Publication Demokratischer Sozialismus - Deutsche / Europäische Geschichte - Geschichte Die Revolution für den Sozialismus kam zu spät - 1989 zwischen letzter Chance und Thermidor

Utopie Kreativ Heft 108 Oktober 1999

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Zeitschrift «Utopie Kreativ» (Archiv)

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Stefan Bollinger ,

Published

October 1999

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UTOPIE kreativ, H. 108 (Oktober 1999), S. 17-30

Stefan Bollinger – Jg. 1954 in Berlin/DDR, Dr.sc.phil., Politikwissenschaftler; abgewickelter Hochschuldozent und Wissenschafts-bereichsleiter; Lehrbeauftragter an der Freien Universität Berlin; engagiert in ostdeutschen Wissenschafts-zusammenhängen; hauptberuflich Dozent in der Erwachsenenbildung. Wichtige Publikationen zum Thema: Die DDR kann nicht über Stalins Schatten springen. Reformen im Kalten Krieg – SED zwischen NÖS und Prager Frühling (1993); Dritter Weg zwischen den Blöcken? Prager Frühling 1968: Hoffnung ohne Chance (1995); Konflikte, Krisen und politische Stabilität in der DDR (1996); 1989 – eine abgebrochene Revolution. Verbaute Wege nicht nur zu einer besseren DDR? (1999)

»Revolutionen sind der Scharfrichter der Weltgeschichte – aber auch für die Historiker, die sich ihrer zu bemächtigen suchen.«

Manfred Kossok: Revolutionen der Weltgeschichte. Von den Hussiten bis zur Pariser Kommune, Stuttgart 1989, S. 13.

»Revolutionsgeschichte und Revolutionsverständnis sind nicht auf die ›großen‹ und erfolgreichen Umwälzungen der Weltgeschichte eingrenzbar. Die Mehrzahl der Revolutionen ist, was oft verdrängt wird, gescheitert.«

Manfred Kossok: ebd, S. 15.

»Wenn wir einen erneuerten Sozialismus, eine andere Gesellschaft bei uns schaffen wollen, dann muß sie (den) menschheitlichen Notwendigkeiten entsprechen. Dazu gibt es denkbare Wege … Diese Wege sind aber keine schnellen, und keine Heilslehren, die uns mit einem Schlag aus der Krise in eine lichte Zukunft bringen. Wir selbst müssen uns herausziehen, und wir sollten dies mit Bescheidenheit und Demut tun, indem wir aus unseren Fehlern lernen, nach Schuld fragen, auch der eigenen, und Verantwortung nicht von uns weisen.«

Vorwort, in: Michael Brie, Rainer Land, Hannelore Petsch, Dieter Segert, Rosemarie Will: Studie zur Gesellschaftsstrategie. Sozialismus in der Diskussion, Bd. 1, Berlin 1989, S. 5.

»Die gestörte Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft lähmt die schöpferischen Potenzen unserer Gesellschaft und behindert die Lösung der anstehenden lokalen und globalen Aufgaben. Wir verzetteln uns in übelgelaunter Passivität und hätten doch Wichtigeres zu tun für unser Leben, unser Land und die Menschheit … Um all diese Widersprüche zu erkennen, Meinungen und Argumente dazu anzuhören, bedarf es eines demokratischen Dialogs über die Aufgaben des Rechtsstaates, der Wirtschaft und der Kultur.«

Aufbruch ’89 – NEUES FORUM, in: Wir sind das Volk. Aufbruch ’89, mdv transparent, Teil 1: Die Bewegung. September/ Oktober 1989,

Halle 1990, S. 11f.

»Was die sozialistische Arbeiterbewegung an sozialer Gerechtigkeit und solidarischer Gesellschaftlichkeit angestrebt hat, steht auf dem Spiel. Der Sozialismus muß nun seine eigentliche, demokratische Gestalt finden, wenn er nicht geschichtlich verloren gehen soll. Er darf nicht verlorengehen, weil die bedrohte Menschheit auf der Suche nach überlebensfähigen Formen menschlichen Zusammenlebens Alternativen zur westlichen Konsumgesellschaft braucht, deren Wohlstand die übrige Welt bezahlen muß …

Wir wollen, daß die sozialistische Entwicklung, die in der Verstaatlichung steckengeblieben ist, weitergeführt und dadurch zukunftsfähig gemacht wird. Statt eines vormundschaftlichen, von der Partei beherrschten Staates, der sich ohne gesellschaftlichen Auftrag zum Direktor und Lehrmeister des Volkes erhoben hat, wollen wir einen Staat, der sich auf den Grundkonsens der Gesellschaft gründet, der Gesellschaft gegenüber rechenschaftspflichtig ist und so zur öffentlichen Angelegenheit

(RES PUBLICA) mündiger Bürgerinnen und Bürger wird. Soziale Errungenschaften, die sich als solche bewährt haben, dürfen durch ein Reformprogramm nicht aufs Spiel gesetzt werden.«

Gründungsaufruf der Bürgerbewegung DEMOKRATIE JETZT: Aufruf zur Einmischung in eigener Sache, in:

Ebenda, S. 14, 16.

»Unser Ziel ist die Errichtung einer ökologisch orientierten sozialen Demokratie:

– ökologisch, weil die Bewahrung der natürlichen Umwelt Voraussetzung für jede zukünftige vernünftige Entwicklung ist;

– sozial, weil wirkliche Freiheit nur unter Gleichen möglich ist und deshalb der gesellschaftliche Reichtum gerecht verteilt werden muß,

– demokratisch, weil wir überzeugt sind, daß ein Gemeinwesen nur dann gelingt, wenn alle Bürgerinnen und Bürger gleichberechtigt an einem gewaltfreien politischen Leben mitwirken können.

Wir wollen einen Rechtsstaat errichten,

– in dem kein Bürger mehr Angst haben braucht, seine eigene Meinung öffentlich zu vertreten;

– in dem kein ausgeklügeltes System von Belohnung und Bestrafung Untertanen erzieht;

– der davon lebt, daß die Bürger wirklich selbst entscheiden, wie sie leben wollen.

Mit diesen Zielen stehen wir den Traditionen des demokratischen

Sozialismus nahe.«

Offener Brief der SDP, in: Ebenda, S. 77f.

»Stell dir vor, es ist Sozialismus und keiner geht weg!«

»Es lebe die

Oktoberrevolution 1989«

»Für harte Arbeit

hartes Geld«

»Kein Artenschutz

für Wendehälse«

»Volksauge sei wachsam«

»Stasi in die Produktion«

»SED allein – das darf

nicht sein«

»Mein Vorschlag für den

1. Mai: Die Führung zieht am Volk vorbei«

»Macht die Volkskammer zum Krenz-Kontrollpunkt«

Losungen auf der Demonstration am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz – aus: Bahrmann, Hannes; Links, Christoph:

Chronik der Wende. Die DDR zwischen 7. Oktober und 18. Dezember 1989, Berlin 1994, S. 78.

»Revolutionen gehen von unten aus, unten und oben wechseln ihre Plätze in dem Wertesystem. Und dieser Wechsel stellt die sozialistische Gesellschaft vom Kopf auf die Füße.

Große, soziale Bewegungen kommen in Gang. Soviel wie in diesen Wochen ist in unserem Lande noch nie geredet worden, miteinander geredet worden, nie mit dieser Leidenschaft, mit soviel Zorn und Trauer, aber auch mit soviel Hoffnung.«

Christa Wolf auf der Kundgebung am 4. November 1989, in: Wir sind das Volk. Hoffnung ’89, mdv transparent, Teil 2: Die Bewegung, Oktober/November 1989, Halle 1990, S. 64.

»Laßt uns lernen, zu regieren. Die Macht gehört nicht in die Hände eines einzelnen oder ein paar weniger oder eines Apparats oder einer Partei. Alle müssen teilhaben an dieser Macht, und wer immer sie ausübt und wo immer, muß unterworfen sein der Kontrolle der Bürger, denn Macht korrumpiert, und absolute Macht, das können wir heute noch sehen, korrumpiert absolut.«

Stefan Heym: Rede auf der Berliner Demonstration, in: ders.: Stalin verläßt den Raum. Politische Publizistik, Leipzig 1990, S. 288.

