News | International / Transnational - Westeuropa Der Spuk ist noch längst nicht vorbei

Der Neoliberalismus muss sich nach den Europawahlen zunächst keine Sorgen machen. Bremen ist weiterhin zweitstärkstes Bundesland im Westen für die LINKE. Hamburg holt auf, Saarland in Sichtweite, Piraten am Horizont Von Christoph Spehr

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Christoph Spehr,

Bei den Europawahlen 2009 hat sich der Kapitalismus wieder einmal unerwartet flexibel gezeigt. Europaweit haben die Konservativen sich stabil gehalten, während die Sozialdemokraten deutliche Verluste hinnehmen mussten. Gewinne erzielten die grün-alternativen Parteien sowie die Gruppe der „Anderen“, d.h. der Parteien, die nicht zu den großen Strömungsblöcken gerechnet werden. In Frankreich, Spanien und Österreich setzten sich die Konservativen deutlich durch, gegen den Trend siegten die Sozialdemokraten in Griechenland und Malta. Zu den Überraschungen gehörten die französischen Grünen, die unter Daniel Cohn-Bendit auf 15 Prozent kamen; die dänische Linkspartei, die sich von 7,5 auf 15 Prozent verdoppelte; und die Piratenpartei, die in Schweden auf Anhieb 7 Prozent erzielte und auch in Bremen 1,1 Prozent erhielt.

In Deutschland zeigt das Ergebnis wenig Bewegung gegenüber der Europawahl 2004, wenn man von der Verschiebung zwischen Union und FDP absieht. Schwarz-Gelb geht von 50,6 Prozent 2004 leicht auf 48,8 Prozent 2009 zurück, Rot-Grün stagniert von 33,4 auf 33,3 Prozent, mit fast unveränderten Ergebnissen für SPD (20,8) und Grünen (12,1). Die LINKE gehört mit 7,5 Prozent gegenüber 6,1 Prozent 2004 (damals noch für die PDS) zu den Gewinnern, verfehlt jedoch ihr Wahlziel von 10 Prozent deutlich. Der rechte Rand verliert: die Republikaner erzielen 1,3 Prozent (2004: 1,9), die DVU 0,4 Prozent (2004 kandidierte stattdessen die NPD, 0,9 Prozent).

Insgesamt zeigt das Ergebnis, dass die neoliberale Hegemonie in Europa keineswegs erschüttert ist. Die Konservativen profitieren von der Krise, nicht nur in Deutschland. 30 Jahre Neoliberalismus haben nicht nur Versprechungen gemacht, die sich jetzt offensichtlich als falsch erweisen; sie haben auch die Art und Weise geprägt, wie Menschen die Probleme interpretieren. Und so erscheinen Krise, Arbeitslosigkeit, faule Kredite und unabsetzbare Produkte immer noch mehrheitlich als Probleme, die sich nicht durch eine neue Form von Staatsengagement und demokratischer Wirtschaftsplanung lösen lassen, sondern nach ein paar Reparaturen wieder dem Markt überlassen werden sollen. Während konservative Regierungen in der Krise mehr oder weniger sozialdemokratisch handeln, bleibt die Ideologie intakt und gelingt es bislang nicht, sozialistische Antworten auf die Krise populär zu machen. Für die europäischen Linksparteien gibt es dazu allerdings keine Alternative. Aus den Abwehrkämpfen in der Krise müssen Kämpfe um Hegemonie werden, wenn ein „Weiter so“ verhindert werden soll. Das ist die Anstrengung, auf die sich auch die LINKE in Deutschland bis zur Bundestagswahl einstellen muss.

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