Publication Soziale Bewegungen / Organisierung - Partizipation / Bürgerrechte - Migration / Flucht - Mexiko / Mittelamerika / Kuba «Nie wieder Ungerechtigkeit»

Migrations- und Fluchtbewegungen von Nicaragua nach Costa Rica seit April 2018

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Adam Álvarez-Calderón,

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June 2020

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Costa Rica, San José, 25.8.2018: Bei einer Demonstration gegen Ausländerfeindlichkeit und für die Unterstützung der Geflüchteten aus Nicaragua halten Menschen Fahnen von Nicaragua und Venezuela hoch.
Costa Rica, San José, 25.8.2018: Bei einer Demonstration gegen Ausländerfeindlichkeit und für die Unterstützung der Geflüchteten aus Nicaragua halten Menschen Fahnen von Nicaragua und Venezuela hoch. Mehrere tausend Nicaraguaner*innen sind 2018 vor der eskalierenden Gewalt und der politischen Verfolgung in ihrer Heimat nach Costa Rica geflohen, um dort Asyl zu beantragen. picture alliance/dpa | Roberto Carlos Sanchez

Im Jahr 2018 beherrschte der Exodus Tausender Zentralamerikaner*innen auf der Flucht vor Gewalt, sozialer Ungleichheit und extremer Armut in die USA die Medien. Zur gleichen Zeit nahm Costa Rica die größte Gruppe von Asylsuchenden in seiner Geschichte auf: Tausende Nicaraguaner*innen, die bei Ausbruch der Bürgerrebellion[1] vom Ortega-Murillo-Regime vertrieben worden waren.

Costa Rica – ein Land der Migration

Mit 51.000 Quadratkilometern und etwas mehr als fünf Millionen Einwohner*innen ist Costa Rica bezogen auf seine Gesamtbevölkerung das Land in Lateinamerika mit dem höchsten Anteil an im Ausland geborenen Menschen. Von den zehn Prozent der Bevölkerung, die aus anderen Ländern kommen, sind circa sieben Prozent nicaraguanischer Herkunft.[2]

Es gab in der Vergangenheit mehrere Phasen und Dynamiken der Einwanderung nach Costa Rica, die sich in Bezug auf die Nationalität der Migrant*innen, die Ursachen und Kontexte unterschieden. So kam es beispielsweise in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem Bau der Eisenbahnstrecke zum Atlantik, dem Bergbau und des Arbeitskräftebedarfs in den Bananenenklaven zu Arbeitsmigration vor allem von Menschen aus Nicaragua.

Adam Álvarez-Calderón ist Sozialanthropologe und lehrt an der Universität von Costa Rica. Gegenwärtig ist er zudem Projektkoordinator für den Bereich humanitäre Maßnahmen des Servicio Jesuita para Migrantes Costa Rica.

Weitere Tausende Nicaraguaner*innen wurden in den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts während des Kampfes der Sandinisten gegen die Somoza-Diktatur vertrieben. Auch die blutigen bewaffneten Konflikte in El Salvador und anderen zentralamerikanischen Ländern trieben Tausende von Menschen ins Exil. Seit Anfang der 2000er Jahre kommen Nicaraguaner*innen auf der Suche nach Arbeit und wirtschaftlichen Möglichkeiten nach Costa Rica. Darüber hinaus sind Tausende von Kolumbianer*innen aufgrund der anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen in ihrem Land dorthin übergesiedelt.

In den letzten fünf Jahren hielt die Zuwanderung nach Costa Rica aus Nicaragua und Kolumbien mit verschiedenen Aufs und Abs an. Die Einwanderung von Menschen aus dem nördlichen Mittelamerika, insbesondere aus El Salvador und Honduras, hat zugenommen. Außerdem kommen inzwischen Tausende aus Venezuela. Menschen aus Kuba, Haiti und afrikanischen Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo und Angola durchqueren häufig Costa Rica, um in die USA zu gelangen. Ein Teil davon hat sich entschieden, in Costa Rica zu bleiben.

Die Situation von Zugewanderten aus Nicaragua

In Costa Rica lebten bereits vor 2018 ungefähr 350.000 Nicaraguaner*innen. Mindestens 150.000 bis  200.000 weitere befanden sich ohne geregelten Aufenthaltsstatus im Land.[3] Darüber hinaus gibt es eine größere Gruppe von Menschen, die in der Nähe der Grenze zwischen den beiden Ländern leben und gelegentlich nach Costa Rica einreisen, um dort temporär zu arbeiten.

