Publication Parteien / Wahlanalysen - Südostasien The Winner Takes It All

Harald Bach über die Fake-Wahlen in Kambodscha

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Harald Bach,

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August 2018

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Premierminister Hun Sen (r.) 2015 bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem prominenten Oppositionspolitiker Sam Rainsy, der inzwischen im Pariser Exil lebt. Rainsy bezeichnete den Sieg der CCP als «sinnlos, weil er nichts zur Lösung der politischen Krise beiträgt, in die Kambodscha als Folge der totalitären Richtung des Regimes geraten ist». Nov Povleakhena/VOA Khmer

Kambodscha hat gewählt. Die regierende CPP von Premierminister Hun Sen hat bei den Wahlen am 29. Juli 2018 nach eigenen Angaben 125 Sitze in der Nationalversammlung gewonnen. Also alle! Ernstzunehmende Gegner gab es nicht. Die «Partei zur nationalen Rettung Kambodschas» (CNRP) als einzige glaubwürdige Alternative zur CPP war verboten. Keiner der anderen 19 Miniparteien, von denen viele als Proxy der CPP galten, konnte auch nur einen einzigen Sitz ergattern. Die Beteiligung lag offiziell bei 82 Prozent und damit um zwölf Prozent höher als 2013. Andererseits aber war die Wahlbeteiligung acht Prozent niedriger als bei der Kommunalwahl vor einem Jahr, bei der 90 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben.

Die EU und die USA hatten ihre Unterstützung der Parlamentswahl aus Protest gegen die Unterdrückung der Opposition eingestellt. China hingegen lieferte Wahlurnen, Computer und Wahlbeobachter. Das US-Repräsentantenhaus beschloss kurz vor der Wahl parteiübergreifend Sanktionen gegen Premierminister Hun Sen, seine Familie, die Elite der Armee und hochrangige Politiker der CPP. Die EU sprach der Wahl in Kambodscha die Glaubwürdigkeit ab. Die Abstimmung vom 29. Juli sei «nicht repräsentativ für den demokratischen Willen der kambodschanischen Wählerschaft», ließ die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verkünden.

Willkommen im 1-Parteien-Staat

Die CPP bejubelt die im Vergleich zu 2013 höhere Wahlbeteiligung als Beweis einer funktionierenden Mehrparteiendemokratie. Der im Pariser Exil lebende prominente Exilpolitiker Sam Rainsy hingegen nannte auf Twitter den Sieg der CPP «sinnlos», weil er «nichts zur Lösung der politischen Krise beiträgt, in die Kambodscha in den letzten zwölf Monten als Folge der totalitären Richtung des Regimes « geraten sei.

«Willkommen im 1-Parteien-Staat», sagt Vannath traurig. «Wie dreist ist diese Wahlfälschung denn? Unfassbar. Ich hätte schon erwartet dass sie den anderen Parteien ein paar mehr Sitze zugestehen.» Vannath ist nicht der richtige Name des 32-jährigen Mannes. Im Kambodscha von Premierminister Hun Sen ist es nicht ratsam, sich in Medien kritisch zu politischen Themen zu äußern. Erst recht nicht, wenn man, wie Vannath, für eine Nichtregierungsorganisation (NGO) arbeitet, die sich für die Rechte der Armen und Bauern einsetzt.

Rany Sokha reckt ihren blaugefärbten Zeigefinger hoch. Das heißt, sie hat gewählt. Zumindest ist sie in die Wahlkabine gegangen. «Ich habe den Wahlzettel durchkreuzt und damit ungültig gemacht», sagt die Buchhalterin stolz, die ihren richtigen Namen nicht öffentlich sehen will. Jeder Wähler musste nach der Stimmabgabe einen Finger blau färben lassen. Was als Sicherheitsmaßnahme zur Vermeidung von Mehrfachstimmabgaben gedacht war, wurde von der CPP in ein Kontrollinstrument verkehrt. Die Farbe hält gut eine Woche. Kambodschaner mit sauberem Finger mussten als mutmaßliche Wahlboykotteure Repressionen fürchten. In Battambang, einer Hochburg der verbotenen Opposition, wurden kurz vor der Wahl fünf CNRP-Funktionäre wegen des Aufrufs zum Wahlboykott zu je 2500,00 US-Dollar, der offiziellen inoffiziellen Zweitwährung Kambodschas, verurteilt.