»Wir erleben die größte demokratische Bewegung in Deutschland seit 1918 – und die Richtung ist wieder von unten nach oben. Das ist keine Gewähr, daß diese Bewegung anders verläuft als alle Kämpfe der deutschen Geschichte. Aber wir sehen die ruhige, unaufgeregte Kraft der Massen, die das notwendige Bedürfnis haben, ihr unergiebiges Leben zu ändern. Sie verabschieden sich aus dem zentralistischen Sozialismus. Ein Abschied in aller Öffentlichkeit, ein Abschied, um sichtbar anwesend zu sein. Die Massen haben den ersten, den nächstliegenden Schritt getan – der Regierung bleibt übrig, den übernächsten zu tun: die Staatsstruktur zu ändern. Der erzwungene übernächste Schritt: das ist die jetzige Revolution.«

Volker Braun:

Die Erfahrung der Freiheit, in: Neues Deutschland, B-Ausgabe vom 11./12. November 1989.

»Die CDU bekennt ihre Mitschuld an den gesellschaftlichen Deformationen, unter denen die Menschen in unserem Land zu leiden haben. Sie tritt ein für eine humane und demokratische Gesellschaft, wie sie nach christlichem Verständnis einem Sozialismus entspricht. Maßstab dafür sind Pluralität und geistige Weite, Entfaltung von Persönlichkeit und Kreativität für eine echte Solidargemeinschaft.«

Positionen der CDU zu Gegenwart und Zukunft (Zweiter Entwurf), in: Neue Zeit vom

25. November 1989.

»Ich wage nicht, das Wort ›sozialistisch‹ zu gebrauchen. Dieses Wort ist befleckt, es assoziiert 40 Jahre DDR – da müssen wir uns nicht wundern, wenn viele bei Nennung des Begriffs ›Sozialismus‹ die Zunge rausstrecken.

Eine weitere kapitalistische deutsche Republik brauchen wir nicht. Die zweite, die auf absehbare Zeit auch die ärmere sein wird, hat in der Tat nur dann einen Sinn, wenn sie eine gesellschaftliche Alternative zur BRD ist. Erstens: das Staatseigentum muß dominieren (draußen lauert das Kapital und wartet darauf, eingelassen zu werden. Die Quittung käme spätestens in fünf Jahren), zweitens brauchen wir eine engere soziale und ökologische Rahmengebung der Wirtschaft.«

Wir brauchen bei uns eine Große Koalition der Vernunft. Junge-Welt-Gespräch mit Pfarrer Rainer Eppelmann, Berlin, in: Junge Welt vom 9./10. Dezember 1989.

»Tiefgreifende Umwälzungen in den ökonomischen, sozialen, sicherheitspolitischen, ökologischen und kulturellen Existenzbedingungen der Menschheit und unseres eigenen Volkes müssen der Politik einer modernen sozialistischen Bewegung zugrunde gelegt werden.

Ein stalinistischer Sozialismus kann auf keinem dieser Gebiete Lösungen hervorbringen. Im Gegenteil: Er hat zur Existenzkrise der Menschheit beigetragen …

Die Krise des administrativen Sozialismus in unserem Lande kann nur dadurch gelöst werden, daß die DDR gemeinsam mit allen anderen demokratischen Kräften einen neuen Weg jenseits von administrativem Sozialismus und Herrschaft transnationaler Konzerne geht.«

Für einen alternativen demokratischen Sozialismus. Diskussionsstandpunkt des Arbeitsausschusses zu der von der Basis ausgehenden Neuformierung der SED als moderne sozialistische Partei, in: Berliner Zeitung vom 8. Dezember 1989.

»In jeder Revolution verlieren jene die Macht, die sie bisher ausgeübt haben. Wir begrüßen die Brechung des Machtmonopols der SED. Dies ist für all jene in unserer Partei eine große Chance, die sich zu einem Weg des demokratischen Sozialismus bekennen. Es ist endlich der notwendige radikale Bruch möglich, der die Bedingungen für einen neuen Anfang darstellt … Wir dürfen den demokratischen Aufbruch und das Selbstbestimmungs-recht der DDR-Bevölkerung nicht verspielen. Der alten Herrschaft von Politbürokraten darf keine Herrschaft von Kapitalmagnaten folgen. Das Volk muß endlich und endgültig zum Gestalter eigener Geschichte werden.«

Für eine sozialistische Partei der DDR. Ein Angebot für die Diskussion zum Programm (André Brie, Michael Brie, Wilfried Ettl, Jürgen Jünger, Dieter Klein, Hans-Peter Krüger, Dieter Segert, Hans Wagner und Rosi Will), in: Neues Deutschland vom 12. Dezember 1989.

»Für eine neue DDR, für demokratischen Sozialismus!«

Für die DDR – für demokratischen Sozialismus, in: Außerordentlicher Parteitag der SED/PDS. Partei des Demokratischen Sozialismus. 8./9. und 16./17. Dezember 1989. Materialien, Berlin 1990, S. 127.

»Manche mögen meinen, daß er (– der osteuropäische Erneuerungsprozeß 1989/90 – St.B.) letztlich konterrevolutionär sei. Nach dieser 70jährigen Entwicklung des realen Sozialismus ist aber das ›konter‹, das ›gegen‹, eine Naturnotwendigkeit. Wer Sozialismus faktisch mit brutaler Parteidiktatur, Entmündigung der Gesellschaft, Staatseigentum an den Produktionsmitteln und mit zentralistischem Plandirigismus gleichsetzte, wer glaubte, mit solchen Mitteln eine gerechtere Gesellschaft schaffen zu können, der hat sich so gründlich geirrt, daß hier nur ein entschiedenes ›kontra‹ möglich ist.

Wer aber glaubt, damit müßten wir uns auch von dem Ideal der sozialen Gerechtigkeit, der internationalen Solidarität, der Hilfe für, die Menschen in der eigenen Gesellschaft und in der ganzen Welt verabschieden, der irrt sich genauso.«

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten der DDR, in: Neues Deutschland vom 20. April 1990.

»Die DDR ging unter, als sie gerade anfing, Spaß zu machen. Und zwar nicht nur für ein paar Dutzend Bürgerrechtler, sondern für Millionen Menschen, die endlich ihr Schicksal in die Hand genommen hatten: demonstrieren gingen, auf Versammlungen sprachen, Resolutionen verfaßten, sich neuen Gruppen anschlossen, Plakate malten, Häuser besetzten, Parteien und Verbände gründeten, Menschenketten bildeten, unabhängige Studenten- und Betriebsräte wählten, Flugblätter druckten, die alten Chefs absetzten, … Runde Tische einrichteten. So viel Selbstbestimmung war nie. Und damit so viel neues Selbstbewußtsein. Das darf nicht vergessen werden, wenn man sich wundert, wie hartnäckig viele Neubundesbürger ihre Erfahrungen und Biographien verteidigen.«

Daniela Dahn: Westwärts und nicht vergessen. Vom Unbehagen in der Einheit, Berlin 1996, S. 11

 

1989 zwischen letzter Chance und Thermidor

1989 – Die Krise der DDR und ihres Realsozialismus kulminierte. Am 4. November strömte eine halbe Million Menschen zu einer so in der DDR noch nicht gesehenen Kundgebung auf den Berliner Alexanderplatz. Ein Festtag, ein Höhepunkt der »friedlichen Revolution«!? Trotz aller radikal-nachdenklichen Reden und dem Aufbruchgeist vieler Demonstranten – es blieb eher das Beschwören von Stimmungen und das Bekunden der Freude über die neugewonnene Freiheit, das Hoffen auf einen besseren Sozialismus. Zwar schloß einer der Redner, der Schriftsteller Stefan Heym, seine Rede mit dem Ruf: »Freunde! Mitbürger! Übernehmt die Herrschaft.«1 Aber die Anwesenden, in diesem Moment wohl auch der Grandseigneur der DDR-Literatur, verstanden diesen Ruf doch nur als einen rhetorischen. Letztlich blieb es bei Losungen und es ist nicht verwunderlich, daß Heym sich später vorwarf, nicht zum Sturm auf die Bastionen der alten Macht gerufen zu haben. Ob dabei mehr herausgekommen wäre als so, da via Wahlen die politische Klasse der alten Bundesrepublik im Osten Deutschlands die Macht übernehmen konnte? Nach Abschluß der Kundgebung zog man friedlich nach Hause, das sonnabendliche Mittagessen wartete.

Es ist schon verflixt. Da kam es im Herbst 1989 zu einem Umbruch, bei dem aktiv handelnde Volksmassen (einschließlich einer bald aufbegehrenden SED-Basis) als – wenn auch disziplinierte – Demonstranten nach Feierabend auf die Straße gingen und ihrem Gewissen und weniger ihren nur vage auszumachenden Führern folgten. Sie fegten ein Politbüro und eine Regierung und noch ein Politbüro hinweg, erfanden und nutzen neuartige Machtstrukturen, erzwangen die Auflösung eines allgegenwärtigen Repressivapparates und setzten freie Wahlen durch.

