Publication Parteien / Wahlanalysen - International / Transnational - Amerikas - Brasilien / Paraguay - Autoritarismus Brasilien nach der Wahl Jair Bolsonaros

Ein Land im Rückwärtsgang

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Achim Wahl,

Published

June 2019

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Der Block Boi – Bíblia – Bala

Mit 55 % der Wähler*innenstimmen wurde der ehemalige Hauptmann der brasilianischen Armee, Jair Bolsonaro, als Kandidat der rechtspopulistischen PSL (Partido Social Liberal) am 28. Oktober 2018 zum Präsidenten gewählt. Sein Diskurs war antisystemisch, geprägt von antifeministischen, homophoben, antidemokratischen und rassistischen Aussagen sowie gegen das Establishment gerichtet. Er verherrlicht die Militärdiktatur der Jahre 1964 bis 1985.

Die Wahl brachte den Interessengruppen «Boi» («Ochse», steht für das Agrobusiness) – «Bíblia» («Bibel», für die religiösen Fundamentalist*innen) – «Bala» («Kugel», für Militär/Polizei) die Mehrheit in Abgeordnetenhaus und Senat. Besonders stark erhöhte sich die Zahl der Abgeordneten ehemaliger Militärs. Gemeinsam mit den Abgeordneten der Evangelikalen verfügen sie nun über eine komfortable Mehrheit.

Die PT (Partido dos Trababalhadores), deren Kandidat Fernando Haddad 44% bei o.g. Präsidentenstichwahl Ende Oktober erzielte, hat ihre Wählerschaft im verarmten Norden und Nordosten nicht verloren, dort gewann sie vielmehr vier Gouverneurswahlen. Das zeigt, dass Brasilien sozial und territorial ein gespaltenes Land ist. Eine Einigung im linken Lager auf eine/n gemeinsame/n Kandidat*in wurde nicht erzielt. Die Linke insgesamt erlitt eine empfindliche Niederlage.

Das Kartell aus Medien, Justiz, Polizeiapparat und Staatsanwaltschaft, das eine Operation zur Aufdeckung von Korruptionsfällen («Lava Jato», in etwa «Operation Hochdruckreiniger» in Anspielung an massive Geldwäsche) durchgeführt hatte, ermöglichte das Aufkommen Bolsonaros als Kandidaten extrem rechter Kräfte, denn das dadurch herbeigeführte Chaos hebelte das demokratische System aus. Im Ergebnis der Operation wurden Dutzende Politiker*innen, Abgeordnete, Staatsangestellte, Minister*innen der verschiedensten Parteien, v.a aber Vertreter*innen der PT verurteilt. Schließlich traf es auch den Ex-Präsidenten Lula da Silva, der in außergewöhnlicher Schnelligkeit zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, seit Juni 2018 in Haft ist und somit als Präsidentschaftskandidat ausfiel. Bis zu dem Zeitpunkt hatte er die Umfragen klar angeführt. Aktuell mehren sich Hinweise, dass sich der damals verantwortliche Richter Sergio Moro vor dem Urteilsspruch illegalerweise mit den Staatsanwält*innen abgesprochen hat. Damit hat der heutige Justizminister eine höchst problematische Rolle inne.[1]

All das diente dem Wahlkampf Bolsonaros, der von den Eliten Brasiliens und externen Kräften unterstützt wurde. Dabei half ihm die Durchdringung der brasilianischen Bevölkerung mit Sozialen Medien wie Facebook und WhatsApp. 83% nutzen die kostenlose App WhatsApp, während der Zugang zum Internet allein durch die Kosten einem relevanten Teil der Bevölkerung verwehrt ist. Somit konnten gezielt fake news zu Bolsonaros Gunsten effizient und erfolgreich verbreitet werden, während das Überprüfen der Informationen schwierig bis unmöglich war.

Bolsonaro, seit Jahren ein eher unscheinbares Mitglied des Abgeordnetenhauses, wurde gefördert durch eine Gruppe Militärs, die er nach der Wahl zu Regierungsmitgliedern ernannte: der Minister des Sicherheitskabinetts General Augusto Heleno, sein Assessor General Eduardo Villas-Boas, vordem Oberkommandierender der Armee, der Minister der Präsidialkanzlei General Carlos Alberto Santos Cruz, der Verteidigungsminister Fernando Azevedo e Silva und der gewählte Vizepräsident Hamilton Mourão, General a.D. Bolsonaro versprach diesen Generälen schon 2014, «in Brasilien Ordnung zu schaffen» und mit «kommunistischen Umtrieben» Schluss zu machen.

