Publication Staat / Demokratie - International / Transnational - Krieg / Frieden - Afrika - Westafrika Mali: Kein Friede, eine verlorene Republik und viele Projekte

Die Militärintervention im westafrikanischen Land konnte die Unsicherheit nicht beenden. Ein vielseitiges Umdenken ist erforderlich.

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Author

Armin Osmanovic,

Published

March 2018

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Bamako, Mali – National Police Academy, Photo: Adam Maiga / UNDP Mali
Bamako, Mali – National Police Academy, CC BY-NC-ND 2.0, Foto: Adam Maiga / UNDP Mali

Im Jahr 2012 brachen in Mali Regierung und Armee zusammen. Statt der bunten Trikolore wehte über vielen Städten des Landes die schwarze Fahne der Dschihadisten. Bevor die islamistischen Kämpfer, die sich mit Tuaregrebellen der MNLA verbündet hatten, die Hauptstadt Bamako einnehmen konnten, intervenierte Frankreich mit Zustimmung von Vereinten Nationen (UN) und Afrikanischer Union (AU) und drängte die Dschihadisten zurück in den Norden.[1] Die MNLA, die sich aus Gaddafis Waffenarsenal bedient hatten, der mithilfe der Nato 2011 gestürzt worden war, und die im Norden Malis ihren eigenen Staat Azawad ausriefen, waren zuvor von den Dschihadisten vertrieben worden.

Fünf Jahre nach dem Beginn der Intervention herrscht in großen Teilen des Landes Unsicherheit.[2]  Anschläge auf Soldaten der malischen Armee, der MINUSMA (United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali) sowie der französischen Militäroperation Barkhane, die Jagd auf Dschihadisten macht, sind an der Tagesordnung. Die Zahl der bewaffneten Milizen in Mali ist sogar gestiegen, weil Frankreichs Armee sie und andere Kriminelle als Verbündete im Kampf gegen die Dschihadistan benutzt.[3] Unsicherheit herrscht vor allem im nördlichen und zentralem Mali. Aber auch in der Hauptstadt Bamako kam es wie in den Nachbarländern Burkina Faso und in der Elfenbeinküste zu Terroranschlägen auf Hotels und Bars. Die Dschihadisten haben es vor allem auf Personen aus dem Westen abgesehen. Sie wollen Frankreich und seine Verbündete immer weiter in den Kampf um den Sahel verwickeln.

Im Jahr 2015 war nach achtmonatiger Verhandlung in der algerischen Hauptstadt Algier ein Abkommen für Frieden und Versöhnung unterzeichnet worden. Die Entwaffnung der Milizen in Mali kommt aber nicht voran. Stattdessen entstehen immer mehr Milizen, weil man nur so Zugang zu den Reintegrationstöpfen aus UN-Geldern erhält. Die UN drohen der Regierung mit Sanktionen sollte der Friedensprozess keine Fortschritte machen.[4] Doch mit den Dschihadisten, von denen einige der Anführer aus Mali stammen, verhandelt die malische Regierung nicht. Einerseits weil Frankreich dies ablehnt, andererseits weil die ehemalige Kolonialmacht über die in der nord-östlichen Region Kidal beheimateten Tuaregs ihre schützende Hand hält und den Zutritt der malischen Armee verhindert. Die malische Regierung, an der Spitze der Präsident Ibrahim Boubacar Kéita, steht unter Druck. Sie muss Fortschritte in der Aussöhnung des Landes liefern, denn im Sommer sind Präsidentschaftswahlen. Manch ein Sicherheitsexperte hält die Intervention in Mali bereits für gescheitert. Der Vergleich mit Afghanistan drängt sich auf, wo die Taliban und der sogenannte Islamische Staat auf dem Vormarsch sind.

„Was geht uns eigentlich der Sahel an?“ fragt ein französischer Sicherheitsmann, der die Entsendung französischer Truppen nach Mali für einen Fehler hält. „Die Terroristen, welche die Anschläge von Paris oder Nizza begingen, kamen nicht aus Mali, sondern aus den Vororten französischer oder belgischer Städte.“ Warum also die Intervention in Mali? Geht es Frankreich in Mali gar nicht direkt um den Kampf gegen die Dschihadisten, sondern um die Ressourcen in Mali, wie nicht wenige Menschen in Bamako und anderswo im Land meinen? Oder geht es Frankreich um das Uran, das im benachbarten Niger vom französischen Konzern Areva für die Atommeiler in Frankreich abgebaut wird?

Verlorene Republik

Um zu verstehen, warum die malische Regierung, wie der frühere Außenminister Tiébile Dramé meint, bei den Friedensverhandlungen in Algier nur Zuschauer war,[5] muss man sich mit der langsam gewachsenen Kluft zwischen Regierung und Staat in den vergangenen Jahrzehnten auseinandersetzen. Diese Kluft hat in den neoliberalen Reformen der 1990er Jahre ihre Ursache. Mali war damals ein Liebling der Weltbank. In der Tat haben die neoliberalen Reformen die Wirtschaft neu belebt. Nach der Stagnation der 1970er und 1980er Jahre wuchs das arme Land zwischen Mitte der 1990er Jahre bis 2008 kräftig. Das BIP pro Kopf wuchs von ca. 500 auf über 700 US-Dollar an.