Und doch ist das Urteil – trotz des mittlerweile vergangenen knappen Jahrzehnts – so umstritten wie von Anfang an. Die einen feiern es als Revolution, vergeben Attribute wie »national«, »friedlich« oder »protestantisch« und sehen das wichtigste Resultat in der Zerstörung jenes Staates zwischen Elbe und Oder, der eine Alternative zum westlich-kapitalistischen Deutschland sein wollte.2 Die Bundestags-Enquete bot 1994 die offizielle Lesart von der »friedlichen Revolution«, die »zum Sturz der SED-Diktatur« führte und damit »die deutsche Einheit zu verwirklichen« ermöglichte.3 Auf der anderen Seite des politischen Spektrums ist das Etikett »Konterrevolution«4 schnell bei der Hand, eben weil dieser Aufruhr alsbald umfunktioniert wurde zum Sturz nicht nur der Exponenten der bisherigen Macht, sondern zum Sturz und zur Zerschlagung der gesamten politischen Systems, der Eigentumsstrukturen und des Staates selbst.

Der Sozialismus in der Sackgasse

Die Analyse des Umbruchs 1989/91 in Osteuropa eröffnet einen vielschichtigen, differenzierten Blick.5 Gemeinsam ist all diesen Staaten (mit Abstrichen Jugoslawien) das sowjetische Modell eines administrativ-zentralistischen Sozialismus, eines Staatssozialismus mit der bürokratisch gesicherten Führungsrolle einer kommunistischen Partei – genauer ihres engsten Führungsgremiums und des jeweiligen ersten Mannes im Politbüro (oder Parteipräsidium). Hochgradige Zentralisation aller politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entscheidungen sowie das Fehlen funktionierender Demokratie und politischer Freiheiten verband zwischen Berlin, Warschau, Moskau und Sofia Parteiführungen und Staaten.

Die Ausgestaltung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, Entwicklungsstand und Mechanismus der Volkswirtschaften, die Kulturpolitik und selbst die Repression in ihrem »Erfolg« bzw. ihrer Erfolglosigkeit, die Existenz von nichtsystemkonformen Kräften, ja von Oppositionsstrukturen waren von Land zu Land unterschiedlich. Seit Stalins Tod und den Krisen 1953/56 vollzogen sich wesentliche Differenzierungen, die das Modell nicht aufhoben, aber jeweils national sehr unterschiedlich ausgestalteten.6 Zwischen der »fröhlichsten Baracke des Kommunismus« (Ungarn) und dem feudalen Reich des »Großen Conducators« in Rumänien lagen trotz gemeinsamer Grenzen und Pakte Welten.7

Seit Mitte der achtziger Jahre die sowjetische Führung um Michail Gorbatschow – nach ersten Ansätzen Juri Andropows – einen Kassensturz machte und begriff, daß das System in einer tiefen Krise steckte und Veränderungen auf der Tagesordnung standen, seitdem wurde die Kluft zwischen dem »revolutionären Prozeß der Perestrojka« und einem »Sozialismus in den Farben der DDR« (einem wenig verklausulierten konservativen »Weiter so!«) immer größer.

Entsprechend differenziert ist die Nach-Wende-Lage ausgefallen. Dabei haben die einzelnen Länder – nur bedingt abhängig von ihrer mehr oder weniger reformorientierten Vor-Wende-Politik – sehr unterschiedliche Wege eingeschlagen. Die »Perestrojka«-Sowjetunion ist als Supermacht, multinationaler Staat und Gesellschaft zerfallen. Nationalistische Strategien bescherten Europa eine Reihe neuer Staaten. Die DDR verschwand – und fand sich als zwar benachteiligtes, aber im Vergleich zu den früheren Verbündeten privilegiertes Land in einem ausgeprägten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen System wieder.

In den achtziger Jahren war für einen Teil der Linken und auch der kommunistischen Führer Handlungs- und Wandlungsbedarf angesagt. Stagnation und Wirtschaftskrisen, mangelnde internationale Wettbewerbsfähigkeit, Überlastung durch Wettrüsten und neuartige globale Probleme, vor allem die Umweltkrise, stellten die östliche Supermacht und ihren Block vor Entscheidungen.

Gorbatschow erkannte dies, wollte umsteuern und proklamierte eher emotional denn wissenschaftlich: »Die Umgestaltung ist eine Revolution.«8 Er vermochte Prozesse anzuschieben, Losungen auszugeben, den Machtapparat »durchzurütteln« – durchaus mit einigen jener stalinistischen Methoden, die er überwunden wissen wollte. Der Versuch, dem Sozialismus neuen Atem einzuhauchen, blieb aber zunächst eine »Revolution von oben«, die diejenigen, die diese eigentlich tragen sollten, zu Akteuren, richtiger zu Statisten einer »passiven Revolution« machte.9 Die Tiefe der Krise zwang zum Handeln. Aber gegen wen? Konservative in der Partei, die Politbürokratie, die schon Trotzki gegen Stalin als eigene soziale Schicht erkannte,10 jene »neue Klasse«, die Djilas11 in den fünfziger Jahren als Gegner bestimmte?! Ja, aber nun mit dem Problem, daß diese Machtclique, diese »politische Klasse« selbst nicht einheitlich handelte, selbst von Zweifeln geplagt wurde und bei allen eigenen Interessen in Teilen durchaus für sozialistische Ziele eintrat. Gelegentlich brachte sie mit Dubˇcek oder Gorbatschow, Jaruzelski oder Modrow auch kritische Akteure hervor, die über ihren und ihrer Gruppe Schatten im Interesse einer sozialistischen Zukunft zu springen willens waren.

Daß die Fähigkeiten dieser Politiker und ihre oft nur fragmentarischen Strategien des »So geht es nicht weiter« dieser Aufgabe nicht gerecht werden konnten, das wurde bei jenem letzten Reform- oder in unserem Kontext »Revolutions«-Versuch der Perestroika offenbar.12

Zudem zeigte sich, daß 1989 die Stoßrichtung in den einzelnen osteuropäischen Staaten bereits unterschiedlich war.13 Die Lektionen der Niederlagen der Revolutions- und Reformversuche 1956 und 1968 in genau der gleichen Richtung – gegen eine undemokratische, von außen oktroyierte, den sozialen Erwartungen nicht entsprechende Machtausübung durch eine kleine Minderheit – hatten Hoffnungen zerstört. Weder ein Aufstand (Ungarn) noch eine in der KP selbst eingeleitete und von ihren Führern getragene Reform (CˇSSR)14 konnten sich gegen die sowjetischen Machtinteressen behaupten. Mit »Solidarnos´c´« und »Charta 77« verabschiedeten sich die Kritiker von dem Versuch, den Staatssozialismus zu humanisieren. Sukzessive stellten sie sich auf eine andere Alternative ein: den Sturz einer Ordnung, die den Anspruch Sozialismus für sich reklamierte, aber praktisch pervertierte. Sie sollte ersetzt werden durch eine Gesellschaft, die Menschen- wie Bürgerrechte garantieren kann und wirtschaftlich leistungsfähig ist – die westlich-kapitalistischen Gesellschaften westeuropäischen Zuschnitts.

Schon aus dieser besonderen Situation ergab sich die Schwierigkeit, die die Reformbemühungen und gar erst die Versuche einer erneuten Revolution in der sozialistischen Gesellschaft nach sich ziehen mußten.

Zunächst bestimmte die Systemauseinandersetzung, der »Weltbürgerkrieg« (Nolte), das Schicksal der Länder und ließ jedes Abweichen vom gewählten Modell und dem eigenen Block als Gefahr erkennen (dafür stehen sowohl die Schicksale der osteuropäischen Reformen wie die ebenso wirksamen Disziplinierungen im westlichen Lager – z.B. Chile 1973, Italien in den sechziger/siebziger Jahren, Portugal nach der »Nelkenrevolution« 1975). Mit ersten Anpassungen in den sechziger/siebziger Jahren als Antwort auf die Studentenrevolte von 1968 reagierten die westlichen Gesellschaften auf die Produktivkraftrevolution. In den achtziger Jahren drängte wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wandel massiv auf die Tagesordnung und wurde mit einer marktradikalen Strategie beantwortet. Sie zeitigte Erfolge. Mit der Einsicht zuerst der Sowjetunion, daß sie diesen Wettbewerb nicht bestehen könnte und ihrem Ausstieg aus der Konfrontation änderte sich die Lage der Verbündeten, schließlich auch die der Sowjetunion selbst dramatisch. Allein für die DDR bedeutete dieser Wandel aber die Existenzfrage als Staat.

