Publication Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Staat / Demokratie Der Entwurf des Terrorismusbekämpfungsgesetzes der Bundesregierung

Text der Woche 46/2001. von Steffen Zillich

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Steffen Zillich,

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November 2001

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Text der Woche 46/2001Am 15.11. wird dieser Gesetzentwurf der Rot-Grünen Regierung in den Bundestag eingebracht. Er soll noch in diesem Jahr im Schweinsgalopp verabschiedet werden. Versprochen wird das Ergreifen von Maßnahmen zur entschlossenen Bekämpfung des Terrorismus im rechtsstaatlichen Gewand und mit der bürgerrechtlichen Handschrift der Grünen. Was der Gesetzentwurf tatsächlich vorsieht, soll hier ausschnittsweise dargestellt werden.

Erweiterung der Geheimdienstbefugnisse:

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (teilweise gilt dies auch für Bundesnachrichtendienst und Militärischen Abschirmdienst) soll nach dem Gesetzentwurf zukünftig - ohne beispielsweise eine richterliche Anordnung - Daten bei Finanzdienstleistungsunternehmen (also Banken, Fondsanbietern, Lebensversicherungen usw.) Auskünfte zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten, zu weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen erheben dürfen. Ebenso sollen "bei Personen oder Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen, sowie bei denjenigen , die an der Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, Postfächern und sonstigen Umständen des Postverkehrs" eingeholt werden dürfen. Ähnliches gilt für Luftfahrtunternehmen. Von Telekommunikationsdienstleistern sollen Telekommunikations- und Teledienstverbindungsdaten erhoben werden können. Als solche gelten u.a. Berechtigungskennungen, Karten-Nummern, Standortkennung sowie Rufnummer oder Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses, Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und Uhrzeit, vom Kunden in Anspruch genommene Kommunikationsdienstleistungen (was immer das sein mag). Außerdem darf der Verfassungsschutz zukünftig sogenannte IMSI-Catcher zur Überwachung des Mobilfunkverkehrs einsetzen.

Jeder ist Verdächtig

Hierdurch wird potentiell jeder zum geheimdienstlichen Beobachtungsobjekt, da auch die Daten unbeteiligter Dritter übermittelt werden sollen. Jede oder jeder muss diese Überwachung in Bereichen fürchten, für die die Rechtsordnung normalerweise einen besonderen Schutz vorsieht : Im Bereich des Bankgeheimnisses, des Steuergeheimnisses, des Postgeheimnisses und des Fernmeldegeheimnisses.

Trennungsgebot wird weiter ausgehöhlt

Darüber hinaus höhlt diese Kompetenzerweiterung das Gebot der Trennung von Geheimdiensten und Polizei weiter aus. Dieser - aus den Erfahrungen insbesondere mit dem Reichssicherheitshauptamt und der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) gewonnene - rechtsstaatliche Grundsatz besagt, dass die im Geheimen wirkende, kaum kontrollierbare Tätigkeit der Geheimdienste getrennt sein muss von den polizeilichen Kompetenzen bei der Wahrnahme des staatlichen Gewaltmonopols.

Die Tätigkeit der Polizei auf Grund ihrer Eingriffsbefugnisse muss für die Öffentlichkeit und insbesondere für den Bürger, in dessen Rechte eingegriffen wird, erkennbar und kontrollierbar sein. Deshalb soll gemäß dem Trennungsgebot die Polizei keine geheimdienstlichen Mittel einsetzen dürfen und die Geheimdienste keine exekutiven Befugnisse haben dürfen. Was aber anderes als ein exekutives Befugnis ist die Möglichkeit, zukünftig die Herausgabe von geschützten Informationen (deren unbefugte Weitergabe unter Strafe gestellt ist) auch von privaten Unternehmen fordern zu können. Die Polizei darf nur tätig werden, wenn der Verdacht einer Straftat besteht oder eine konkrete Gefahr abgewendet werden soll. Die Geheimdienste können nun erheblich in die Grundrechte von Menschen eingreifen, ohne dass Anhaltspunkte für eine Straftat oder eine konkrete Gefahr vorliegen.

Darüber hinaus sollen die Befugnisse des Bundeskriminalamtes (BKA) und des Bundesgrenzschutzes erheblich ausgeweitet werden. In die Rasterfahndung sollen nun auch Sozialdaten einbezogen werden. Sicherheitsüberprüfungen sollen erheblich verschärft werden.

Biometrische Daten im Personalausweis

Zukünftig sollen Personalausweise biometrische Daten von Fingern, Händen oder Gesicht in elektronisch verschlüsselter Form enthalten dürfen. Welche Daten konkret wie enthalten sein sollen, ist offen gelassen und muss durch ein weiteres Gesetz geregelt werden.

