige Gesellschaft

- der Ingenieur im Spannungsfeld von fachlicher Kompetenz und moralischer Verantwortung. von der Ingenieur- und Wirtschaftsakademie "Johann Beckmann" e.V. (Hrsg.) Manuskripte 5 der RLS

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Manuskripte

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August 2000

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- der Ingenieur im Spannungsfeld von fachlicher Kompetenz und moralischer Verantwortung.

von der Ingenieur- und Wirtschaftsakademie "Johann Beckmann" e.V. (Hrsg.)

Manuskripte 5 der RLS

Inhalt

Evelin Wittich, Joachim Römer: Vorwort

Heinrich Brinkmann: Wirtschaft und Moral – Ansichten und Einsichten

Joachim Römer: Ethische Aspekte des Ingenieurberufes

Peter Knopp: Ingenieurtechnisches Handeln in der aktuellen Arbeitsmarktsituation

Kurt Reiprich: Sind Werte legitimierbar?

Matthias Meyer: Kosten als Informationsmedium

Astrid Oberschmidt: Ethische Fragen bei der Aus- und Weiterbildung der Ingenieure

Hans-Joachim Killisch: Innovation für eine zukunftsfähige Gesellschaft

Gerhard Müller: Schlußwort

aus dem Vorwort

„Innovationen für eine zukunftsfähige Gesellschaft – der Ingenieur im Spannungsfeld von fachlicher Kompetenz und moralischer Verantwortung“, dieser Titel wurde bewußt als Thema des Workshops gewählt, um das besondere Gewicht ingenieurtechnischen Handelns für eine innovative nachhaltige Entwicklung in den Blickpunkt zu stellen. Im Prozeß des Übergangs zur nachhaltigen Entwicklung werden die Chancen und Risiken ingenieurtechnischen Handelns zunehmen und zugleich eine höhere gesellschaftliche Wertschätzung des Ingenieurberufs erfordern.

Die beiden Veranstalter, die Rosa-Luxemburg-Stiftung und die Beckmann-Akademie e.V., stellten deshalb ausdrücklich jene ethischen Fragen und Anforderungen in den Mittelpunkt der Debatte, die mit der zukunftsfähigen Gesellschafts-, Wirtschafts und Technikentwicklung sowie der zunehmenden Globalisierung eng verbunden sind und damit das Verantwortungsbewußtsein, das Berufsbild und die Arbeitsweise der Ingenieure nachhaltig beeinflussen.

So ging es um die Klärung solcher brisanter Fragen, welcher gesellschaftlichen Voraussetzungen es bedarf, damit die Ingenieure ihre moralische Verantwortung bei der Technikentwicklung für eine nachhaltige Wirtschafts und Lebensweise besser wahrnehmen können und wie dazu die größer werdende Kluft zwischen technischer Kompetenz einerseits und moralischer Verantwortung andererseits, besonders auch mittels des bewährten Instrumentariums der Technikfolgenabschätzung, verringert bzw. überwunden werden kann.

Die vorgetragenen und in diese Dokumentation aufgenommenen, auf eigenen theoretischen und praktischen Untersuchungen beruhenden Beiträge vermittelten konstruktive Denkanstöße mit der Benennung von Visionen, Dptionen, Zusammenhängen, Konfliktfeldern und Defiziten nicht nur für den Workshop, sondern auch für die notwendige Fortführung der Diskussion.

Mit den einleitend vom Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Dr. Lutz Brangsch, ausgesprochenen Erwartungen zur Unterstützung der Gerechtigkeitsdebatte wurde zugleich deutlich gemacht, daß diese auch den Ingenieur vor höhere soziale Anforderungen stellt. Dipl.-Ing. Heinrich Brinkmann, Warstein, forderte Bezug nehmend darauf in seinem Beitrag, die ethische Befürwortung der Marktwirtschaft angesichts ihrer zunehmenden moralischen Untergrabung kritisch zu hinterfragen. Auf ethische Aspekte des Ingenieurberufs ging der Vorsitzende der Kommission Technikgestaltung und Bewertung, Prof. Dr. Joachim Römer, Magdeburg, in seinem Beitrag ausführlich ein, weil – wie er dabei darlegte – der Ingenieurberuf nicht zum bloßen Job verkommen darf. Bei aller Vielfalt der Fachrichtungen, Tätigkeitsfelder und Beschäftigungsverhältnisse werden allgemeine Merkmale verbleiben, die dem Ingenieurberuf auch künftig sein unverwechselbares Gepräge geben.

