Publication Arbeit / Gewerkschaften - Globalisierung - Europa - Kämpfe um Arbeit «The Playstation Guys»

Arbeitskampf 4.0: Automatisierung, Privatisierung und Prekarisierung in europäischen Häfen

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Published

December 2017

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Die Webdokumentation «Auf umgekehrten Güterwegen» basiert auf den Erkundungen und Ergebnissen der gleichnamigen Vernetzungsreise der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu den drei europäischen Hafenstandorten Berlin, Duisburg und Rotterdam im Juni 2016.

Es sind insbesondere die fortschreitende Digitalisierung, Automatisierung, Privatisierung und Prekarisierung, welche die Hafenwirtschaft und Seeschifffahrt prägen. Sie machen betriebliche und gewerkschaftliche Organisierung zu einer immer größeren Herausforderung. Obwohl es in der bundesdeutschen und internationalen Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren verstärkt zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Arbeitsbedingungen in transnationalen Lieferketten gekommen ist, insbesondere in der Textilindustrie, sind die Arbeitsbedingungen im Transport- und Logistikwesen bislang kaum Thema öffentlicher Debatten gewesen.
 

Kranfahrer kommen ins Büro und sind keine Docker mehr, sondern Büroangestellte. Die haben keinen Kontakt mehr zu den Dockers. Wir nennen sie die ‹Playstation guys›

Koen Keehnen, Docker, Rotterdam

Viele Güterhäfen sind häufig immer noch von romantischen Vorstellungen pulsierender und rebellischer Orte geprägt, an denen Arbeiter*innen, Reisende und Geschäftsleute aus der ganzen Welt aufeinandertreffen. In der Realität sind sie heute jedoch häufig menschenleere Marktplätze der Globalisierung. Die Automatisierung von Arbeitsprozessen hat zur Folge, dass  die meisten Häfen inzwischen mit sehr wenigen Beschäftigten auskommen. So steigt der Druck auf Arbeiter*innen und Gewerkschaften. Die gigantischen Fracht-Terminals, in denen riesige Kräne Stunde um Stunde Container ent- und beladen, stellen genau das Gegenteil der belebten und besungenen Häfen der Vergangenheit dar.

Obwohl sich die meisten europäischen Häfen offiziell immer noch in städtischer oder kommunaler Verwaltung befinden, wird in wachsendem Maß Outsourcing betrieben: Große Teile der Hafenbereiche werden an private Unternehmen vermietet, die wiederum selbst bestimmte Tätigkeiten auslagern. Die bedarfssynchrone («just in time») Produktion und Belieferung bedingt eine stetig wachsende Anzahl von Leiharbeiter*innen, die meist unter äußerst prekären Arbeitsbedingungen beschäftigt werden. Die Mehrheit der Gewerkschaften hat es bislang verpasst, auf diese Trends angemessen zu reagieren; was ein Grund für den niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad in vielen Häfen ist.

Vor allem Binnenhäfen wie etwa Duisburg haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr zu Logistikstandorten entwickelt; wobei nicht mehr allein die Wasserwege im Mittelpunkt stehen, sondern es um eine trimodale Aufstellung geht, also um ein Zusammenspiel der Wasser-, Bahn- und Straßenwege. Gleichzeitig wächst die Marktmacht der großen Reedereien und kleine Häfen geraten unter Druck: Wenige Reedereien betreiben immer größere Schiffe, die allerdings nur noch einige zentrale globale Containerhäfen anlaufen. Mit den Deregulierungen und Privatisierungen von Häfen begünstigte auch die Krisenpolitik der Europäischen Kommission diese Entwicklungen.

In der Webdokumentation wird aber auch sichtbar, dass die Beschäftigten der Hafenwirtschaft und Seeschifffahrt diesen Prozessen nicht hilflos ausgesetzt sind, sondern sowohl auf internationaler als auch auf lokaler Ebene für bessere Arbeitsbedingungen und flächendeckende Tarifverträge kämpfen
 

Kontakt:

Stefanie Kron
Referentin für Internationale Politik und Soziale Bewegungen
stefanie.kron@rosalux.org
 

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