Der Bruch für den Staatssozialismus war in den achtziger Jahren also ein doppelter: Es ging erstens um die demokratischen, menschenrechtlichen »Fehlstellen«, die mehr und mehr lautstark eingefordert wurden. In der DDR wurde dafür die Reisefreiheit zum Synonym. Zweitens ging es gleichzeitig um Konzepte für eine technologisch hochstehende Wirtschaft, die offenkundig ohne marktwirtschaftliche Elemente, ohne Wertgesetz und Markt nicht zu bekommen war. Offen blieb zunächst, ob als Ergänzung oder gar als Alternative zur Planwirtschaft. Zu allem Überdruß erwies sich jedoch, daß sich beide Seiten gegenseitig bedingen. Moderne Produktivkräfte verlangen mehr Demokratie – zumindest in einer Gesellschaft, in der die Werktätigen selbst die Hausherren sein sollten. Mehr demokratische Freiheiten sollten wiederum die Sicherung der sozialen Menschenrechte und ein bestimmtes Maß an Konsumtion voraussetzen.

Eine Gesellschaft, die diese Ansprüche – soziale Gerechtigkeit, Demokratie und soziale Sicherheit bei optimaler Bedürfnisbefriedigung – nicht für sich stellt, kann mit Defiziten funktionieren. Sie muß dafür einen sozialen und/oder politischen Preis zahlen. So agiert der Kapitalismus auch gegenwärtig erfolgreich. Eine Gesellschaft, die aber genau dies alles will, mußte sich irgendwann daran messen lassen: Der Staatssozialismus verlor!

Eine neue DDR – spät, zu spät

Die Ereignisse von 1989/90 in der DDR sind nur in ihrer Einheit zu begreifen. Erstens vollzog sich tatsächlich eine Revolution in der (real-)sozialistischen Gesellschaft – eben jene seit Kronstadt 1921 immer wieder eingeforderte Revolution gegen die »neue Klasse« und ihren undemokratischen Repressionsapparat, mit dem sie die eigenen Ziele verriet.

Ein notwendiger Exkurs: Als 1920 Rußland und damit der Staatssozialismus erstmals in einer tiefen inneren Krise steckten und die Bolschewiki spürten, daß sie den Boden unter den Füßen verloren, zwang die Kronstädter Erfahrung Lenin zur Einsicht, daß Macht und Wirtschaft anders organisiert werden mußten. Die NÖP sollte die Lösung bringen.15

Ungeachtet aller Widersprüche des Kronstädter Aufstandes war unverkennbar: Eine innersowjetische Kritik- und Korrekturbewegung wollte die verhängnisvollen Strukturen beseitigen – durch eine »dritte Revolution«. Damals erschien in einem Blatt der Aufständischen ein Artikel, der strenggenommen die gesamte Geschichte des Staatssozialismus und seiner Machtstrukturen als Mahnung durchziehen könnte. Mit dem Ansturm des Oktober 1917 schien es, »als ob das werktätige Volk nun in seine Rechte eintreten werde. Aber die kommunistische Partei, voll von Egoisten, ergriff die Macht, nachdem sie die Bauern und Arbeiter, in deren Namen sie handelte, beiseite geschoben hatte. Sie beschloß, das Land mit Hilfe ihrer Kommissare nach dem Vorbild des von den Gutsbesitzern beherrschten Rußland zu regieren.« Das grausige Fazit: »Eine neue kommunistische Knechtschaft entstand. Der Bauer wurde zum Knecht auf den Sovchozen, der Arbeiter zum Lohnempfänger in einer staatlichen Fabrik. Die schaffende Intelligenz verschwand … Die Atmosphäre war zum Ersticken. Sowjetrußland verwandelte sich in ein allrussisches Zuchthaus.« Die Matrosen, in der Vergangenheit Vortrupp der Revolution – durch den Bürgerkrieg geschwächt, sich nun aus kleinbürgerlich-bäuerlichen Schichten rekrutierend und damit die Widersprüche so besonders kraß sehend – ergriffen »als erstes das Banner des Aufstandes zur Dritten Revolution der Werktätigen … Die Zeit der echten Macht der Werktätigen, der Macht der Sowjets ist angebrochen.«16

Zurück zur DDR. Im Sommer 1989 spitzte sich hier die Krise zu. Massenfluchten und Botschaftsbesetzungen zeugten von der sich verschärfenden Lage. Was zunächst eher intellektuelle Grüppchen waren, die unter dem Dach der Kirche über punktuelle Veränderungen und erste Reformschritte nachdachten, die therapeutische Gesprächskreise waren und teilweise für Ausreisewillige Alibi und Anlaufstelle wurden, diese Kreise spürten, daß ihre Sorgen auch die eines wachsenden Teils der Bevölkerung waren.17 Ihre Bereitschaft, im September auf die Straße zu gehen, stieß auf zunehmende Resonanz, so daß tatsächlich eine Massenbewegung entstand. Wohlgemerkt eine Massenbewegung – manifest in den Montagsdemonstrationen vor allem im Oktober und in der ersten Hälfte November18 –, die bewußt gegen jene antrat, die ihre Systementscheidung bereits getroffen hatten und in die andere Gesellschaft »übergelaufen« waren oder es noch wollten. Diese Kräfte erstrebten keine Beseitigung der DDR, auch nicht im Sinne ihres Ausblutens, sondern ihre Reformierung. In dieser Konstellation liegt eine der Besonderheiten der DDR im Vergleich zu Osteuropa. Im Hintergrund stand jedoch die offene nationale Frage, die mit jedem Schritt anders und radikaler als anderswo im Ostblock das eigenstaatliche Überleben berühren sollte.

Die Demonstranten entschieden sich zu diesem Zeitpunkt gegen diese Systemalternative und für einen Wandel im eigenen Land – und das ohne jene straffe Führung, die bislang marxistisch-leninistische Revolutionstheoretiker immer für den Erfolg unterstellt hatten. Das machte der SED-Führung die Bekämpfung der Bürgerbewegungen so schwer. Zu allem Überdruß für sie regte sich eine innerparteiliche Reformbewegung, die genau die Ziele verwirklichen wollte, die auch in Moskau als revolutionäre Perestrojka eingeleitet worden waren.19

Die Mehrheit der DDR-Bevölkerung wollte zuallererst einen besseren, demokratischeren, effizienteren Sozialismus und den Abschied von jenen Strukturen, die mit dem Namen Stalins verbunden bleiben. Die Forderung der Bürgerbewegung »Demokratie jetzt« war auch die ihre: »Wir wollen, daß die sozialistische Entwicklung … weitergeführt und dadurch zukunftsfähig gemacht wird«.20

Zweitens vollzog sich dieser Umbruch aber im machtpolitischen Vakuum. Weder Bürgerbewegungen noch SED-Reformer waren konzeptionell und personell-organisatorisch in der Lage, sich dauerhaft an die Spitze des Aufbegehrens und der Suche nach einer neuen Gesellschaft zu stellen. Insofern kam es zu einer Implosion des staatssozialistischen Systems.

Mit der Maueröffnung begann der Thermidor dieser Revolution.21 Er brachte auf Dauer zwar eine Festschreibung der demokratischen Errungenschaften des Umbruchs vom Herbst 1989 – bürgerliche Freiheiten, Parlamentarismus, zivilgesellschaftliche Strukturen, Politisierung von Frauen- und Ökologiefrage. Insofern »funktionierte« die Revolution. Aber eben im nationalen, nationalistischen Kontext einer nun von Westdeutschland übergestülpten konservativ-neoliberalen Hegemonie. Die aber sorgte dafür, daß gleichzeitig wesentliche soziale Veränderungen seit 1945/49 beseitigt und schließlich auch die neuen demokratischen Errungenschaften auf das westdeutsche parlamentarisch-demokratische Maß zurückgestutzt wurden.

Nicht mehr gesellschaftlicher Wandel innerhalb einer sozial gerechten Ordnung stand an, sondern der Umbruch in eine andere Gesellschaft, die sich seit Jahrzehnten im Westen entwickelt hatte, in den Kapitalismus. Der war zwar modern und bot Markt, Demokratie und Zivilgesellschaft, ihm fehlte aber nun sein Herausforderer. Dem Neoliberalismus war und ist jetzt in Ost wie West Tür und Tor geöffnet, so daß wohl eher der Markt in seiner blinden Wirkung denn eine sozial beherrschte Wirtschaft und Gesellschaft übrig bleiben.

