Publication Westasien - Libanon / Syrien / Irak - Wohnen - Westasien im Fokus Kampf um öffentlichen Raum in Beirut

Immobilien-Spekulationen im Libanon zwingen Mieter*innen aus ihren Häusern und vertreiben Fischer vom Hafen

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Author

Julia Neumann,

Published

July 2018

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Jachten im Hafen von Beirut CC BY-NC-ND 2.0, hectorlo

Beirut überlässt die Stadtplanung privaten Akteur*innen – die neoliberale Baupolitik lockt profitgierige Investor*innen. Mietpreise steigen, öffentliche Grünplätze schrumpfen, Hotels wachsen auf Stränden. Aktivist*innen kämpfen deshalb für ihr Recht auf die Stadt: Öffentliche Grünflächen, bezahlbarer Wohnraum und Zugang zum Meer.

Wenn der Fischer Ahmad Fawaz mit seinem Boot herausfährt, stellt sich ihm ein Block an Betonklötzen in den Weg, der aus dem Mittelmeer ragt. Geschickt lenkt der kleine Mann das Boot um die Hürde, dann gibt er Gas, Wasser schleudert vom Heck des Holzbootes. Fawaz streckt seinen Arm aus und deutet auf die Küste. Dort liegen Bretter, Plastikflaschen und Schutt aufgetürmt zu einem Haufen. «Dort waren einst Restaurants, Cafés und Fischerhäuser», erzählt er. «Viele Menschen sind hergekommen um Wasserpfeife zu rauchen, Kaffee zu trinken, es gab Cafés. Doch jetzt ist alles dem Erdboden gleich gemacht.»

Fawaz Lachen ist vereinnahmend, es täuscht über seine Wut hinweg. Seit 20 Jahren ist er Fischer, von der Hafenbucht aus hat er Sicht auf die Taubenfelsen – zwei große Felsen, die das Wahrzeichen der libanesischen Hauptstadt sind. Einst lockte die Attraktion die Besucher*innen an die steinige Naturküste, genannt Dalieh. «Früher haben die Leute eine Bootstour auf dem Meer gemacht, Fisch von uns gekauft. Jetzt kommen nur noch wenige, fast keiner mehr», sagt Fawaz. Private Investoren haben im Sommer 2014 einen 377 Meter langen Zaun gebaut, der den Zugang versperrt. Nur durch eine provisorische Zaunlücke ist der steinige Weg zum Ufer noch zu finden.

Betonklötze und Maschendrahtzaun, zerstörte Cafés und Fischerhäuser. Die Naturküste, an der junge Männer auf Steinen klettern und die Kurden alljährlich das Neujahrsfest feiern, ist bedroht. «Die Stadtverwaltung versprach uns, den Platz zu verschönern. Doch mit der Zeit fanden wir heraus, dass immer mehr Land zu Ministerpräsident Hariris Eigentum wurde und er es aufkauft. 2014 kamen sie dann – wir dachten, jetzt bekommen wir einen schönen Strand, sie würden Strandkabinen bauen und alles herrichten. Doch sie haben alles zerstört.» Statt der Kioske und Fischerhäusern sind nun dreikantige Betonklötze in Reihen aufgestapelt.