Die Mehrheit der Nicaraguaner*innen in Costa Rica musste sich schon immer mit schlechtbezahlten Jobs mit geringen oder gar keinen Beschäftigungsgarantien zufriedengeben. Die meisten verdienen ihren Unterhalt in der Landwirtschaft (z.B. in der Kaffeeproduktion oder bei der Ernte von Ananas sowie anderen Exportfrüchten), im Bausektor, in der «informellen» Wirtschaft oder in der Hausarbeit und Pflege.[4]  Letztere Tätigkeiten stellen für viele Frauen oft die einzigen Beschäftigungsmöglichkeiten dar. Durch den begrenzten Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt, die beträchtlichen Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen, die Gewalt, der viele Frauen ausgesetzt sind, und die Arbeitslosigkeit, die sie am stärksten betrifft, werden Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern reproduziert.[5]

Laut Angaben der Generaldirektion für Migration und Ausländer gingen im Jahr 2017 rund 67.000 Asylanträge von Nicaraguaner*innen ein,[6] 2018 und 2019 waren es jeweils mehr als 80.000.[7] Es ist hierbei jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich unter den Antragssteller*innen auch eine unbestimmte Anzahl von Personen befand, die sich bereits zuvor in Costa Rica undokumentiert aufhielten und die historische Chance nutzten, um ihren Aufenthalt zu legalisieren.[8]

Die Gruppe der Menschen, die seit April 2018 Zuflucht in Costa Rica sucht, unterscheidet sich in ihrer Zusammensetzung zum Teil von den Migrant*innen der Jahre zuvor.[9] Nach Angaben der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (IAKMR) sind es sehr viele Studierende, Menschenrechtsaktivist*innen, Anführer*innen sozialer Bewegungen sowie Bäuerinnen und Bauern, die in irgendeiner Form an Protestaktionen beteiligt waren, sowie Journalist*innen und in Gesundheitsberufen Arbeitende.[10] Infolge der soziopolitischen Krise in Nicaragua sind darunter außerdem viele Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt, Angehörige der LGBTIQ-Community sowie Personen, die im Rahmen der Familienzusammenführung nach Costa Rica ziehen. Es gibt aber auch immer mehr Menschen, die aufgrund der wirtschaftlichen Stagnation und der wachsenden Arbeitslosigkeit aus Nicaragua emigrieren. Die Tatsache, dass politische Krisen oft zu wirtschaftlichen Krisen führen, ist im Fall von Nicaragua offensichtlich. Dass sich gerade viele Menschen für die Auswanderung entscheiden, hängt mit dem anhaltenden wirtschaftlichen Missmanagement der nicaraguanischen Regierung sowie der politischen Unterdrückung und Gewalt zusammen, die vom dortigen Staatsapparat ausgeht. Deshalb sollten auch diejenigen, die ihre Heimat nicht aufgrund direkter politischer Verfolgung verlassen, Anrecht auf internationalen Schutz haben.

Versäumnisse bei der Einwanderungsgesetzgebung

Die Einwanderungsgesetzgebung in Costa Rica gilt schon seit Längerem als zu restriktiv, lückenhaft und reformbedürftig. Was vor allem fehlt, sind Mechanismen und Lösungen für die aufgrund ihrer besonders schwachen sozialen und ökonomischen Position am stärksten gefährdeten Menschen, damit diese ihren Migrations- und Aufenthaltsstatus legalisieren können.[11] Dies ist die  entscheidende Voraussetzung für den Zugang zu anderen Rechten wie zum Beispiel die Inanspruchnahme des öffentlichen Gesundheitswesens.

Mit der massiven Einwanderung nicaraguanischer Bürger*innen seit April 2018 wurde deutlich, wie begrenzt die Kapazitäten und Ressourcen der in Costa Rica für den Umgang mit Migrant*innen und Geflüchteten zuständigen staatlichen Stellen sind.[12] Zudem gibt es Probleme mit der Anwendung des internationalen Flüchtlingsrechts. So ist beispielsweise die von Costa Rica ratifizierte Erklärung von Cartagena nicht in nationales Recht überführt worden. Dies ist von besonderer Relevanz, weil die Cartagena-Erklärung vorsieht, den Kreis der Personen, die internationalen Schutz benötigen, zu erweitern, nämlich auf Personen, die vor (Bürger-)Kriegen und Unruhen fliehen – etwas, das in Latein- und Südamerika sehr häufig vorkommt. Diese Menschen sollen, selbst wenn sie die fünf Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention (1951 verabschiedet vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen mit Vertreibungen in Europa) und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (1967) nicht erfüllen, trotzdem internationalen Schutz mit allen entsprechenden Garantien genießen.[13] In Costa Rica kommt diese Regelung allerdings nicht zur Anwendung, die Asylverfahren orientieren sich an den beiden letztgenannten Abkommen. Lediglich ein weiterer Punkt – die Verfolgung aufgrund von Geschlecht – ist im aktuellen Migrationsgesetz von 2009[14] als Asylgrund aufgenommen worden.

Heute müssen viele Asylsuchende in Costa Rica damit rechnen, dass von der Antragstellung bis zur Entscheidung, ob sie als Flüchtlinge anerkannt werden, zwei bis vier Jahre vergehen.[15] Diejenigen, die sich im Asylverfahren befinden und bestimmte Anforderungen erfüllen, erhalten eine Arbeitserlaubnis, aber es handelt sich hierbei um ein Dokument, das von vielen Arbeitgeber*innen nicht anerkannt wird. Immer wieder kommt es bei den Asylverfahren zu Verzögerungen, nur wenige Anträge werden positiv beschieden.[16]

Eine kaum wahrgenommene humanitäre Krise

Die Lebenssituation der Mehrheit der nicaraguanischen Migrant*innen in Costa Rica war noch nie besonders einfach. Sie litten unter rechtlichen Einschränkungen, ungerechten und prekären Arbeitsbedingungen, Ungleichbehandlung, Ausgrenzung und Feindseligkeiten. Auch diejenigen, sie seit April 2018 über die Grenze kamen, müssen Entbehrungen auf sich nehmen und haben große Schwierigkeiten, ihren Einwanderungsstatus zu regeln und mit ihrem Einkommen ihre Grundbedürfnisse abzudecken. Costa Rica ist ein Land mit hohen Lebenshaltungskosten.