Eine abgebrochene Revolution

Für den Umbruch und Gesellschaftswechsel in der DDR zugunsten eines westlich dominierten Gesamtdeutschlands sind verschiedene Attribute denkbar, ihn zu bezeichnen (und damit auch zu werten):

Als eine abgetriebene Revolution,22 der der emanzipatorische Impetus einer eigenständig reformierten DDR beraubt wurde; als eine verkaufte Revolution, in der die eigenen Bürger ihre Ziele als Konsumenten höher einstuften als die eigene Befreiung von allen Freiheitsbeschränkungen – aber auch ein von der sowjetischen Führungsmacht aufgegebener Vorposten zugunsten westlicher Kredite zur Rettung der maroden Wirtschaft; als eine wie so oft in der Geschichte Deutschlands – etwa 1848/49 oder 1918/19 – gescheiterte Revolution, in der die ursprünglichen Ziele der Akteure nicht eingelöst werden konnten; als eine enteignete Revolution, in der die Akteure durch die überwältigende Präsens der Bundesrepublik und ihrer politischen Klasse von der eigenen Revolution enthoben wurden; als eine zweifellos friedliche Revolution. Die unzufriedene Bevölkerung und ihre Aktivisten verzichteten bewußt auf das von manch verhindertem Protagonisten im nachhinein gewünschte »An die Laterne … Egon Krenz an die Laterne« als einem »bescheidenen Vorschlag zum Selbstmord und ein(em) behutsam ausgewogenen Lob der Lynchjustiz«.23 Aber ebenso waren auch die Mächtigen und die vielen einfachen Angehörigen der Sicherheitsorgane nicht bereit, sich ihrer Macht repressiv zu bedienen.

Es war ebenso eine Implosion24 einer mächtigen und wohl bewehrten Ordnung, die eben auch die Macht von Menschen war, die an Ideale glaubten und mehr nachgedacht hatten als jene Generationen, denen noch jedes Mittel recht war, die Macht zu verteidigen. Nun sahen sie sich auf einmal auf der Seite derjenigen, die der Verwirklichung dieser Ideale im Wege standen.

Schließlich war es eine Wende und ein Umbruch im Leben der Menschen25 wie im gesellschaftlichen Leben eines ganzen Landes. In wenigen Monaten wurden oft Erfahrungen und Kenntnisse eines ganzen Lebens entwertet, Millionen aus politischen, später dann wirtschaftlichen Gründen aus der Arbeit geworfen. Ein Volk stand vor einer Neuorientierung, mußte sechzehnmillionenmal zwischen Selbstbehaupten und Resignieren wählen.

Insgesamt war es eine abgebrochene Revolution, die großartig demokratisch durch das Volk begann und schließlich dem handelnden Volk verlustig ging. Hier ist Gert-Joachim Glaeßner – allerdings nicht in der Zeitdimension – zu folgen, der »von einer wiederherstellenden und zugleich von einer abgebrochenen Revolution« spricht. »Sie wollte den Irrweg eines extremen Autoritarismus … beenden und … wieder an die freiheitlichen und liberalen Traditionen der westlichen Demokratien anknüpfen. Sie wollte aber, zumindest in ihrer Hochzeit Ende des Jahres 1989, Anfang 1990, auch einen entscheidenden Schritt weitergehen: Das verratene Ideal sozialer Gerechtigkeit sollte mit dem der persönlichen Freiheit versöhnt werden.«26 Nicht nur die Zeitdimension ist problematisch, auch der Nachholeffekt ist sicher nicht als ein »wiederherstellender« zu fassen. Berechtigt schließt er an Jürgen Habermas’ eingängige These von der »nachholenden Revolution«27 an. Mit dem Wiederherstellen war es nach der Zäsur des deutschen Faschismus ebenso eine Sache wie mit jenen Problemen, die zu Zeiten des 1. Weltkrieges zur Spaltung der Arbeiterbewegung geführt hatten. So demokratisch, so zivilgesellschaftlich kam der Kapitalismus einst nicht daher, daß seine »modernen« Vorzüge in Zeiten des Klassenkampfes allen Akteuren ins Auge springen mußten. Was es nachzuholen galt, war die Aufnahme zivilgesellschaftlicher, demokratischer Elemente, wie sie die modernen westlichen Gesellschaften seit einigen Jahrzehnten entwickelten.28 In der Bundesrepublik kamen sie erst mit der Studentenbewegung der ausgehenden sechziger Jahre und den neuen sozialen Bewegungen der siebziger/achtziger Jahre wirklich zum Durchbruch.

Dabei wird mit dem Begriff der »abgebrochenen« Revolution zweierlei ausgedrückt: Zunächst unterbrach der bundesdeutsche Ein- und Zugriff auf die DDR-interne Auseinandersetzung den bislang eigenständigen Charakter dieser Entwicklung.29 DDR-eigene Alternativen und Führungskräfte verloren rasch an Bedeutung. Gleichzeitig stiegen die Bürgerbewegung und zeitversetzt die SED-Reformer aus ihrer nun eher fremdbestimmten Revolution aus, genauer, sie wurden verdrängt. Ihre 3. Wege erwiesen sich als imaginär, sie setzten zumindest in den Bürgerbewegungen eher auf Selbstorganisation denn auf Macht. Damit und angesichts der nun durchschlagenden Interessenlagen konnten sie den Prozeß nicht mehr weitergestalten, geschweige denn –führen.

Für Marxisten war der Revolutionsbegriff immer mit dem Fortschrittsgedanken verbunden und kulminierte in der proletarischen Revolution, die die alte Ausbeuterordnung stürzen und eine klassenlose Gesellschaft errichten sollte.30 Gerade hier liegt nun das Strittige und Problematische der Anwendung des Revolutionsbegriffs auf die Vorgänge des Herbstes 1989. Offensichtlich traf 1989 Lenins Erwartung vollauf ein, daß »die ›Unterschichten‹ das Alte nicht mehr wollen und die ›Oberschichten‹ in der alten Weise nicht mehr können«31. Und es bestätigte sich Marx, daß »nur bei einer Ordnung der Dinge, wo es keine Klassen und keinen Klassen gegensatz gibt, … die gesellschaftlichen Evolutionen aufhören (werden), politische Revolutionen zu sein«.32 Revolution als Wechsel des politischen Regimes wie als tiefgreifender sozialer und politischer Einschnitt hat im Herbst 1989 zweifellos gewirkt. Sie brachte die »Schaffung einer neuen gesellschaftlichen Ordnung und neuer Rechtsformen, die über den bloßen Wechsel von Führungsgruppen … hinausweisen« und »die Sprengung der bisherigen Sozialstruktur«.33 Insofern sind nicht nur die marxistische Revolutionstheorie anwendbar, sondern ebenso Tocqueville, Hannah Arendt oder neuzeitliche Konflikttheorien.34

Aber: Die Akzeptierung des Revolutionsbegriffs bedeutet anzuerkennen, daß die Entwicklung seit der Oktoberrevolution eben noch keinen tatsächlichen Sozialismus, keine klassen-, genauer machtlose Gesellschaft hervorgebracht hatte. Eine »Revolution im Sozialismus für den Sozialismus« (Manfred Kossok)35 war notwendig. Dafür erwies sich der Staatssozialismus als unfähig trotz einer Produktivkraftrevolution und damit verbundener Veränderungen in der Systemauseinandersetzung. Es reichte eben nicht aus, diese Gesellschaft im Sinne einer »konservativen Revolution«36 zu verbessern, wie Jürgen Kuczynski im Herbst 1989 meinte. Es ging vielmehr um eine neue Qualität, die den erreichten ungenügenden Stand einer nicht demokratischen, nicht tatsächlich vergesellschafteten Gesellschaft überwindet.

Genau das fand im Herbst 1989 nicht nur keimhaft statt – im Agieren der Bürgerbewegungen, in den Reformgruppen der SED, in der Bildung und Arbeit von Bürgerkomitees, Gewerkschaftsinitiativen und Betriebsräten, vor allem aber in der Arbeit der vielen Runden Tische und besonders des Zentralen Runden Tisches.37

Die Anerkennung des Revolutionsbegriffs für den Umbruch 1989/91 bedeutet also:

Einerseits das Eingeständnis, daß tatsächlich ein radikaler Bruch der Macht-, ja der gesamten sozialen Verhältnisse sich vollzog und zwar unabhängig davon, ob die Herrschenden selbst die Macht aufgaben und Reformen versuchten, was Hobsbawm zur Ablehnung des Revolutionsetiketts38, Ash wiederum zur Vergabe des Kunstwortes der »Refolution« als einer Mischung aus Reform und Revolution anregte.39

Gleichzeitig war es das Resultat des Handelns sozialer Kräfte, ja Massen (und keineswegs eine putschistische Veranstaltung)40 und das Resultat vornehmlich der inneren Widersprüche der Gesellschaft – im Marxschen Sinne letztlich des (bislang) unlösbaren Widerspruchs zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Schließlich bedeutet das Resultat tatsächlich einen Fortschritt der gesellschaftlichen Entwicklung und eben nicht eine Restauration der alten Verhältnisse, ein Zurückdrehen der Revolution durch eine Konterrevolution. Allerdings ist das Abwägen zwischen dem Gewinn an demokratischen Freiheiten, an Rechtsstaatlichkeit und dem Wieder- oder Neuentstehen privatkapitalistischer Eigentumsverhältnisse mit ihren sozialen Folgen zweifellos ein zu diskutierendes Problem.