Der Charakter der Regierung Bolsonaro

Ausgerichtet auf die komplette Ablehnung der PT, aber auch anderer «Systemparteien», ist die antilinks-Orientierung Grundlage der Regierung Bolsonaro. Er ist nicht schlechthin ein «Trump Südamerikas», seine Positionen werden vielmehr geprägt von faschistoiden Zügen. Der Stratege der Wahlkampagne von US Präsident Donald Trump, Steve Bannon, der sich aktiv an der Kampagne Bolsonaros beteiligt hatte, meinte «in einem Teil der Welt, in dem es einen radikalen Sozialismus gibt, in dem Chaos und eine Wirtschaftskrise wie in Venezuela herrschen, wird Bolsonaro den Weg eines `aufgeklärten` Kapitalismus gehen und ein populistischer und nationalistischer Präsident sein.»

Ein Treffen konservativer Vertreter*innen im Dezember 2018 im brasilianischen Foz de Iguazú, das der Sohn Bolsonaros, Eduardo Bolsonaro, organisierte, stellte fest, dass «die Stunde gekommen ist, unsere Ideen zu ordnen, um eine bessere Welt zu schaffen, in der das Individuum im Mittelpunkt steht und nicht das Kollektiv oder der Staat.» Diese Aussage legt nahe, dass es dem brasilianischen Kapital um die uneingeschränkte Ausübung der Macht geht. Eine Politik des Interessenausgleichs zwischen oben und unten, die die vorherigen Regierungen anstrebten, ist vorbei und wird durch Klassenkampf von oben ersetzt.

Zu erwartende Veränderungen

Grundsätzlich sind drei politische Veränderungen zu erwarten:

Erstens: Eine verstärkte Annäherung an die USA und Weiterentwicklung der militärischen Beziehungen zu den USA und Israel, verbunden mit einer verstärkten Tätigkeit militärischer Unternehmen in Brasilien. Die Regierung Temer (2016-2018) gestattete 2017 erstmalig eine US-Beteiligung an einem Manöver im Amazonasgebiet - Operación América Unida. Bolsonaro führt diesen Weg fort: Während seines Vorwahlaufenthaltes in den USA besuchte er vornehmlich militärische Unternehmen. Des Weiteren will er den USA Zugang zur brasilianischen Militär- und Raketenversuchsbasis in Alcântara (Staat Maranhão) gestatten, was die PT-Präsident*innen Lula da Silva und Dilma Rousseff bisher verhindert hatten.

Zweitens wird Bolsonaro unter Regie des Wirtschaftsministers Paulo Guedes, einem gelernten Chicago-Boy, und im Interesse der brasilianischen Eliten zur offen neoliberalen Agenda zurückkehren: Privatisierungen (Energiewirtschaft wie das halbstaatliche Mineralölunternehmen Petrobras), Austeritätspolitk, Deregulierung, Rücknahme sozialer Errungenschaften und Ausrichtung des Wirtschaftsapparates auf Rohstoffexport. Geplant ist der Verkauf von Lizenzen zur Ausbeutung von Ölfeldern der Pre-Salt-Vorkommen an US-Unternehmen. Das bedeutet stärkere Ausbeutung der Naturressourcen, die Zerstörung von Biodiversität und Primarisierung der brasilianischen Ökonomie.

Mit der Arbeitsrechtreform (Abschaffung kollektiver Arbeitsverträge, Outsourcing, Flexibilisierung der Arbeitsnormen), der Reform und Kapitalisierung des Rentensystems und Zerstörung der Gewerkschaften wird eine Offensive des Kapitals eingeleitet, die zu mehr Prekarisierung und Ausbeutung der Arbeitskraft führt.

Bolsonaro erklärte die Agrarreform für beendet, lockerte die Einschränkungen des privaten Waffenbesitzes[2], legte die Tätigkeiten der Behörde für die Markierung indigener Gebiete lahm und will das Amazonasgebiet für das Agrobusiness öffnen. Er kündigte außerdem an, eine Kürzung der Ausgaben für Universitäten und Schulen um 30% vorzunehmen, um die «linken Umtriebe» in diesen Institutionen einzuschränken.