Obwohl die Regierungsbehörden in Costa Rica entschieden haben, denjenigen, die aus Nicaragua fliehen mussten, die Einreise zu gestatten, und die Krise im Nachbarland in bestimmten internationalen Foren zum Thema gemacht haben,[17] fehlt es an Aufmerksamkeit von offizieller Seite für die akute Notlage,  in der sich viele der Vertriebenen und Geflüchteten derzeit befinden. Darauf haben mehrere NGOs im Land hingewiesen.[18] Bislang haben die costa-ricanischen Behörden auf diese Kritik sowie auf Vorschläge und Anregungen von Migrant*innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen zur Verbesserung der Situation noch nicht reagiert.   

Medienberichte[19] sowie Berichte der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte, die Costa Rica einen Besuch abstattete,[20] aber auch die Geschichten von Menschen, die täglich bei humanitären und Menschenrechtsorganisationen um Hilfe suchen, zeigen die Risiken und die sehr schlimmen Verhältnisse, unter denen viele Nicaraguaner*innen heute im Land leben. Viele wohnen in improvisierten und völlig überfüllten Unterkünften, die keinerlei hygienischen Standards gerecht werden, manche in Steinbrüchen, andere müssen auf der Straße schlafen und haben nicht jeden Tag ausreichend zu essen. Dies treibt etliche Menschen in die Prostitution. Damit sind nur einige der gravierendsten Probleme benannt. 

Das Thema Gesundheit verdient besondere Aufmerksamkeit. In Costa Rica lebende Nicaraguaner*innen haben wiederholt berichtet, dass ihnen in den Gesundheitszentren eine medizinische Versorgung selbst in Notfällen verweigert wurde. Chronisch Kranke haben keinen Zugang zu den von ihnen benötigten Medikamenten, die sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen bleiben unberücksichtigt, Menschen mit psychischen Problemen werden nicht behandelt.

Diese Beispiele zeigen, dass Immigrant*innen vom öffentlichen Gesundheitssystem in Costa Rica im Stich gelassen werden. Trotzdem ist die Ansicht im Land weit verbreitet, dass die Verschlechterung der medizinischen Dienstleistungen auf den «Missbrauch» bzw. die «Überlastung» des Systems durch zu viele Einwanderer*innen zurückzuführen ist. Tatsache ist jedoch, dass dieses System, das formal und strukturell die Möglichkeit hätte, zumindest Minderjährige, Schwangere, ältere Menschen und Notfälle unter den Eingewanderten zu versorgen, insbesondere Migrant*innen ohne geregelten Aufenthaltsstatus von Behandlungen ausschließt. Die Gesetzgebung verlangt, dass für die Erteilung einer festen Aufenthaltsgenehmigung irgendeine Form von Krankenversicherung vorliegen muss. Um eine Versicherung zu erhalten, sind jedoch gültige Aufenthaltspapiere erforderlich.[21] Viele Menschen scheitern an diesem unüberwindbaren Hindernis.

All dies geschieht in Costa Rica vor dem Hintergrund komplexer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Probleme: Das Haushaltsdefizit ist erheblich (6,9 Prozent des Bruttoinlandprodukts),[22] die offizielle Arbeitslosenquote beträgt 12,4 Prozent,[23] die Armutsrate wird auf 20 Prozent geschätzt.[24] Das bedeutet, dass auch große Teile der einheimischen Bevölkerung in Costa Rica sich in einer Notsituation befinden. Dies sind unter anderem die Folgen eines neoliberalen Wirtschaftsmodells, das eine zunehmende strukturelle soziale Ungleichheit produziert.[25] Am stärksten zeigt sich diese in den segregierten städtischen Gebieten, auf dem Land und weit entfernt vom Zentrum des Landes, also oftmals an jenen Orten, an denen sich die Migrant*innen niederlassen müssen.

Inzwischen hat sich die humanitäre Krise im Land zu einer chronischen Krise ausgewachsen, die durch die gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie noch verschärft wird. Das zeigte sich bereits in den letzten beiden Märzwochen und in der ersten Aprilwoche 2020 in Form von erheblichen Arbeitsplatz- und Einkommensverlusten. Zu viele Menschen leben von der Hand in den Mund und können es sich einfach nicht leisten, zu Hause zu bleiben. Immer mehr Haushalte fehlt es an Mitteln, um die Miete zu bezahlen oder um benötigte Lebensmittel oder Medikamente zu kaufen.[26]