Kein Wunder also, dass der Kampagne «Clean Finger» – «Saubere Finger» der verbotenen Opposition kein durchschlagender Erfolg beschieden war. Offenbar saß die Angst der meisten Wähler zu tief, um einen Boykott der Wahl zu wagen. Nach offiziellen Angaben der staatlichen Wahlkommission waren etwas über neun Prozent der Stimmzettel ungültig. Immerhin sei damit die «Null und Nichtig Partei» nach der CPP zweitstärkste Kraft geworden, ätzt Sam Rainsy in einem Tweet aus Paris. Zum Vergleich: 2013 waren nur 1,6 Prozent der Stimmzettel ungültig.

Rany Sokha ist entsetzt über das Wahlergebnis. «Wir wussten alle, dass die CPP die Wahl manipuliert und die Gewinnerin sein wird. Aber sie hätte für die demokratische Fassade anderen Parteien 25 oder 30 Prozent überlassen können. Dass sie da nicht getan hat, wie weit sich Hun Sen und seiner Clique vom Volk und der Realität entfernt haben.»

Hinter den Kulissen arbeiteten die Strategen der CPP längst an der totalen Machtergreifung.

Rückblende. Bei der Wahl 2013 herrschte Volksfeststimmung. Der damalige Oppositionschef Sam Rainsy konnte nach seiner Begnadigung durch den König aus dem Exil nach Kambodscha zurückkehren. Wahlkampfveranstaltungen der Opposition hatten regen Zulauf. «Change» lag in der Luft und fast wäre der Machtwechsel gelungen. Nur mit Mühe, manche sagen nur wegen Wahlfälschung, konnten sich Hun Sen und die CPP an der Macht halten.

Im ersten Schock über die tiefgelbe Karte griff Hun Sen zu seiner altbewährten Umarmungstaktik. Ein paar Forderungen der CNRP nach Reformen wurden erfüllt, mit Sam Rainsy medienwirksam ein Burgfrieden geschlossen. Hinter den Kulissen aber arbeiteten die Strategen der CPP längst an der totalen Machtergreifung. Zwei weitere Ereignisse führten dann letztendlich dazu, dass Hun Sen, wie es die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ausdrückt, der «Demokratie den Todesstoß» versetzte.

2016 veröffentlichte Global Witness einen ausführlichen Bericht über die umfangreichen Unternehmensbeteiligungen der Hun-Sen-Sippe und warf der Herrscherfamilie hemmungslose Bereicherung vor. Am 9. Juli 2016 sprach der 46 Jahre Regimekritiker und Demokratieaktivist Kem Ley in einem Radio Interview ausführlich über den Report und kündigte weitere Sendungen über Korruption und Vetternwirtschaft des Hun-Sen-Clans an. Einen Tag später war Kem Ley tot, mitten am Tag erschossen vor dem Café einer Tankstelle im Zentrum von Phnom Penh, wo er jeden Tag einen Kaffee trank.

Wie groß die Anhängerschar, die Trauer und die Wut über den Mord an dem charismatischen Kem Ley war, wurde bei der Überführung seines Leichnams in einem von der Flagge Kambodschas bedeckten Sarg von Phnom Penh zum Wat (Tempel) Chas in Chroy Changva in der Provinz Takeo sichtbar: zwei Millionen Menschen gaben dem Volkshelden das letzte Geleit - obwohl die Regierung durch die Schließung von Tankstellen und andere Mätzchen genau das verhindern wollte. Hun Sen hatte schon vor dem Mord an Kem Ley die Parole ausgegeben, jede Kritik an seinem Regime als «Akt der Rebellion» zu betrachten.

Die demokratische «Rebellion» setzte sich im Juli 2017 fort. Bei der Kommunalwahl konnte die CNRP die von ihr regierten Gemeinden von 40 auf fast 500 steigern. Das war ein Schlag ins Kontor der CPP, für die die Macht in den Kommunen die totale Kontrolle über die Gesellschaft und damit die Macht in Phnom Penh bedeutet.

