Wir möchten Sie auf ein Buch des Arbeitskreises Regionalgeschichte aufmerksam machen, das mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen entstanden ist:
Luftwaffe, Judenvernichtung, totaler Krieg
Guernica, Łomża, Warschau, Coventry ...
Deutsche Geschichtspolitik, Traditionspflege in der Garnisonsstadt Wunstorf, “Vergessene” Geschichte in Hannover-Langenhagen
339 Seiten, Zahlreiche Abbildungen und Karten,
16,50 €, ISBN: 978-3-930726-15-8
Hubert Brieden und Tim Rademacher befassen sich mit einigen bis heute in der Öffentlichkeit kaum bekannten Kapiteln in der Geschichte der deutschen Luftwaffe. Beschrieben und analysiert wird die systematische Bombardierung der Zivilbevölkerung in Guernica, Łomża Warschau, Coventry und anderen Städten. Zum ersten Mal werden Angriffe auf jüdische Städte und Stadtteile während des "Polenfeldzuges" ausführlich dargestellt. Darüber hinaus geht es um das jahrzehntelange Vertuschen von Krigesverbrechen, deutsche Geschichtspoltik und die Traditionspflege der Bundeswehr
Zum Inhalt: „Bombenlöcher auf Straßen noch zu sehen, einfach toll.“ Diesen Satz schrieb Wolfram Freiherr von Richthofen am 30. April 1937 in sein Tagebuch. Zuvor hatte er die Bombenschäden in der baskischen Kleinstadt Guernica begutachtet. Nach Ansicht der dafür verantwortlichen Offiziere der Legion Condor war der Angriff, der vier Tage zuvor stattgefunden hatte, ein voller Erfolg. Die internationale Öffentlichkeit dagegen war schockiert angesichts der Rücksichtslosigkeit, mit der die Zivilbevölkerung von deutschen Luftstreitkräften attackiert worden war. Diese hielten sich illegal in Spanien auf, um einen Militärputsch unter Führung des Generals Franco zu unterstützen. Erschüttert von den Berichten über die verheerenden Auswirkungen des Bombardements, schuf Pablo Picasso sein wohl bekanntestes Gemälde und nannte es einfach „Guernica“. Dadurch wurde der Name der baskischen Stadt zum Symbol für faschistischen Terror und die Brutalität des Luftkrieges. Ein Teil der verantwortlichen Bomberbesatzungen war auf den Fliegerhorsten Wunstorf, Hannover-Langenhagen und Delmenhorst im Kampfgeschwader Boelcke ausgebildet worden.
Vollbeladene Bombenflugzeuge dieses Traditionsgeschwaders starteten am 1. September 1939 zum Kampfeinsatz gegen Polen. Neben militärischen Zielen wurden auch Wohnviertel angegriffen. Besonders intensiv seien jüdische Stadtviertel bombardiert worden, berichten Zeitzeugen. Und tatsächlich gab es solche Luftangriffe: zum Beispiel auf die Kleinstadt Łomża, welche von NS-Bevölkerungswissenschaftlern zuvor als „Judenstadt“ bezeichnet worden war. Für die Zerstörung Łomżas trugen Teile des Boelcke-Geschwaders die Verantwortung. Andere Luftwaffeneinheiten attackierten das jüdische Viertel in Warschau vor allem mit Brandbomben, so dass ganze Straßenzüge in Flammen standen. Bald darauf wurde das gesamte Zentrum der polnischen Hauptstadt flächendeckend bombardiert – Angriffe, bei denen Ju 52-Flugzeuge ebenso wie bereits in Guernica eine verhängnisvolle Rolle spielten.
Auch im Krieg gegen Frankreich und England wurden Wohnviertel angegriffen und zerstört. Weltweites Aufsehen erregte die Vernichtung der britischen Stadt Coventry, an der wieder das Boelcke-Geschwader beteiligt war.
In der Geschichtsschreibung der Garnisonsstadt Wunstorf (Region Hannover), aber auch in Hannover-Langenhagen werden diese Einsätze bis heute verschwiegen. Auf dem Fliegerhorst Wunstorf, der zu einem der wichtigsten Flugplätze der Bundeswehr für internationale Militäreinsätze ausgebaut wird, pflegt man militärische Traditionen und das Andenken an die legendäre Ju 52. Verschwiegen wird dabei, dass diesem Flugzeug bei den Bombardements von Guernica und Warschau zahllose Menschen zum Opfer fielen. Es geht im Buch nicht nur um die Rekonstruktion dieser Verbrechen, sondern auch um die lange Geschichte ihrer Vertuschung und um deutsche Geschichtspolitik.