Zum ingenieurethischen Handeln in der aktuellen Arbeitsmarktsituation, insbesondere aus Sicht des „Outsourcingmarktes“, sprach Dipl.-Math. Peter Knopp, Berlin. Durch Hilfe zur Selbsthilfe will eine Ingenieur-Initiative am Wissenschaftsstandort Adlershof damit vorwiegend älteren Ingenieuren neue Chancen erschließen.

Erfrischend waren die Beiträge der zwei jüngeren Redner. Zu den Kosten als Informationsmedium zeigte cand. Ing. Matthias Meyer, Student der FHTW Berlin, mit einer „virtuellen Exkursion“ am Beispiel verdeckter Produktkosten interessante Lösungsansätze für die Entwicklung nachhaltiger Produkte und Technologien sowie zur Senkung der Umweltkosten auf. Über ethische Fragen bei der Aus und Weiterbildung der Ingenieure sprach Frau Dipl.-Ing. (FH) Astrid Oberschmidt von der TFH Wildau. Mit Innovationen für eine zukunftsfähige Gesellschaft befaßte sich abschließend der Beitrag von Dr.-Ing. Hans-Joachim Killisch, Innovationspark Berlin-Wuhlheide. Dabei ging er auf die Eignung von Verhaltenskodizies ein und erläuterte dies an den 10 Punkten umfassenden ethisch orientierten Grundsätzen der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften, die zu weiteren Diskussionen anregen.

In einer lebhaften, von Prof. Dr. Peter Gräbner, Dresden, moderierten freien Diskussion wurde vor allem auf folgende, die Ingenieurarbeit unmittelbar betreffenden und weiter zu untersuchenden Problemstellungen verwiesen, wie – die Entwicklung solcher Voraussetzungen, die die Ingenieure wirkungsvoller für die Entwicklung zukunftsfähiger, an den ökologisch und sozialen Belangen orientierten Innovationen motivieren. Die Sensibilisierung für bewußtes ingeneurtechnisches Handeln Chancen als auch stärkeren Vermeidung von Risiken wesentliches Anliegen der Ingenieurvereinigungen sein.

– die Herbeiführung eines grundlegenden Wandels in den Beschäftigungsstrukturen, im Berufsbild, in der Arbeitsweise und in der Ausbildung der Ingenieure, mit dem die Gestaltung und Steuerung zunehmender komplexer technischer und sozialer Systeme besser beherrscht werden. Unerläßlich ist dabei die Vertiefung solcher Qualifikationen wie die Sozial und Problemlösungskompetenz und die Team und Kommunikationsfähigkeit.

– die Schaffung solcher gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, die nicht nur schneller und flexibler auf neue wissenschaftlichtechnische und soziale Herausforderungen reagieren, sondern vor allem auch das kreative nachhaltige Schaffen der Ingenieure sowie die Wahrnehmung deren Mitspracherechts bei Risikoentscheidungen zwingender fördern.

Bemängelt wurde, daß dem Ingenieur infolge „sogenannter Kostenzwänge“ in seiner Tätigkeit für die Nachhaltigkeit immer mehr Grenzen gesetzt werden, so wenn es z.B. um die Realisierung von Belangen des vorsorgenden Umweltschutzes geht. Auch stößt die Wahrnehmung der Aufklärungspflicht der Ingenieure bei Technikrisiken gegenüber den Betroffenen bei den Unternehmen nicht immer auf Zustimmung.

Im Ergebnis der Diskussion wurde zu Recht vom Vorsitzender der Beckmann-Akademie, Prof. Dr. Gerhard Müller, in seinem Schlußwort bekräftigt, daß es den Ingenieur – gerade auch in Zukunft – für die Lösung vieler globaler Probleme geben wird und auch muß. Natürlich wird nicht mehr der individuelle Technikmacher gefragt sein, sondern der vielseitig ausgebildete Ingenieur, der im Team gemeinsam mit dem Wirtschaftler, Soziologen, Techniker, Informatiker, Ökologen und Betroffenen die komplexen Probleme löst.

Gefordert wurde deshalb, daß der von den Ingenieuren schon lange angemahnte, jedoch ins Stocken geratene Dialog zwischen ihnen und den Politikern endlich wieder in Gang kommen sollte. Einerseits gilt es den Einfluß auf die Politik für das notwendige nachhaltige Umsteuern in Forschung, Technologie und Ausbildung wesentlich zu erhöhen, andererseits muß den Ingenieuren die ihnen zukommende gesellschaftliche Anerkennung und moralische Unterstützung gewährt werden. Dazu gehört auch, den älteren, erfahrenen Ingenieuren, auf denen besonders in Ostdeutschland der Druck der Arbeitslosigkeit, trotz wachsenden Ingenieurbedarfs in High-Tech-Bereichen, schwer lastet, angemessene Beschäftigungschancen zu erschließen.