Das blamierte Interesse

Wie so oft in der Geschichte entschieden sich die Menschen für diejenigen, die ihren Interessen am ehesten zu entsprechen schienen. Bärbel Bohley konnte sich wie viele Bürgerbewegte am wiedergewonnenen »aufrechten Gang«, am demokratischen Erwachen der DDR-Bürger begeistern. »Aber dann kam die Berührung mit dem bunten Laden Bundesrepublik … Es geht nicht darum, daß diese Mauer nicht geöffnet werden sollte. Aber das geht nicht so! Man kann die Leute nicht ohne einen Pfennig Geld in diesen Westen lassen. … Die sind dann rüber und haben hundert Mark geschenkt gekriegt. Die haben sie nicht von hier gekriegt, sondern die haben sie von Herrn Kohl gekriegt. Und dann gab’s die Blaskapellen, die Bananen, die Dinge, die nachher dann im Wahlkampf hier wiederholt worden sind. Man muß ganz einfach sagen: das waren Glasperlen für die Eingeborenen. Und die haben gewirkt.«41

Oder, wie es Jens Reich für die Bürgerbewegungen emotionsloser formuliert: »Wir hatten andere Fragen beantwortet, als die Wähler gestellt hatten.«42 Die Interessen waren auch in der DDR sehr konkret. Eine Mehrheit der Bürger war mit ihrem System unzufrieden. In der Reisefrage kristallisierten die Erwartungen an individuelle Freiheit, Veränderung, Weltoffenheit. Sie war alsbald Synonym für eine Gesellschaft des glitzernden Wohlstandes, in dem die Bedürfnisse auf ihrer höchsten Stufe möglicher Realisierbarkeit als Maßstab galten, nicht die gleichmäßige Verteilung eines auch nur noch relativen Mangels. Es war damit die Erwartung an eine Wirtschaft auf der Höhe des internationalen technischen Fortschritts und der wirtschaftlichen Effizienz, die zur Rückständigkeit und dem Schlendrian einer zwar sozial angenehmen, aber nicht leistungsstarken DDR-Wirtschaft kontrastierte.

So, wie die internationale Wirtschaftslage sich darstellte, konnte dieser Zugang nur über die westliche Wirtschaft stattfinden. Da bot sich die Bundesrepublik als insgesamt attraktives und leistungsfähiges Land geradezu an. Es war angesichts der Krisen in Osteuropa, auch des sich nicht einlösenden Hoffens auf den Erfolg der sowjetischen Perestrojka naheliegend, es mit den wirtschaftlichen Siegern der Geschichte zu versuchen.

SED-Reformer wie Bürgerbewegungen konnten nur ein neues Suchen und Arbeiten an einem sozialistischen, nun demokratisch verbesserten Experiment anbieten. Das schien einer Mehrheit zu anstrengend und aussichtslos. »Nie wieder Experimente!« war ihre beliebteste Losung im Spätherbst und Winter 1989/90. Dann lieber das bewährte und leistungsfähige Modell übernehmen, zumal Kanzler Kohl mit der »Einführung der Sozialen Marktwirtschaft« alsbald den ostdeutschen Landsleuten »blühende Landschaften in Deutschland« versprach.43 Er verschwieg nur den festen Willen, den Sieg über den Sozialismus mindestens so ideologisiert fest zu untermauern, wie das der »Marxismus-Leninismus« 40 Jahre lang versuchte – nun mit umgekehrten Vorzeichen: Zerschlagung des alten Staatsapparates, Brechung der Ideologie, Umbruch der Eigentumsverhältnisse. Und er verschwieg, daß die Altbundesrepublik, ihre expansionsfreudige Wirtschaft und ihre ehrgeizigen Beamten wie Unternehmer eine Spielwiese für ihre Träume, Karrieren und Renditen suchten. Nicht zuletzt verschwieg er, daß für ihn der Erfolg in der DDR mit der Behauptung der eigenen Macht in Bonn verbunden war.

Mehr Markt, mehr Demokratie und weniger Lebensqualität

Was als emanzipatorischer Aufbruch für eine bessere, demokratischere, aber nichtsdestoweniger sozialistische DDR begonnen hatte, endete in einem deutschen Einheitsstaat kapitalistischen Zuschnitts. Die Revolution im Osten wurde nicht zum Initialzünder für eine »doppelte Modernisierung« des Ostens in der Aufnahme der zivilisatorischen Leistungen der westlichen Gesellschaften und der gleichzeitigen Ausprägung des zivilisationsbewahrenden Charakters der östlichen Gesellschaft. Es wurde auch keine erhoffte »doppelte Modernisierung«,44 in dem der Westen sich wandeln und positive, sozialistische Momente der DDR und ihres Aufbruchs in sich aufnehmen sollte. Diese Vorstellungen konnten angesichts des realen Kräfteverhältnisses und des vermeintlichen Triumphes der Marktwirtschaft nicht funktionieren.

Zu spät wurde (und von vielen bis heute noch nicht) begriffen, daß hinter dem Etikett der »sozialen (gar ökologischen) Marktwirtschaft« allein ein mehr oder minder gut funktionierendes Profitsystem schlummert, das in guten Zeiten und bei entsprechender Gegenmacht – durch ein konkurrierendes Sozialsystem und/oder durch eine starke Gewerkschaftsbewegung oder andere soziale Bewegungen (etwa im Umweltbereich) – modifiziert, vielleicht »gebändigt« werden kann.

Alsbald sollte sich herausstellen, daß die östliche Implosion in doppelter Hinsicht für die westlichen Gesellschaften zuallererst einen Impuls der Selbstbestätigung und des Verzichts auf Alternativen darstellte. Denn zum einen schien der Zusammenbruch des Staatssozialismus generell die Unfähigkeit einer sozialistischen Alternative belegt zu haben. Allein die marktwirtschaftliche, pluralistisch-demokratische Gesellschaft wurde als Endziel gesellschaftlicher Entwicklung akzeptiert. (Dabei ist allerdings auffällig, daß für die Transformation der osteuropäischen Länder durchaus Abstriche an der demokratischen Komponente als zulässig gelten.) Zum anderen fiel der Untergang des Staatssozialismus mit dem Kurswechsel der westlichen Länder hinsichtlich der Ausgestaltung ihrer Verhältnisse zusammen. Waren die USA und Großbritannien diesbezüglich bereits seit den siebziger Jahren Vorreiter, so nutzen nun politische Klasse und Unternehmer der größer gewordenen Bundesrepublik die Gelegenheit, einen neoliberalen Kurswechsel rücksichtslos durchzuziehen. Ostdeutschland – von vielen als potentielles Mezzogiorno Deutschlands45 apostrophiert – wurde zum Experimentierfeld für eine neoliberale Umprofilierung der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft. Das Vertrauen auf den Markt, der alles richte, das rücksichtslose Durchziehen des Prinzips »Rückgabe vor Entschädigung« wirkten mit dem blinden Konkurrenzdruck, der praktischen Einvernahme ostdeutscher Betriebe und der zielgerichteten Ausschaltung ostdeutscher Konkurrenten auf die Industrie-, Wirtschafts- und Wissenschaftslandschaft zwischen Elbe und Oder verheerend.46 Dabei war dies im Unterschied zu den anderen osteuropäischen Transformationsstaaten ein Prozeß ohne nationale Schutzgrenzen, ohne die Chance des Erhalts von Arbeitsplätzen und der Umorientierung der Eliten.47 Im Gegenteil, mit der Einführung der DM fiel jeder Schutz, die ostdeutschen Betriebe wurden »plattgemacht«,48 die alte Elite radikal ausgewechselt.49 Obendrein war es ein zutiefst ideologisch motivierter Umbruch, in dem sozialistische Traditionen und Erfahrungen nichts zählen sollten.50 Typisch sind dafür der Umgang mit der Bodenreform und den ostdeutschen Genossenschaften und ihre systematische Benachteiligung.51