Bereits vor der Pandemie war die Situation angespannt und verlangte nach kurz- und mittelfristigen Maßnahmen, um die am stärksten gefährdeten Menschen mit Nahrung, Wohnraum sowie medizinischen Diensten und Bildungsangeboten zu versorgen. Vielleicht ist die gegenwärtige Lage, so schwierig und ungewiss sie auch sein mag, eine Gelegenheit, um sowohl auf politischer als auch gesellschaftlicher Ebene darüber nachzudenken, wie in Zukunft auf massive Migrationsbewegungen reagiert werden kann. Es bedarf dabei eines Ansatzes, der auch das soziale Umfeld der Migrant*innen berücksichtigt. Sowohl die einheimische Bevölkerung als auch die Einwanderer*innen müssen Teil dieses Prozesses sein. Es sollte auch nicht übersehen werden, dass es in Costa Rica viele binationale Familien gibt. Dies bedeutet, dass wir an einer Politik arbeiten müssen, bei der Bürgerrechte nicht an die Nationalität oder den Einwanderungsstatus geknüpft sind.[27]

Um solch ein Ziel zu erreichen, benötigt Costa Rica viel mehr Ressourcen und Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft. Es bedarf mehr Engagement und Mitverantwortung anderer Staaten, zum Beispiel von Ländern des globalen Nordens, die über ausreichend finanzielle Möglichkeiten verfügen.[28]

Fremdenfeindlichkeit als weitere Herausforderung

Und dann ist da noch die Fremdenfeindlichkeit gegenüber Nicaraguaner*innen und Menschen anderer Nationalität. Sie trifft insbesondere mittellose Migrant*innen, die sich aus verschiedenen Gründen gezwungen sahen, ihre Länder zu verlassen. In diesen Fällen wird Rassismus durch Peniaphobie (Angst vor Armut)[29] verstärkt, ein altbekanntes Phänomen, das sowohl bewusst als auch unbewusst reproduziert wird und so Teil der gesellschaftlichen «Normalität» geworden ist.

In Costa Rica ist nica ein beleidigender Begriff, mit dem Verachtung und Spott zum Ausdruck gebracht wird. Das Bestreben, nicht nica zu sein, auszusehen oder zu erscheinen bzw. dass Dinge nicht nica sind, aussehen oder erscheinen, ist weit verbreitet.[30] Hierbei handelt es sich um eine rassistische Zuschreibung, die sich in alltäglichen Feindseligkeiten äußert und die gesellschaftliche Inklusion von Menschen aus Nicaragua erschwert.

In Reaktion auf die steigenden Einwanderungszahlen, die ein Ergebnis der zunehmenden Kriminalisierung der sozialen Aufstände in Nicaragua sind, fand im August 2018 an einem emblematischen Ort in San José  – dem Park La Merced, einem historischen Bezugspunkt und Treffpunkt der nicaraguanischen Community – die erste gegen Immigration gerichtete Demonstration statt. Die Mehrheit der rund 500 Teilnehmer*innen waren Männer.[31] Zu diesem Protest hatten fremdenfeindliche und nationalistische Gruppen aufgerufen, ganz im Einklang mit dem Boom rechtsextremer Bewegungen und Positionen in verschiedenen Teilen der Welt.[32] Es handelte sich hierbei keineswegs um die erste öffentliche Episode von Fremdenfeindlichkeit in Costa Rica.[33] Besonders alarmierend war dieses Mal jedoch, dass die Organisator*innen dieser Demonstration die sozialen Netzwerke als Plattform für die Verbreitung von einwanderungsfeindlichen, rassistischen und nationalistischen Gerüchten und Slogans nutzten und somit ihre potenzielle Reichweite vervielfachten.

Eine Woche später gab es eine wichtige gesellschaftliche Reaktion auf diesen Protest in Form einer Gegendemonstration im Zentrum der Hauptstadt, an der etwa 5.000 bis 6.000 Menschen teilnahmen.[34] Dies war ein kollektives Zeichen gegen Hass und Rassismus. «Solidarität ist stärker» war das Motto der Gegendemonstrant*innen, der zum Ausdruck bringen soll, dass es in Costa Rica auch viel Solidarität und Gastfreundschaft vonseiten etlicher Menschen und Gruppen gegeben hat und nach wie vor gibt. Menschen haben die Türen ihrer Häuser geöffnet, um eine Unterkunft anzubieten, andere haben bei der medizinischen und Nahrungsmittelversorgung sowie der Vermittlung von Arbeitsmöglichkeiten geholfen oder dafür gesorgt, dass in Schulen, öffentlichen Universitäten oder zivilgesellschaftlichen Organisationen Räume für Austausch, Reflexion und (Weiter-)Bildung von Migrant*innen zur Verfügung stehen. Hinzu kommen andere Wege der materiellen und emotionalen Unterstützung, die hier nicht alle im Einzelnen aufgeführt werden können.