Allerdings formiert sich auch bereits landesweit der Widerstand: eine Million Professor*innen und Studierende protestierten gegen die Kürzungen im Bildungssektor, Gewerkschaften und andere Organisationen führten am 14. Juni einen Generalstreik gegen die geplanten Veränderungen der Arbeitsrechtreform durch, es gab Proteste gegen die geplante Rentenreform, Gegenproteste zu Feiern der Militärdiktatur, indigene Proteste gegen Landraub, etc.

Drittens wird o.g. ehemaliger Korruptionsrichter, inzwischen Justizminister Sergio Moro Kurs auf den Ausbau eines autoritären Staates nehmen, wozu bereits erste Schritte eingeleitet wurden. Mit dem «Antiverbrechenpaket» werden konstitutionelle Normen ausgesetzt. Das Dekret zum Waffenbesitz eröffnet Wege zur Willkür und Militarisierung der Gesellschaft.

Ausgewählter Gegner der Regierung Bolsonaros ist u.a. die politische und soziale Linke. Überrascht von der Wahl Bolsonaros zum Präsidenten, ringt sie gegenwärtig um die Herstellung ihrer Einheit. Zu erwarten ist eine verschärfte Repression gegen linke Kräfte. Die Schaffung einer demokratischen und antiautoritären Einheitsfront, ebenso wie die Forderung «Freiheit für Lula», steht auf der Tagesordnung.

Herausforderungen und Probleme für die Bolsonaro-Regierung

Obwohl die Eliten Brasiliens die Regierung Bolsonaro generell unterstützen, kämpfen verschiedene Teile um Einfluss. Bolsonaro hat mit Vorwürfen wegen Geldwäsche und Korruption zu kämpfen, in die einer seiner Söhne und seine Ehefrau verwickelt sind. Vizepräsident Mourão hat, entgegen des Sprechverbotes Bolsonaros, die Transparentmachung der vorgenommenen Transaktionen eingefordert. Einzelne Medien wie der «O Globo» und die «Folha de Sao Paulo» sprechen nun von «Bolsogate» und fordern Aufklärung.

Die Regierungsgeneräle können mit der Unterstützung der traditionellen Eliten rechnen, angeführt von Marinho (Chef der Mediengruppe «Rede Globo»), der im Fernsehkanal Globo sein Urteil zu Bolsonaro gesprochen hat: «Es wäre naiv zu glauben, dass Bolsonaro sich als Präsident aufführen und die Regierungsverantwortung übernehmen kann», womit deutlich wird, dass diese Kräfte die führende Position in der Regierung einnehmen wollen.[3]

Problematisch ist aber auch die wirtschaftliche Situation des Landes, die einzelne Fraktionen der Bourgeoisie negativ beeinträchtigt und Ungleichgewichte zwischen der internen und der mit dem Auslandskapital verbundenen Bourgeoisie hervorbringt. Unklar ist, ob der Wirtschaftsminister Guedes in der Lage ist, diese Interessenunterschiede auszugleichen. Die Krise des Vorjahres ist nicht überwunden, während der die Wirtschaft um 7% rückläufig war. Mit einem Wachstum von 0,1% im ersten Quartal 2019 steht die brasilianische Wirtschaft vor einer Rezension.

Die Armutsrate stieg von 25,7% (d.h. 52 Mio. Menschen) 2016 auf 26,5% (54,8 Mio. Menschen). Die Ungleichheit der Lohnzahlungen zwischen Mann und Frau, Schwarz und Weiß verstärkte sich, die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen liegt bei 22,6%. Zu verzeichnen ist außerdem eine weitere Zunahme der informellen Arbeit.

Wesentlich sind gegenwärtig die Auseinandersetzungen des fundamentalistisch-religiösen Flügels der Bolsonaro-Regierung, den Anhänger*innen des Guru Olafo de Carvalhos[4], mit den hohen in der Regierung tätigen Militärs. Fast täglich attackieren diese aus den verschiedensten Anlässen die Generäle. Der Guru de Carvalho hat direkte Verbindungen zum Präsidenten Bolsonaro und unterhält nach Angaben brasilianischer Medien enge Kontakte zu ultrarechten Kreisen in den USA (bspw. zu Bannon). Ihr Ziel ist eine enge Anlehnung an die Trump-Administration. Dagegen stehen die Militärs, die ihr politisches Modell verfolgen, das Brasilien mehr Unabhängigkeit garantiert und eine zu starke Unterordnung unter US-Vorherrschaft kritisch sieht. Konkrete Beispiele sind u.a. die Ablehnung der US-Beteiligung an der Basis Alcântara.