Die Geschichte bleibt offen

Vielleicht ist es gerade die Erfahrung des Versagens und Scheiterns einer Gesellschaft, die Probleme in aktuellen Entwicklungen und Krisen schneller erkennen läßt. Da gibt es die immer deutlicher werdende Ähnlichkeit der Reaktionsträgheit und Entscheidungsunfähigkeit der Herrschenden – einst der Politbüros, heute der bundesdeutschen politischen Klasse und der Chefetagen der Konzerne. Sie gemahnt, daß jener zynische Scherz aus der DDR-Geschichte zum Wettkampf der Systeme hochaktuell sein könnte: »Der Imperialismus steht am Abgrund, wir (die DDR) sind ihm einen Schritt voraus.«

Die menschliche Zivilisation steckt in einer Krise, auch wenn die Siegesmeldungen von den Fronten der Globalisierung dies zu vernebeln suchen. Mehr denn je steht eine »global revolution«52 eines tiefgreifenden weltweiten Wandels an. Fragen einer neuen gesellschaftlichen Orientierung sind weltweit zu beantworten: Es ist nicht nur die permanente Krise der Länder der »3. Welt«, es ist nicht nur der schmerzhafte Transformationsprozeß der einst staatssozialistischen »2. Welt«, sondern es ist die Krise in den westlichen Metropolen. Selbst oder gerade in dem recht kleinen, überschaubaren Bereich Deutschland überschneiden sich Krisen des Endes der Systemkonfrontation mit denen der inneren Entwicklung. Aber schon allein hier Lösungen zu finden, wären, so bescheiden sie zunächst sein mögen, ein Zeit- und ein Erfahrungsgewinn für einen ausstehenden größeren, radikaleren Umbruch.

Offen ist die Frage nach der Gründung einer neuen Bundesrepublik, die sich aus der Herstellung der Einheit, der Krise der Transformation der Ex-DDR und ganz Osteuropas, aus dem Ende der Systemkonfrontation, dem Verlust des Alternativ-Spiegels und Popanzes Realsozialismus ergibt. Diese Chance wurde zunächst vertan: Es vollzog sich eine rückwärtsgewandte Neugründung der Bundesrepublik unter konservativen Vorzeichen. Aus der Mottenkiste der Geschichte werden alte Werte reaktiviert, das Soziale in der Marktwirtschaft wird immer kleiner geschrieben, das Ökologische wird als standortbedrohender Faktor beschworen. Außerdem soll endlich wieder an die historische Rolle Deutschlands als Führungsmacht in Mittel- und ganz Europa angeknüpft werden.

Offen bleibt die Frage nach einer alternativen Entwicklungslogik unter den Bedingungen einer arbeit-, natur-, sozialzerstörerischen Technologierevolution, des endgültiges Endes des Fordismus. Mit der wissenschaftlich-technischen Revolution, mit dem Siegeszug eines neuen Produktivkrafttyps stellen sich Fragen neu nach dem Charakter der Gesellschaft, den lebendigen Grundlagen ihres Daseins, nach den Voraussetzungen für ein sozial gesichertes Leben der Menschen – für eine Minderheit oder für die Mehrheit der Gesellschaftsmitglieder.

Noch freut man sich, daß das bundesdeutsche Modell einer wachstumsorientierten, exportaktiven Wirtschaft, eines rechtsstaatlichen und verfeinert-bürokratischen Systems mit parlamentarisch-demokratischer Verfaßtheit ein Erfolgsmodell sein konnte, das nicht allein für die Ostdeutschen, sondern für Osteuropa ein ideales Exportgut zu sein schien. Nun ist dieses Modell aber selbst brüchig geworden!

Die DDR in ihrem 41. Jahr hatte emanzipatorische Ansätze und Chancen für ein neues Entwicklungsmodell. Sie wurden aus vielerlei Gründen nicht genutzt. Warum aber sollen die Ideen dieser Revolution nicht Ideen für einen Neubeginn in Deutschland sein?