Es bleibt jedoch noch viel zu tun. Am 5. März 2020 erzählte eine Mutter in einer vom Servicio Jesuita para Migrantes Costa Rica organisierten Gesprächsrunde für Frauen aus Nicaragua von einer Lehrerin in der Schule, die ihre Tochter besucht. Diese Lehrerin zwinge die nicaraguanischen Schüler*innen dazu, sich bei der Essensausgabe im Speisesaal ganz hinten in die Schlange einzureihen. Das warme Essen, das Kinder in der Schule erhalten, ist in bedürftigen Familien manchmal die einzige regelmäßige Mahlzeit. Dies ist ein Beweis für die alltäglichen Diskriminierungen in einem Land, das so gar nicht dem Lebensmotto der Costa-Ricaner*innen pura vida entspricht – ein Ausdruck für das einfache und gute Leben und eine Aufforderung, das Leben zu genießen.[35]

«Nie wieder»

Nach zwei Jahren anhaltender Krise in Nicaragua fliehen noch immer Menschen über die Grenze in das Nachbarland Costa Rica. Angesichts der anhaltenden Gewalt in Nicaragua, der alten und neu aufgerissenen gesellschaftlichen Wunden und der wirtschaftlichen Rezession, die sich nach der COVID-19-Pandemie noch vertiefen wird, dürften die Zahlen noch weiter steigen. Costa Rica als Einwanderungsland steht vor der Herausforderung, einen menschenrechtsbasierten Ansatz in der Migrations- und Sozialpolitik zu entwickeln und umzusetzen, um mehr Menschen, insbesondere den Mittelosen und Schwachen unter den Geflüchteten, eine gesellschaftliche Integration zu ermöglichen.

Diejenigen, die Teil der gegenwärtigen Flucht- und Einwanderungsbewegung sind, die im April 2018 begann, erwarten vom costa-ricanischen Staat gar keine Rundumversorgung. Dafür stehen ihre vielfältigen wirtschaftlichen Initiativen, um das eigene Überleben zu sichern, und der Aufbau von Unterstützungsnetzwerken, oft von denjenigen, die allerwenigsten haben. Nicaraguaner*innen in Costa Rica haben seit jeher für menschenwürdigere Lebens- und Arbeitsbedingungen gekämpft. Dies trifft auch auf diejenigen zu, die in den letzten zwei Jahren ihr Heimatland verlassen haben. Die meisten haben nicht vor, lange in Costa Rica zu bleiben, aber im Moment ist nicht absehbar, wann eine Rückkehr in Würde und Sicherheit für sie möglich sein wird. Es bestehen sogar Zweifel daran, dass dies nach den geplanten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2021 der Fall sein wird. Hinzu kommen nun noch die negativen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Nicaragua, nicht zuletzt aufgrund des unverantwortlichen Krisenmanagements des Präsidentenpaares.[36]

Nicaragua hat bereits große Verluste zu beklagen. Man denke nur an jene jungen Nicaraguaner*innen, die ihr Studium abgebrochen haben, weil sie vor politischer Verfolgung fliehen mussten und weil ihre akademischen Abschlüsse annulliert wurden, oder an die vielen im Exil lebenden Menschenrechtsaktivist*innen, Verteidiger*innen von Gemeingütern, Journalist*innen oder LGTBIQ-Personen, die versucht haben, ihr Recht auf ein Leben in Würde und Gerechtigkeit zu verteidigen. Man denke auch an die vielen Frauen und Familien auf der Flucht, an all die Opfer männlicher Gewalt und andere, die infolge der Krise weggehen mussten, um in Costa Rica unter widrigen Umständen von ganz vorne anzufangen und zu versuchen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Ich schließe mit einer Forderung und einem Zitat an, das vom Menschenrechtskollektivs Nunca+ («Nie wieder») aus Nicaragua stammt: «Nie wieder Ungerechtigkeit, nie wieder Diktatur, nie wieder Straffreiheit» in Nicaragua. Auch nicht in Zentralamerika. Und für die, die sich zu Flucht und Migration gezwungen sahen: keine Ungerechtigkeit mehr, keine Fremdenfeindlichkeit mehr, keine Ausgrenzung mehr.
 

Übersetzt aus dem Spanischen von Lena-Marie-Putz.


[1] Ich verwende den Begriff der Bürgerrebellion von José Luis Rocha.Vgl. ders.: Self-Convened and Connected. Los universitarios en la revuelta de abril en Nicaragua, San Salvador 2019, S. 13.

[2] Siehe Observatorio Demográfico de América Latina: Migración internacional, Januar 2019, unter: www.cepal.org/es/publicaciones/44411-observatorio-demografico-america-latina-2018-migracion-internacional-demographic.

[3] Siehe Dirección de Integración y Desarrollo Humano: Diagnóstico del Contexto Migratorio de Costa Rica 2017, San José 2017, unter: https://red-iam.org/sites/default/files/2018-11/Diagnostico%20Contexto%20Migratorio%20de%20Costa%20Rica%202017.pdf.

[4] Ihr wirtschaftlicher Beitrag für Costa Rica ist beträchtlich und wird auf etwa 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes geschätzt. Siehe OECD/ILO: Cómo los inmigrantes contribuyen a la economía de Costa Rica, Paris 2018, unter: https://read.oecd-ilibrary.org/development/como-los-inmigrantes-contribuyen-a-la-economia-de-costa-rica_9789264303867-es#page1. Vgl. zur Bedeutung der Überweisungen (remittances) von im Ausland lebenden Nicaraguaner*innen für die Wirtschaft Nicaraguas www.bbc.com/mundo/noticias-42997950.

