Beitrag zu den Thesen der Rosa-Luxemburg-Stiftung für das Seminar „Reform oder Revolution? Gesellschaftliche Konflikte, Konzepte, Akteure, Strategien des Kampfes gegen den Neoliberalismus“, Rio de Janeiro, Juni/Juli 2004
Bei diesen Texten handelt es sich um Arbeitsübersetzungen für den Seminargebrauch. In einer mehrsprachigen Buchpublikation, die weitere Texte umfassen wird und zum nächsten WSF in Porto Alegre vorgelegt wird, werden die Beiträge in ihrer Endfassung publiziert.Wir bitten darum, die Texte bis dahin nicht zu zitieren.
Die Menschheit befindet sich derzeit in einem Moment großer Umbrüche und neuer Definitionen. Der Kapitalismus, der sich heutzutage bereits über den gesamten Erdball erstreckt, existiert in einem Grenzbereich und setzt sein eigenes Überleben aufs Spiel. Ohne Zweifel können sich die inneren Spannungen eines Systems, das den Antagonismus und die Entmachtung fördert, nur in dem Maße weiter vertiefen in dem sich die Ebenen der Konzentration der Macht und des Reichtums und die damit zusammenhängende Unsicherheit über die Erde ausbreitet. Die letzten Jahre des 20. Jahrhunderts waren gekennzeichnet durch tief greifende Änderungen in allen Dimensionen des sozialen Lebens und stellten demzufolge eine neue Phase des Kapitalismus dar: die neoliberale Phase. Während dieses Zeitraumes war der gesamte Planet, trotz seiner bedeutenden regionalen kulturellen und historischen Unterschiede an einen enormen globalen und von den Vereinigten Staaten gesteuerten Reproduktionsmechanismus, ohne Zweifel das Zentrum der Weltmacht, gebunden. Im 21. Jahrhundert scheint sich nach dreissigjähriger neoliberaler Neustrukturierung eine Verschiebung der Organisationsachse angesagt zu haben, die sich von der Produktion und dem Markt, in dem sich die Normen auf ganz „natürliche“ Art und Weise (mit Unterstützung der „unsichtbaren Hand“) in Richtung der ausdrücklich disziplinierenden Instanzen wie dem Militär durchzusetzen schienen. Lässt sich diese Verschiebung rückgängig machen? Ist dies ein Anzeichen für eine neue Phase? Schreiten wir vom Neoliberalismus zum Neofaschismus? Ist dies die einzig mögliche Welt? Ist der Kapitalismus am Ende seiner Geschichte angelangt oder wo befinden sich die befreienden Geschichten? Kann man Bedingungen schaffen, die die Utopie einer Welt möglich machen, in der alle Utopien Platz haben? Einer Welt, in der alle Welten ihren Platz finden? Können wir den Kapitalismus überwinden? Kann man sich menschliche Beziehungen ohne Kapitalismus vorstellen? Kann man sich ein menschliches Zusammenleben ohne Machtbeziehungen vorstellen?