Die Position Brasiliens in Lateinamerika und der Welt

Die Agenda der fundamentalistisch-religiösen Kräfte ist demnach durch diese widerstreitende Interessen geprägt: Einerseits USA-Nähe und andererseits der Ruf nach einem starkem brasilianischen Staat. Was sie gemein haben, ist die antilinke Haltung sowie die Atomisierung der internationalen Beziehungen. «Im Geist Jesus Christus muss der Kampf gegen den Globalismus, dessen einziges Ziel darin besteht, Mensch und Gott zu entfremden, geführt werden». Bolsonaro wird einen Bruch mit der traditionell auf Ausgleich ausgerichteten Außenpolitik Brasiliens einleiten und sie «von ideologischen Grundzügen» befreien. Dabei bezieht er sich vornehmlich auf China («gegen das maoistische China, das die Welt beherrschen will»), Kuba, Venezuela und die arabischen Staaten, die er als «terroristische Gefahr» betrachtet. Besonders deutlich wurde er während seines Aufenthaltes in Davos. Dort erklärte Bolonaro: «Wir wollen kein bolivarisches Lateinamerika wie vorher in Brasilien und in anderen Ländern. Ich sorge dafür, dass die Linke in Lateinamerika nicht dominieren wird.»

Mit seiner Absicht, die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, will er Signale in Richtung Israel senden, da «die neue Regierung völlig neue Beziehungen zu Israel entwickeln wird.»

Mit der Ernennung von Ernesto Araújos zum Außenminister bekräftigt Bolsonaro seine Absichten. Der Karrierediplomat war bisher dort Leiter der Abteilung USA, Kanada und Interamerikanische Beziehungen. In Araújos Blog «Metapolítica» wird dessen fundamentalistische religiöse Position deutlich: «Der Globalismus ist ein ökonomisches Projekt, das vom kulturellen Marxismus getragen wird. Es ist ein antihumanes und antichristliches System. Der Geist Christus bedeutet heute, gegen den Globalismus zu kämpfen, dessen eigentliches Ziel darin besteht, die Verbindung des Menschen zum Gott zu zerstören. Es will den Menschen zum Sklaven und Gott irrelevant machen. Das metapolitische Projekt heißt, sich in der Politik und der Geschichte gegenüber der Anwesenheit Gottes zu öffnen.»

Vertreter*innen dieser Auffassungen sehen in Trump und Bolsonaro die «Retter der westlichen Zivilisation», die charakterisiert wird durch Werte wie Familie und Gott. Sie sind es, die die westliche Welt vor dem Verfall retten wollen.

Positionen zu Lateinamerika:

Die Bolsonaro-Regierung orientiert sich auf eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen neoliberal/konservativ ausgerichteten Regierungen Lateinamerikas. Die 2011 gegründeten CELAC (Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten), in der Kuba vertreten ist (nicht die USA und Kanada), existiert nur noch formal. Brasilien verließ die UNASUR (Union der Nationen des Südens). Die seit 2011 existierende Alianza del Pacífico (Pazifische Allianz) ging in der Lima-Gruppe auf, aus der sich im März 2019 in Santiago de Chile das «Foro para el Progreso del Sur» (Forum für den Fortschritt des Südens), die PROSUR, formierte, dessen wesentliches Interesse die politische Isolierung Venezuelas ist. Damit haben die konservativ orientierten Kräfte Lateinamerikas die von den Mitte-Linksregierungen geschaffenen Integrationsprojekte zerstört und auf kontinentaler Ebene die eigene konservative Front geschlossen.