[5] Siehe Pimentel, María Flórez-Estrada: «Costa Rica no es una burbuja», Semanario Universidad, 19.2.2019, unter: https://semanariouniversidad.com/pais/costa-rica-no-es-una-burbuja/.

[6] Siehe BBC News Mundo: Los refugiados en Costa Rica por la crisis en Nicaragua: «No entiendo por qué nos odian», 19.4.2019, unter: www.bbc.com/mundo/noticias-america-latina-47987329.

[7] Siehe UNHCR: Alta Comisionada Adjunta para los Refugiados visita Costa Rica, 7.2.2020, unter: www.acnur.org/noticias/press/2020/2/5e3de3234/alta-comisionada-adjunta-para-los-refugiados-visita-costa-rica.html.

[8] Diese Daten lassen Personen außer Acht, die weder einen Antrag auf Asylantrag noch einen Antrag auf Legalisierung gestellt haben. Somit ist die Gesamtzahl der Nicaraguaner*innen, die ab April 2018 unbefugt nach Costa Rica eingereist sind, nicht ausreichend erfasst. Es wird geschätzt, dass es etwa 20.000 zusätzliche Personen sein könnten.

[9] Siehe Aburto, Wilfredo Miranda/Regidor, Cindy: Los Nicas en Costa Rica Migrantes Históricos, in: Confidencial, 7.2.2020, unter: https://confidencial.com.ni/los-nicas-en-costa-rica-migrantes-historicos/.

[10] Siehe Comisión Interamericana de Derechos Humanos: Migración forzada de personas Nicaragüenses a Costa Rica, 8.9.2019, unter: www.oas.org/es/cidh/informes/pdfs/MigracionForzada-Nicaragua-CostaRica.pdf.

[11] Zu den schwer überwindbaren Hürden für die Legalisierung zählen: schwerfällige bürokratische Verfahren und hohe Antragskosten, die mindestens zwischen 500 und 800 US-Dollar betragen, dazu zahlreiche Behördengänge, die die Menschen sowohl in Costa Rica als auch in ihrem Herkunftsland erledigen müssen.

[12] Und dies trotz der Warnungen und Lehren, die man aus jüngeren Ereignissen wie der Durchreise Tausender Kubaner*innen hätte ziehen können. Diese waren in den Jahren 2015/16 angesichts der Unmöglichkeit, ihre Reise in die USA fortzusetzen (hauptsächlich aufgrund der Schließung der Grenzen zu Nicaragua) gezwungen, mehrere Monate lang im nördlichen Grenzgebiet Costa Ricas zu bleiben, und lösten damit einen «staatlichen Notstand» aus.

[13] Siehe Declaración de Cartagena sobre refugiadios de 1984 y su aplicación en Costa Rica, 14.11.2018, unter: www.puntojuridico.com/la-declaracion-de-cartagena-sobre-refugiados-de-1984-y-su-aplicacion-en-costa-rica/.

[15] Ab dem Zeitpunkt der Antragstellung gilt der Grundsatz der Nichtzurückweisung, das heißt, schutzsuchende Personen können nicht in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. Das entspricht der internationalen Rechtsprechung und Abkommen, die von Costa Rica ratifiziert wurden.

[16] Siehe Migración Redaza 9 de Cada 10 Solicitudes de Refugio, 14.11.2018, unter: www.presidencia.go.cr/comunicados/2018/06/migracion-rechaza-9-de-cada-10-solicitudes-de-refugio/.

[17] Siehe Valverde, Rita: Presidentes de España y Costa Rica coincidieron en su preocupación por conflicto de Nicaragua, in: Semanario Universidad, 31.8.2018, unter: https://semanariouniversidad.com/ultima-hora/presidentes-espana-costa-rica-alzaron-preocupacion-por-situacion-de-nicaragua/; Costa Rica celebra la resolución del Consejo de DD.HH. de la ONU sobre Nicaragua, Agencia EFE, 21.3.2019, unter: www.efe.com/efe/america/sociedad/costa-rica-celebra-la-resolucion-del-consejo-de-dd-hh-onu-sobre-nicaragua/20000013-3931714; Expresidentes de Costa Rica hacen llamado internacional para atender migrantes, in: Deutsche Welle, 16.12.2019, unter: www.dw.com/es/expresidentes-de-costa-rica-hacen-llamado-internacional-para-atender-migrantes/a-51686987; Ruiz, Gerardo R.: Costa Rica advierte a ONU: situación en Nicaragua tiene ‹ptenicial para crisis de escalameinto ilimitado›, in: La Nación, 5.9.2018, unter: www.nacion.com/el-mundo/politica/costa-rica-advierte-a-onu-situacion-en-nicaragua/4YTQECWW6RAGHFLF3EBBSV7RYM/story/.

[18] Siehe Centro por la Justicia y el Derecho Internacional: El Estado de Costa Rica debe tomar acciones decididas y convincentes para responder a la migración forzada de personas nicaragüenses, 18.12.2019, unter: www.cejil.org/es/estado-costa-rica-debe-tomar-acciones-decididas-y-convincentes-responder-migracion-forzada-personas.