Mit dem CRNP-Erfolg war endgültig Schluss mit Lustig. Die Partei wurde von einem Gericht aufgelöst, ihr Vorsitzender Kem Sokha wegen Hochverrats ins Gefängnis gesteckt, der Rest der Führungsriege der CNRP ins Exil getrieben. Kritische Medien wie die Cambodia Daily wurden verboten, Regierungskritiker, Menschenrechtler, Journalisten und Umweltaktivisten drangsaliert, verhaftet, vor Gericht gestellt. Sämtliche Kommunalmandate wurden der CPP zugeschlagen und die CNRP-Sitze in der Nationalversammlung willkürlich ein paar bedeutungslosen Parteien überlassen, die bei der Wahl 2013 keine Schnitte gemacht hatten.

Durch harsche Gesetze und unverhohlene Gewaltdrohungen sorgt Hun Sen für Friedhofsruhe. Von Wahlkampf war in Phnom Penhs so gut wie nichts zu merken. Weitgehende Fehlanzeige herrschte bei Wahlplakaten und Wahlkampfveranstaltungen. Lediglich die CPP und von ihren Gnaden ein paar der Miniparteien sorgten am Ende des Wahlkampfs mit Massenveranstaltungen in der Hauptstadt für ein wenig fotogenen Polittrubel.

Auf der CPP-Abschlusskundgebung am Freitag vor der Wahl pries Hun Sen «erfolgreiche Eliminierung der Verräter» der Opposition und tönte: «Wenn wir sie nicht mit eiserner Faust ausgemerzt hätten, wäre Kambodscha heute möglicherweise in einer Kriegssituation.» Dann wurde zur Eliminierung der letzten Kritiker die 15 letzten verbliebenen, halbwegs unabhängigen Nachrichtenseiten über das Wahlwochenende der Internetsaft abgedreht.

Mit Zuckerbrot und Peitsche trieben die Machthaber in Phnom Penh die Kambodschaner an die Wahlurne. Als Zuckerbrot erhöhte Hun Sen den Mindestlohn für Textilarbeiterinnen und stellte für 2019 eine Senkung der Strompreise in Aussicht, die bislang zu den weltweit höchsten zählen. Die staatliche Firma Electricite du Cambodge kassiert von Privatkunden umgerechnet bis zu 0,64 Eurocent pro Kilowattstunde. Das ist das Fünffache des Strompreises in Singapur. Die in Kambodschas tief religiöser Gesellschaft einflussreichen buddhistischen Mönche hält Hun Sen mit Spenden und dem Bau neuer Pagoden bei Laune.

Die Peitsche waren die Drohungen mit Gewalt. Ein paar Hundert Tote würde er zur Machtsicherung durchaus in Kauf nehmen, drohte Hun Sen schon voriges Jahr vor der Kommunalwahl. «Kambodschas zunehmend diktatorisch agierende Einparteienherrschaft wird von den Generälen gestützt, die für schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind», so Human Rights Watch in ihrem Report «Hun Sens grausame Generäle».

Man fährt im Bentley zum Friseur und lässt auf den Parkplätzen die Karren von bitterarmen Menschen bewachen.

Man könnte aus zahlreichen Berichten von Global Witness, Transparency International und anderen Daten, Zahlen und Fakten über die kambodschanische Korruption und Vetternwirtschaft zitieren. Man kann aber auch einfach bei einem Spaziergang durch Phnom Penh die Früchte der Korruption live erleben. Kurz vor der Wahl zum Beispiel hat der Autor dieser Zeilen auf der Straße 51 nahe dem buddhistischen Tempel Wat Langka innerhalb von fünf Minuten zwei Bentley, einen Porsche Cayenne S, einen Rolls Royce, diverse BMW 7er Serie und als Höhepunkt einen kanariengelben McLaren P1, der ohne Extras mehr als eine Million Euro kostet, gesehen. Zum Vergleich: das durchschnittlichen Pro-Kopf-Jahreseinkommen lag im vergangenen Jahr bei 1.200,00 US-Dollar.