Gegenwärtig müssen Menschen in Deutschland (wenn sie nicht Asylbewerber sind) eine erkennungsdienstliche Behandlung (Fingerabdrücke nehmen und durch die Polizei fotografieren lassen) nur über sich ergehen lassen, wenn die Polizei einen Tatverdacht hegt. Diese erkennungsdienstliche Behandlung soll nun vorbeugend bei allen durchgeführt werden. Mit dem vorgegebenen Ziel dieser Maßnahme, Fälschungen zu verhindern und die Identität von Ausweisinhaber und demjenigen, der den Ausweis vorzeigt, leichter festzustellen, hat das wenig zu tun. Es bedeutet praktisch einen ungeheuren technischen und finanziellen Aufwand. Die Gefahr besteht darin, dass diese Merkmale in einer zentralen Datei gespeichert werden. Dies im Gesetz offengelassen, ist jedoch der einzig denkbare rationale Zweck der Maßnahme. Dann würde tatsächlich jeder zum Gegenstand polizeilicher Ermittlungen werden. Die erkennungsdienstliche Behandlung würde - wie auch jetzt - zu einer Verdächtigenkartei führen. Nur dass dann eben jeder verdächtig ist.

Darüber hinaus liegt in der Verknüpfung einer zentralen Datei mit biometrischen Daten und den Möglichkeiten der digitalen Videoaufzeichnung ein Überwachungspotential, von der selbst Polizei- und Überwachungsstaaten bislang nur träumen konnten: Jeder Mensch könnte im öffentlichen Raum beispielsweise anhand biometrischer Daten seines Gesichts automatisch identifiziert werden, wenn er von Videokameras auf öffentlichen Plätzen erfasst wird. Es könnte verfolgt werden, was er wann tut, wo er wann hingeht, mit wem er wann spricht.

Sicherheitsrisiko Migranten, Flüchtlinge, Besucher

Sieht man sich den Gesetzentwurf an, so sind Ausländer, Migranten, Flüchtlinge und auch Menschen, die einfach nur zu Besuch hierher herkommen, besonders betroffen. Sie werden pauschal einem Terrorismusverdacht ausgesetzt.

  • So sind biometrische Daten für alle Visa, Aufenthaltsgenehmigungen und Ausweisersatzdokumente vorgesehen. Brüsten sich Grünen damit, durchgesetzt zu haben, dass die Aufnahme biometrischer Daten in deutsche Personalausweise unter dem Vorbehalt eines gesonderten Gesetzes steht, so kann dies für Menschen, die nach dem Gesetz Ausländer sind, durch Verordnung des Bundesinnenministers erfolgen. Damit haben die Grünen augenscheinlich kein so großes Problem. Darüber hinaus haben Ausländer nicht einmal das Recht zu überprüfen, was über sie gespeichert ist, um so z.B. einfache Fehler korrigieren zu können. Darüber hinaus soll die Erfassung von Sprachproben ermöglicht werden.
  • Die Asylbehörden sind nunmehr verpflichtet, Informationen unaufgefordert an den Verfassungsschutz weiterzugeben, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig ist. Dort gibt es keine rechtsstaatliche Sicherung bezüglich der Weitergabe der Informationen an andere Stellen (wie schlimmstenfalls die Geheimdienste der Verfolgerstaaten).
  • Vereine deren Mitglieder oder Leiter überwiegend Ausländer sind, sollen einfacher verboten werden können, so zum Beispiel, wenn sie Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer oder sonstiger Ziele befürworten. Dies würde auf alle Vereine zutreffen, die beispielsweise Befreiungsbewegungen oder auch etwa die UCK unterstützen.
  • Es werden neue zwingende Versagungsgründe für Visa oder Aufenthaltsgenehmigungen eingeführt, die darauf hinaus laufen, dass Menschen die beispielsweise die Beseitigung von diktatorischen Regimes in ihren Heimatländern unterstützen, unter Terrorismusverdacht gestellt werden und ihnen Visum oder Aufenthaltsgenehmigung versagt wird.
  • Gleiches soll regelmäßig zur Ausweisung aus Deutschland führen, ebenso wie die Tatsache, dass ein Ausländer frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht bzw. unvollständige (!) oder falsche Angaben über Kontakte zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des internationalen Terrorismus verdächtig sind.
  • Die Inanspruchname von Rechtsmitteln sollen auf solche Ausweisungen keine aufschiebende Wirkung mehr haben.
  • Daten von Visumantragstellern und auch einladenden Personen können an BND, Verfassungsschutz, MAD, BKA oder LKA übermittelt werden.

Zwischenfazit

Keine der im Gesetzespaket der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen wäre in der Lage gewesen, die Terroranschläge von New York oder Washington zu verhindern. Sie helfen auch nicht bei der Bekämpfung des Terrorismus. Statt dessen finden wir eine Ansammlung dessen vor, was Sicherheitsbehörden und konservative Sicherheitspolitiker schon lange in der Schublade hatten, dessen Durchsetzung bislang jedoch nicht denkbar war.

Bürgerrechte werden erheblich eingeschränkt, Ausgrenzung verstärkt und letztlich ernsthaft die Grundlagen von Demokratie, Rechtstaatlichkeit und offener Gesellschaft bedroht. Es ist wichtig, jede Möglichkeit zu nutzen, über den Inhalt des Terrorismusbekämpfungsgesetzes und die Diskrepanz zwischen propagiertem Zweck und tatsächlichem Regelungsgehalt aufzuklären.

weitere Informationen unter www.saveprivacy.org