[19] Siehe Rivas, Elmer/Regidor, Cindy: Los Refugiados de la Represión de Abril, in: Confidencial, 11.2.2020, unter: https://confidencial.com.ni/los-refugiados-de-la-represion-de-abril/; Maldonado Salinas, Carlos/Herrera, Carlos: Ocho rostros del exilio nicaragüense en Costa Rica, in: Elfaro, 12.12.2018, unter:  https://elfaro.net/es/201812/centroamerica/22743/Ocho-rostros-del-exilio-nicarag%C3%BCense-en-Costa-Rica.htm; Regidor, Cindy: El personaje del año: Los exiliados nicaragüenses, in: Confidencial, 22.12.2019, unter:  https://confidencial.com.ni/el-personaje-de-2019-los-exiliados-nicaraguenses/;

Nicaragüenses exiliados en Costa Rica: entre el desempleo y limitaciones de Vivienda, Ameliareuda.com, 15.4.2019, unter:  www.ameliarueda.com/nota/estudio-evidencia-adversidades-nicaragueenses-costa-rica; La lucha en Costa Rica del exilio nicaragüense más olvidado, in: La Prensa Gráfica, unter: https://7s.laprensagrafica.com/la-lucha-en-costa-rica-del-exilio-nicaraguense-mas-olvidado/www.youtube.com/watch?v=1fi_uxuZun0.

[20] Siehe Comisión Interamericana de Derechos Humanos: Migración forzada de personas Nicaragüenses a Costa Rica, 8.9.2019, unter:  www.oas.org/es/cidh/informes/pdfs/MigracionForzada-Nicaragua-CostaRica.pdf.

[21] Koen Voorend, ¿Un imán de bienestar en el Sur? Migración y política social en Costa Rica, Universidad de Costa Rica, San José 2019.

[22] Siehe Pimentel, Maria Flórez-Estrada: Pese a aumento en la recaudación, déficit fiscal llegó al 6,96% del PIB, in: Semanaria Universidad, 29.1.2020, unter: semanariouniversidad.com/ultima-hora/deficit-fiscal-llego-al-696-del-pib/.

[23] Siehe Madrigal, Luis Manuel: Desemplo cerró 2019 en su valor más alto en diez anos: 12,4 %, in Delfino, 6.2.2020, unter https://delfino.cr/2020/02/desempleo-cerro-2019-en-su-valor-mas-alto-en-diez-anos-124; Córdoba, Javier: 309 mil personas estuvieron desempleadas al cierre del 2019, in: Semanario Universidad, 6.2.2020, unter:  https://semanariouniversidad.com/pais/tasa-de-desempleo-abierto-se-situo-en-124/.

[24] Siehe Córdoba, Javier/Valverde, Rita: Pobreza en Costa Rica se mantiene en 21%, aunque baja la pobreza extrema, in: Semanario Universidad, 17.10.2019, unter: https://semanariouniversidad.com/ultima-hora/pobreza-en-costa-rica-se-mantiene-en-21-aunque-baja-la-pobreza-extrema/.

[25] Nach Angaben des Nationalen Instituts für Statistik und Volkszählung lag in Costa Rica der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit auf einer Skala von 0 bis 1 angibt (nahe bei 1 bedeutet starke Ungleichheit), 2018 bei 0,51.

[26] Besonders besorgniserregend sind die Schließung und Überwachung der Grenzen, um eine massive Ausbreitung des Virus zu verhindern, sowie der Beschluss, die Migrationskategorie zu streichen und die Wiedereinreise von Ausländer*innen zu verhindern, die das Land während der Quarantänezeit verlassen. Siehe Gobierno reitera: personas extranjeras que salgan del país no podrán reingresar, 6.4.2020, unter: www.presidencia.go.cr/comunicados/2020/04/gobierno-reitera-personas-extranjeras-que-salgan-del-pais-no-podran-reingresar/. Obwohl diese Anordnungen angesichts der aktuellen Ausnahmesituation getroffen werden und in erster Linie einer gesundheitspolitischen Agenda folgen, kann nicht geleugnet werden, dass diese Maßnahmen zu einer faktischen Aussetzung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung für diejenigen führen können, die internationalen Schutz suchen, und zur Anwendung unverhältnismäßiger Sanktionen für diejenigen, die ihren Migrationsstatus behalten.

[27] Sandoval, Carlos (Hrsg.): Introducción in Puentes, no muros. Contribuciones para una política progresista en migraciones, Buenos Aires 2020, Fundación Rosa Luxemburg, unter: http://biblioteca.clacso.edu.ar/clacso/se/20200327054129/Puentes-no-muros.pdf.

[28] Siehe Lissardy, Gerardo: Carlos Alvarado, presidente de Costa Rica: «La comunidad internacional no habla lo suficiente de Nicaragua, opacada por el drama venezolano», BBC World, 27.9.2019, unter: www.bbc.com/mundo/noticias-america-latina-49848518; Presidente de Costa Rica urge fondos de cooperación para atender población refugiada y migrante, 18.12.2019, unter:  www.presidencia.go.cr/comunicados/2019/12/presidente-de-costa-rica-urge-fondos-de-cooperacion-para-atender-poblacion-refugiada-y-migrante/; Costa Rica propone alianzas para hacer frente a incremento de solicitudes de refugio de nicaragüenses, 16.12.2019, unter: www.presidencia.go.cr/comunicados/2019/12/costa-rica-propone-alianzas-para-hacer-frente-a-incremento-de-solicitudes-de-refugio-de-nicaraguenses/.