Literatur

1Stefan Heym: Rede auf der Berliner Demonstration, in: ders.: Stalin verläßt den Raum. Politische Publizistik, Leipzig 1990, S. 289.
2Zum Überblick siehe Ludger Kühnhardt: Umbruch - Wende - Revolution. Deutungsmuster des deutschen Herbstes 1989, in: Aus Politik und Zeitgeschichte - Beilage zu Das Parlament, Bonn (im weiteren: Aus Politik), H. B 40-41/97, S. 12-18.
3Bericht der Enquete-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland" gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 12. März 1992 - Drucksachen 12/7820, 12/2230, 12/2597, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Materialien der Enquete-Kommision "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland" (12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages), Bd. 1, Baden-Baden-Frankfurt/M. 1995, S. 597.
4Siehe exemplarisch Hanfried Müller: Zusammenbruch" und/oder "Konterrevolution", in: Weißenseer Blätter, H. 4/1992, S. 57-68; ders.: "Wende" - Revolution oder Konterrevolution? In: Ebenda, H. 5/1994, S. 31-39.
5Siehe konzeptionell Stefan Bollinger: Die PDS und die doppelte "Wende" von 1989/90. Diskussionsbeitrag, in: Lothar Bisky, Jochen Czerny, Herbert Mayer, Michael Schumann (Hrsg.): Die PDS - Herkunft und Selbstverständnis. Eine politisch-historische Debatte, Berlin 1996, S. 284-308; und die umfangreiche Studie: ders.: 1989 - eine abgebrochene Revolution. Verbaute Wege nicht nur zu einer besseren DDR? Schriftenreihe des Gesellschaftswissenschaftlichen Forums e.V.: Gesellschaft - Geschichte - Gegenwart, Bd. 17, Berlin 1999.
6Siehe zu einigen dieser Aspekte ders.: Die DDR kann nicht über Stalins Schatten springen. Reformen im Kalten Krieg - SED zwischen NÖS und Prager Frühling, hefte zur ddr-geschichte, H. 5, Berlin 1993; ders.: Dritter Weg zwischen den Blöcken? Prager Frühling 1968: Hoffnung ohne Chance, Berlin 1995, bes. Kap. 1; ders.: Konflikte, Krisen und politische Stabilität in der DDR - Gedanken zur historischen Unfähigkeit eines realsozialistischen Krisenmanagements, hefte zur ddr-geschichte, H. 30, Berlin 1996.
7Siehe Ben Fowkes: Aufstieg und Niedergang des Kommunismus in Osteuropa, Mainz 1994
8Michail Gorbatschow: Umgestaltung und neues Denken für unser Land und für die ganze Welt, Berlin 1987, S. 57.
9Siehe z.B. Wolfgang Fritz Haug: Die Perestrojka als Revolution - wogegen? In: Das Argument, H. 176/1989, S. 547-560.
10Siehe Leo Trotzki: Verratene Revolution. Was ist die Sowjetunion und wohin treibt sie? Essen 1990, S. 117ff.
11Siehe Milovan Djilas: The New Class. An Analysis of the Communist System, London 1957.
12Siehe Michael Brie: Michail Gorbatschow - der Held der Demontage, in: ders., Dieter Klein: Der Engel der Geschichte. Befreiende Erfahrungen einer Niederlage, Berlin 1993, S. 281-303.
13Siehe anschaulich bei Timothy Garton Ash: Ein Jahrhundert wird abgewählt. Aus den Zentren Mitteleuropas 1980-1990, München-Wien 1990.
14Siehe Stefan Bollinger: Dritter Weg zwischen den Blöcken? a.a.O.
15Siehe Stefan Bollinger: Konflikte, Krisen und politische Stabilität in der DDR a.a.O., Kap. 4.
16Die Etappen der Revolution, in: Mitteilungen des Provisorischen Revolutionskomitees der Matrosen, Rotarmisten und Arbeiter der Stadt Kronstadt, Nr. 10, 12. März 1921, in: Frits Kool, Erwin Oberländer (Hrsg.): Arbeiterdemokratie oder Parteidiktatur, Olten und Freiburg im Breisgau, S. 441/442.
17Siehe z.B. Helmut Müller-Enbergs, Marianne Schulz, Jan Wielgohs (Hg.): Von der Illegalität ins Parlament. Werdegang und Konzepte der neuen Bürgerbewegungen, Berlin 1991; Jan Wielgohs, Marianne Schulz, Helmut Müller-Enbergs: Bündnis 90 - Entstehung, Entwicklung, Perspektiven. Ein Beitrag zur Parteieinforschung im vereinigten Deutschland, Berlin 1992; Helmut Müller-Enbergs (Hrsg.): Was will die Bürgerbewegung? Augsburg 1992; Erhart Neubert: Geschichte der Opposition in der DDR 1949-1989, Bonn 1998, 2. durchges. u. erw. Aufl.
18Siehe Karl-Dieter Opp, Peter Voß: Die volkseigene Revolution. Unter Mitarbeit von Christine Gern, 1993; Hartmut Zwahr: Ende einer Selbstzerstörung. Leipzig und die Revolution in der DDR, Göttingen 1993.
19Siehe z.B. Rainer Land, Ralf Possekel: Namenlose Stimmen waren uns voraus. Politische Diskurse von Intellektuellen in der DDR, Bochum 1994.
20Gründungsaufruf der Bürgerbewegung DEMOKRATIE JETZT: Aufruf zur Einmischung in eigener Sache, in: Wir sind das Volk. Aufbruch '89. mdv transparent, Teil 1: Die Bewegung, September/Oktober 1989, Halle 1990, S. 16.
21Siehe Manfred Kossok: Was bleibt von der Revolution und ihrer Theorie? Ein Gedankenspiel in dreizehn Thesen: In: Z - Zeitschrift Marxistische Erneuerung, Frankfurt/M. H. 12/1992, S. 19.
22Siehe Michael Schneider: Die abgetriebene Revolution. Von der Staatsfirma in die DM-Kolonie, Berlin 1990.
23Wolf Biermann: "à la lanterne! à la lanterne!", in: Der Spiegel, Hamburg, H. 39/1992, S. 81-92.
24So der Grundtenor bei Hans Joas, Martin Kohli: Der Zusammenbruch der DDR: Fragen und Thesen, in: dies. (Hrsg.): Der Zusammenbruch der DDR. Soziologische Analysen, Frankfurt/M. 1993, S. 7-28.
25Siehe einen solchen Ansatz bei Christiane Lemke: Die Ursachen des Umbruchs 1989. Politische Sozialisation in der ehemaligen DDR, Opladen 1991.
26Gert-Joachim Glaeßner: Der schwierige Weg zur Demokratie. Vom Ende der DDR zur deutschen Einheit, Opladen 1992, 2., durchges. Aufl., S. 22.
27Siehe Jürgen Habermas: Nachholende Revolution und linker Revisionsbedarf. Was heißt Sozialismus heute? In: ders.: Die Moderne - ein unvollendetes Projekt. Philosophisch-politische Aufsätze 1977-1990, Leipzig 1990, S. 213-241.
28Siehe z.B. Michael Brie: Die Erarbeitung einer Konzeption des modernen Sozialismus. Thesen in der Diskussion, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, H. 3/1990, S. 218-229; Hans-Peter Krüger: Zur Differenz zwischen kapitalistischer und moderner Gesellschaft, in: Ebenda, S. 202-217.
29Siehe Wolfgang Dümcke, Fritz Vilmar (Hrsg.): Kolonialisierung der DDR. Kritische Analysen und Alternativen des Einigungsprozesses, Münster 1996, 3. Aufl.
30Zum Revolutionsverständnis siehe Manfred Kossok: Revolutionen der Weltgeschichte. Von den Hussiten bis zur Pariser Commune, Stuttgart 1989.
31Wladimir Iljitsch Lenin: der "linke Radikalismus", die Kinderkrankheit im Kommunismus, in: ders.: Werke, Bd. 31, Berlin 1965, S. 71.
32Karl Marx: das Elend der Philosophie, in: ders./Friedrich Engels: Werke, Berlin 1957, Bd. 4, S. 182.
33Kurt Lenk: Stichwort "Revolution", in: Wolfgang W. Mickel (Hrsg.): Handlexikon zur Politikwissenschaft, München 1986, S. 443.
34Siehe Harald Bluhm: Revolution - eine begriffliche und ideengeschichtliche Skizze, in: Berliner Debatte Initial, H. 5/1998, S. 3-13.
35Manfred Kossok: Was bleibt von der Revolution und ihrer Theorie? a.a.O., S. 13.
36Siehe Jürgen Kuczynski: "Konservative Revolutionen", in: Neues Deutschland, vom 8. November 1989, S. 4.
37Siehe André Hahn: Der Runde Tisch. Das Volk und die Macht - Politische Kultur im letzten Jahr der DDR, Berlin 1998.
38Siehe Eric Hobsbawm: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, München-Wien 1995, S. 603.
39So Timothy Gorton Ash: Rückblick auf die Entspannung, in: Aus Politik, H. B 14/94, S. 7.
40Diese gab es eher in Rumänien.
41Bärbel Bohley: An den Widerständen in diesem Lande bin ICH geworden, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, H. 5/1990, S. 543.
42Reich, Jens: Der schwarze Riese siegt. 18. März 1990: Die erste und die letzte freie Volkskammerwahl der DDR, in: Die Zeit, H. 12/1995, S. 8.
43Helmut Kohl: "... die Geburtsstunde des freien und einigen Deutschland". Die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion [Erklärung vom 18. Mai 1990 anläßlich der Unterzeichnung des Vertrags über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik im Palais Schaumburg in Bonn], in: ders.: Bilanzen und Perspektiven. Regierungspolitik 1989-1991, Bd. 1, Bonn 1992, S. 511.
44Siehe Dieter Klein: Doppelte Modernisierung im Osten. Illusion oder Option der Geschichte, in: Michael Brie, Dieter Klein (Hrsg.): Umbruch zur Moderne. Kritische Beiträge, Hamburg 1991, S. 9-34.
45Siehe z.B. Andrea Boltho, Wendy Carlin, Pasquale Scaramozzino: Will East Germany Become a New Mezzogiorno? Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Berlin 1995, H. FS I 95-307; Jörg Roesler: Zwischen High-Tech und Mezzogiorno. Ostdeutschlands ungewisse Zukunft, in: Utopie kreativ, H. 83 (1997), S. 34-41; Wolfgang Zank: Noch ein Mezzogiorno? Neue Bundesländer: Ökonomen sind über die Zukunftsaussichten uneinig, in: Die Zeit, Hamburg, H. 46/1993, S. 31.
46Siehe zum Gesamtproblem Rudolf Hickel, Jan Priewe: Nach dem Fehlstart. Ökonomische Perspektiven der deutschen Einigung, Frankfurt/M. 1994.
47Siehe z.B. Jörg Roesler: Ideologie und Pragmatismus in Transformationsperioden der ostdeutschen Wirtschaft. Ein Vergleich am Beispiel von Eigentumsordnung und Wirtschaftsverfassung, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, H. 1/1993, S. 72-79; ders.: Wirtschaftliche Transformationsprozesse in der Ex-DDR und ihren östlichen Nachbarländern im Vergleich, Pankower Vorträge, H. 4, 1995; ders.: Der Anschluß als historisches Ereignis in der Weltgeschichte: Praktiken, Probleme, Folgen, in: Utopie kreativ, H. 94 (1998), S. 51-57.
48Siehe z.B. Klaus Steinitz (Hrsg.): Vereinigungsbilanz. Fünf Jahre deutsche Einheit, Hamburg 1995; ders.: Die Wirtschaft in den neuen Ländern nach der Wende (1989/90-1998), in: Ludwig Elm, Dietmar Keller, Reinhard Mocek (Hrsg.): Ansichten zur Geschichte der DDR, Bd. XI, Eggersdorf 1998, S. 201-250.
49Siehe z.B. Hans-Ulrich Derlien: Elitezirkulation in Ostdeutschland 1989-1995, in: Aus Politik, H. B 5/98, S. 3-17.
50Siehe einen dazu konträren Ansatz bei Stefan Bollinger, Fritz Vilmar: Eine kritische Würdigung sozio-kultureller Errungenschaften der DDR. Projektaufruf zur Mitarbeit, in: Utopie kreativ, H. 84 (1997), S. 68; dies.: Im verflixten siebenten Jahr. Ost-West-Wissenschaftlerteam will Leistungen des ostdeutschen Staates wieder ins Bewußtsein rücken, in: Neues Deutschland vom 13.10.1997.
51Siehe Hans Luft: Agrargenossenschaften gestern, heute und morgen. Zur Geschichte der Landwirtschaft der DDR und ihre Perspektiven im vereinten Deutschland, hefte zur ddr-geschichte H. 50, Berlin 1998.
52Immer noch gültig: Alexander King, Bertrand Schneider: Die Globale Revolution. Ein Bericht des Rates des Club of Rome, Spiegel-Spezial, Hamburg, H. 2/1991.