Gemeinsam mit Kolumbien, das inzwischen assoziiertes Mitglied der NATO ist, strebt Brasilien in der Lima-Gruppe offensiv danach, Venezuela politisch zu isolieren. Nach dem Besuch von John Bolton (Sicherheitsberater von US-Präsident Trump) Ende 2018 erklärte Bolsonaro, dass «Venezuela ein Problem darstellt, für das wir Lösungen suchen müssen. Wir wissen, dass sich dort 80.000 Kubaner aufhalten. Es wird schwer sein, Venezuela aus dieser Situation herauszuholen. Wir werden alle legalen und friedlichen Mittel nutzen, um das Problem zu lösen.»[5]. Außenminister Araújo sprach sich während eines Treffens der Lima-Gruppe sogar für eine militärische Intervention in Venezuela aus. Der Vizepräsident Mourão allerdings widersprach und erklärte, dass sich das brasilianische Militär an einer solchen Aktion nicht beteiligen wird.

Besonders Wirtschaftsminister Guedes positioniert sich gegen den Mercosur (Zollunion zwischen Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay, Venezuelas Mitgliedschaft wurde 2017 suspendiert). Nach Guedes soll der Handelsaustausch als Freihandel realisiert werden, der durch Vereinbarungen im Mercosur nur durch gegenseitige Abstimmung möglich ist.

Beziehungen Brasilien – China

Ein besonderer Schwerpunkt für die Bolonaro - Regierung ist die Präsenz Chinas im Land. Allein 50% der Außenwirtschaftsbeziehungen China–Lateinamerika entfallen auf Brasilien. China hat in den letzten 15 Jahren über 25 Mrd. US-Dollar in Brasilien vorwiegend in die Erdöl- und Gasförderung investiert. Der Export von Eisenerz nach China betrug im Jahre 2009 56,4% der Gesamtproduktion Brasiliens (in die BRD nur 5%). China ist seit 2009 Brasiliens Handelspartner Nummer Eins. Die chinesischen Investitionen konzentrieren sich auf Bergbauprojekte, Infrastruktur, Telekommunikation, Landkäufe und Energie. Andere chinesische Unternehmen investieren in Finanzgeschäfte, Bildung, Gesundheit, Umwelt und öffentliche Verwaltung. Chinesische Kredite sind zu einer wichtigen Finanzierungsquelle für Brasilien geworden. Das Land ist an der Realisierung zweier Großprojekte (Bau der Eisenbahnverbindung Ferrovia Transcontinental, die den Atlantik mit dem Pazifik verbinden soll und einer Hochspannungsleitung von Altamira (Staat Pará) ins mittlere Brasilien über mehr als 2000 km) beteiligt. Die Sojaexporte machten 2018 ca. 30% des Exports Brasiliens nach China aus, das entspricht 80 Mio. Tonnen. Dementsprechend erklärte der Vizepräsident General Mourão, dass China für Brasilien ein entscheidender strategischer Partner sei, und plant eine Reise nach China, um an der Tagung der bilateralen Kommission Brasilien – China teilzunehmen.

In den USA wird diese Präsens Chinas als Konkurrenz und Gefahr für die eigene nationale Sicherheit angesehen. Den Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit Chinas mit Brasilien, aber auch mit Venezuela, Argentinien, Bolivien und anderen Ländern beantwortet die US-Administration mit dem Ausbau von Militärbasen, verstärktem Waffenexport und gemeinsamen Manövern. Darin zeigt sich, dass mit der Wahl Bolsonaros die Auseinandersetzung USA–China in Brasilien in eine neue Phase eintritt. Bolsonaro selbst hält sein Fähnchen in den Wind: Auf seiner Auslandstour besuchte er Taiwan und kommentierte: «China kann uns mit seinen Kapitalinvestitionen nicht aufkaufen. Die Handelsbeziehungen werden wir aber aufrechterhalten.» China reagierte bisher äußerst pragmatisch.

Mit Bolsonaro hat die Trump-Administration für ihr Ziel, ihre Dominanz in Lateinamerika wiederherzustellen, einen geeigneten Partner gefunden. Damit droht eine neue Welle politischer Destabilisierung und ökonomischer Zerrüttung. Die konservative Offensive der rechten Kräfte in Lateinamerika wird verstärkt. Brasilien, das auf dem Wege war, eine bedeutende internationale Position einzunehmen, wird unter Führung der gegenwärtig dominierenden Kräfte zurückfallen und international an Bedeutung verlieren.


[3] nach «Estado de São Paulo”, 19.2.2019

[4] Philosoph und Journalist, der sich eng mit der US-Rechten verbunden fühlt und als Förderer der Rechten in Brasilien gilt. Der Begriff «Guru» wurde von den Medien erfunden.