[29] Cortina, Adela: Aporofobia, el rechazo al pobre. Un desafío para la democracia, Barcelona 2017.

[30] Sandoval, Carlos: Otros amenazantes. Los nicaragüenses y la formación de identidades nacionales en Costa Rica, San José 2002, unter: www.editorial.ucr.ac.cr/ciencias-sociales/item/2196-otros-amenazantes-los-nicaragueenses-y-la-formacion-de-identidades-nacionales-en-costa-rica.html.

[31] Siehe Salazar, Luis Ramirez: Con proclamas xenófobas, grupo de ticos protesta en parque La Merced contra inmigrantes, Ameliarueda.com, 18.8.2018, unter: www.ameliarueda.com/nota/proclamas-xenofobicas-grupo-ticos-protesta-parque-merced-contra-inmigrantes.

[32] Die aktuelle Einwanderungsdynamik wurde auch von rechten Politiker*innen und Parteien instrumentalisiert, indem sie sich fremdenfeindlich äußerten und versuchten, Gesetzesverschärfungen auf den Weg zu bringen. Siehe Sergio Mena: No podemos recibir a todo Nicaragua aquí, Elmundo.cr, 8.8.2018, unter: www.elmundo.cr/costa-rica/sergio-mena-no-podemos-recibir-a-todo-nicaragua-aqui/; Reforma busca que no se otorgue nacionalidad tica a recién nacidos de padres extranjeros, teletica.com, unter: www.teletica.com/225898_reforma-busca-que-no-se-otorgue-nacionalidad-tica-a-recien-nacidos-de-padres-extranjeros. Im Vorfeld der Kommunalwahlen im Februar 2020 bezogen sich die meisten Falschinformationen, die in sozialen Netzwerken zirkulierten, auf Themen, die mit Migration zu tun hatten.

[33] Bislang gab es in diesem Jahrhundert mindestens drei fremdenfeindliche Übergriffe auf Nicaraguaner*innen, die eine große öffentliche Wirkung hatten: 1. Der Tod von Natividad Canda, einer Nicaraguanerin, die 2005 von zwei Rottweiler-Hunden vor den Augen der Polizei und anderen Personen zerfleischt wurde, was rassistische Reaktionen – selbstgefällige Witze, die das Geschehene verharmlosten und rechtfertigten – auslöste, und der anschließende Tod von José Ariel Silva im Zuge von Konfrontationen, die im Zusammenhang mit fremdenfeindlichen Gesetzesverschärfungen standen, die der Tod von Canda ausgelöst hatte. 2. Der Einmarsch der nicaraguanischen Armee in einen Teil der grenznahen Insel Isla Calero im Jahr 2010, der bei einigen Teilen der costa-ricanischen Gesellschaft wütende, gegen die nicaraguanische Bevölkerung gerichtete Reaktionen auslöste. 3. Der Beschluss des Ministeriums für öffentliche Bildung im Jahr 2016, der Schulen in San José mit einem hohen Anteil von Kindern aus binationalen Familien erlaubte, am letzten Septembertag (dem Feiertag der zentralamerikanischen Unabhängigkeit) die nicaraguanische Hymne zu singen, um so den gegenseitigen Respekt und das interkulturelle Miteinander zu fördern.  Dies löste eine Kontroverse aus, da viele Costa-Ricaner*innen dies als Angriff auf die nationale Identität werteten. All diese Vorkommnisse stehen im Zusammenhang mit dem vorherrschenden nationalistischen Selbstbild Costa Ricas, das alles Nicaraguanische als minderwertig und das «Andere» begreift.
Siehe: Sandoval, Carlos: Otros amenazantes. Los nicaragüenses y la formación de identidades nacionales en Costa Rica, San José 2002.

[34] Siehe Valverde, Rita/Alfaro, Josué: Miles se manifestaron hoy en solidaridad con el pueblo nicaragüense en marcha contra la xenofobia, in: Semanaria Universidad, 25.8.2018, unter:  https://semanariouniversidad.com/ultima-hora/1miles-se-manifestaron-hoy-en-solidaridad-co-el-pueblo-nicaraguense-en-marcha-contra-xenofobia37092/.

[35] Bericht von Karina Fonseca Vindas, Leiterin der Dienstelle für Migrationsangelegenheiten der Jesuiten in Costa Rica, unter: https://radios.ucr.ac.cr/radio-870/programas.

[36] Siehe Romero, Dora Luz: Coronavirus. La larga ausencia en Nicaragua de Daniel Ortega, el único presidente de América Latina que no ha aparecido en público ante la crisis del covid-19, in: BBC World, 4.4.2020, unter: www.bbc.com/mundo/noticias-america-latina-52145204; OPS preocupada porque el gobierno de Nicaragua no enfrenta el coronavirus, in: Elfaro, 7.4.2020, unter: https://elfaro.net/es/202004/centroamerica/24251/OPS-preocupada-porque-el-gobierno-de-Nicaragua-no-enfrenta-el-coronavirus.htm.