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Soziale Bewegungen im Kampf gegen Covid-19

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Verena Glass,

Während der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro alle Bemühungen boykottiert, die Verbreitung des neuen Coronavirus einzudämmen, organisieren sich soziale Bewegungen, um den gefährdetsten Teilen der Bevölkerung beizustehen.

Von Verena Glass und dem Autor*innen-Team der RLS in Brasilien. Übersetzt aus dem Portugiesischen von Laura Burzywoda.

Im Kontext der weltweiten Covid-19-Pandemie hat Brasilien aufgrund des Umgangs der Regierung mit der Gesundheitskrise und insbesondere aufgrund der umstrittenen Vorgehensweise des Präsidenten Jair Bolsonaros traurige Berühmtheit erlangt. Der Präsident streitet die tödliche Wirkung von Covid-19 nicht nur ab, er handelt auch entsprechend. Indem er aktiv an Straßendemonstrationen gegen die Einschränkungen teilnimmt und die ansteigende Zahl der Infektionen und Todesfälle im Land spöttisch kommentiert, ermutigt er die Bevölkerung dazu, Vorgaben der sozialen Isolation zu missachten. So entzieht er den Mitgliedern der eigenen Regierung die Legitimation, was bereits dazu geführt hat, dass innerhalb von zwei Monaten zwei Gesundheitsminister zurückgetreten sind. Neben Bolsonaro haben weitere Angehörige der Regierung Maßnahmen ergriffen, mit denen besonders gefährdete Teile der Bevölkerung dem Ansteckungsrisiko und den wirtschaftlichen Konsequenzen der Pandemie noch stärker ausgesetzt werden.

Seit die lokalen Regierungen die Bewegungsfreiheit eingeschränkt, nicht lebensnotwendige Geschäfte geschlossen und Veranstaltungen verboten haben, schnellt die Zahl der Kündigungen in die Höhe. Tausende von Arbeitnehmer*innen wurden entlassen. Die Antwort der Regierung darauf war, den Arbeitgeber*innen die volle Macht zu übertragen, über Arbeitszeiten und die Urlaubsplanung ihrer Angestellten zu verfügen und Reduzierungen der Arbeitszeiten und des Gehaltes um 25, 50 oder gar 70 Prozent für bis zu drei Monate auszuhandeln, was die Armut von Tausenden Familien weiter verschärfte. Die Gewerkschaften blieben von allen Verhandlungen ausgeschlossen.

Auch die indigene Bevölkerung ist von der Pandemie stark betroffen. Illegale Goldsuchende und Holzfäller*innen dringen systematisch und praktisch ungestraft in indigene Territorien ein. Im ersten Quartal 2020 brach die Abholzung im Amazonas Berichten zufolge alle Rekorde, gemessen wurde ein Anstieg um 51 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal 2019 (Fonseca, Antônio u.a.: Boletim do desmatamento da Amazônia Legal, abril 2020, SAD, 2020). Die Indigenen sind besonders anfällig für die Krankheiten «der Weißen», die in der Vergangenheit bereits tausende Personen töteten und beinahe ganze Gruppen zum Aussterben brachten. Trotzdem erließ die Regierung im April eine Verordnung, die die Besetzung und den Verkauf von nicht anerkannten indigenen Territorien erlaubt. Gleichzeitig kritisierte selbst der Umweltminister die Aufsichtskontrollen in den Konfliktgebieten und schränkte diese weiter ein. Ende Mai verzeichneten bereits 20 Prozent der rund 300 indigenen Bevölkerungsgruppen Infektionen und Todesfälle (Conselho Indigenista Missionário: Povos indigenas o coronavirus).