Publication Afrika - Ostafrika - Geschichte - 1968 1968 und deutscher Kolonialismus — war da was?

Der Sturz des Wissmann-Denkmals in Hamburg.

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Author

Andreas Bohne,

Published

June 2018

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Wissmann-Denkmal im Hamburger Hafen
Statue als «Nachdenkmal-Raum»: Das Ende September 2004 auf der Überseebrücke am Hamburger Hafen aufgestellte Wissmann-Denkmal Foto und Plastik: Jokinen

Mit dem Ende des ersten Weltkrieges 1918 und dem Versailler Friedensvertrag 1919 schied Deutschland aus den Reihen der aktiven Kolonialmächte aus. Kolonialrevanchismus, getragen von einer politischen Minderheit einflussreicher Verbände, Vereine und Einzelpersonen, wurde gesellschaftlicher Konsens. Monumente und Kolonialdenkmäler, oftmals während, aber auch nach der Kolonialzeit errichtet, symbolisierten die vermeintlich glorreiche Vergangenheit und Gegenwart. Personen, oder dem zeitgenössischen Topoi entsprechend «koloniale Helden» oder «große Afrikaner», dienten als Referenz des Machtanspruches, als Spiegel der Verklärung und als Sinnbild von kämpferischer Männlichkeit. Der frühere Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, Heinrich von Wissmann (1853-1905), galt als «Deutschlands größter Afrikaner».

1909 wurde eine Statue Wissmanns in Dar es Salaam feierlich eingeweiht. Es zeigt ein Standbild Wissmanns, gekleidet in Gouverneursuniform und Tropenhelm. In der Rechten, die in die Hüfte gestützt ist, hält Wissmann ein Fernglas. Mit der linken Hand umgreift er den Knauf eines Säbels. Wissmann misst 2,60 und steht auf einem Sockel, während der afrikanische Soldat («Askari»), loyal und treu zu seinen Füßen neben dem Sockel steht, zu ihm heraufsieht und eine deutsche Flagge über einen erlegten Löwen senkt. Die Statue visualisiert die sich selbst zugesprochene Überlegenheit. Nach dem Verlust der Kolonie «Deutsch-Ostafrika» fand sie 1922 ihren Platz in der Universität Hamburg. Während des zweiten Weltkrieges von einer Fliegerbombe getroffen, kehrte sie 1949 zurück.

Wir haben keinen Anlass, die Tradition deutscher Ausradierer im Universitätsgarten zu pflegen.

Erste Auseinandersetzungen, Wissmann zu stürzen, war aber nicht erst 1967 ein Thema. Der Hamburger Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) gab in den Jahren 1961 und 1962 fünf Faltblätter unter dem Titel «aspekte» heraus. Gedacht als Agitationsschrift für StudentInnen stand auf Ausgabe Nummer 3 (Juli 1961) «Wen ehrt die Hamburger Universität?». Die grausame und problematische Rolle sowohl von Wissmann als auch einem weiteren Kolonialisten, Hans Dominik, während der Kolonialherrschaft wurde benannt. Wichtig wurde erachtet, dass die Denkmäler einen Affront gegen afrikanische StudentInnen darstellen, kennen diese im Gegensatz zu den Deutschen, deren Rolle ganz genau. In der Zeitung heißt es:

«Aber auch wir deutschen Studenten müssen uns dagegen wenden, daß unsere Universität noch länger Männer ehrt, die mit Methoden gegen Afrikaner gewütet haben, wie sie später von den Nazis gegen unsere Nachbarn und gegen unser eigenes Volk angewandt wurden. Ob es sich um Dörfer in Afrika oder um Oradour und Lidice handelt: Wir haben keinen Anlaß, die Tradition deutscher Ausradierer im Universitätsgarten zu pflegen. Wir glauben nicht, daß es bei den zuständigen Stellen der Universität und des Senats einen Menschen gibt, der bewußt für eine weitere Ehrung dieser Konquistadoren eintritt. Wir glauben vielmehr, daß man sich zu sehr an den Anblick dieser Standbilder gewöhnt hat, um noch nach ihrer Bedeutung zu fragen. Um den Kolonialisten doch noch die Rückkehr nach Afrika in zeitgemäßer Form zu ermöglichen, schlagen wir vor, ihren Materialwert der Aktion ‹Brot für die Welt› zur Verfügung zu stellen».[1]