Publication Wirtschafts- / Sozialpolitik - Commons / Soziale Infrastruktur - Verteilungskrise - Klimagerechtigkeit Gasumlage und Energiepreisdeckel

«Kurz & bündig»: Um was geht es bei der Gasumlage und wer profitiert davon?

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Author

Uwe Witt,

Published

August 2022

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Symbolbild zu Gasumlage
IMAGO / Bihlmayerfotografie

Die Gas- und Strompreise gehen durch die Decke. Einige Energieunternehmen realisieren krisenbedingt enorme Extraprofite, andere (manchmal ausgerechnet deren Töchter) sollen vom Staat vor der Insolvenz gerettet werden.

Verbraucher*innen sollen das Ganze zahlen – zusätzlich zu den ohnehin explodierenden Kosten. Wie hängt das alles zusammen und warum sind eine Übergewinnsteuer und ein Energiepreisdeckel überfällig?

Wofür dient die Gasumlage?

Die bis zum 1. April 2024 befristete Gasumlage soll Großimporteuren jene Mehrkosten ersetzen, die anfallen, weil Russland vertraglich vereinbarte Gaslieferungen im Zuge seines völkerrechtswidrigen Ukraine-Krieges nicht vollständig erfüllt. Die Fehlmengen müssen beispielsweise Uniper SE oder die VNG als große Vorlieferanten für Stadtwerke, Regionalversorger und Industrieunternehmen nun anderswo am Weltmarkt einkaufen – zu hohen Mehrkosten (im September 2022 ca. 250 Euro pro Megawattstunde Vergleich zu 20 bis 30 Euro vor der Krise).

Wer zahlt die Gasumlage in welcher Höhe?

Ab 1. Oktober wird die Gasumlage in einer Höhe von einheitlich aktuell 2,419 Cent je Kilowattstunde (kWh) Gas über die Energieversorger von allen Gasendverbrauchern erhoben, zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Umlage sattelt auf die seit Herbst 2021 ohnehin stark gestiegenen Gaspreise auf. Bei einem durchschnittlichen Haushaltsverbrauch von 11.500 kWh und einem angenommenen durchschnittlichen Gaspreis für Bestandskunden von rund 18 Cent pro kWh (im letzten Jahr lag er bei knapp 7 Cent) würde allein die Umlage rund 300 Euro im Jahr Zusatzkosten bedeuten.

Würden die zusätzlichen Beschaffungskosten der Importeure nicht über die Gasumlage, sondern direkt über die Lieferkette bis zu den Endkunden weitergegeben, käme es allerdings ebenfalls zu Preissteigerungen. Sie würden dann jedoch ungleichmäßig verteilt sein – je nach Höhe des ausfallenden russischen Importanteils des jeweiligen Versorgers.

Welche weiteren Umlagen werden erhoben?

Im Zusammenhang mit der Gaskrise sind künftig weitere neue Umlagen auf den Gasbezug zu zahlen, die einen deutlich kleineren Umfang als die Gasumlage haben, sich aber summieren. Dies sind: Erstens eine Bilanzierungsumlage von 0,57 Cent pro kWh. Sie wird laut Bundesregierung notwendig für nunmehr teurere Gaskäufe, die eine gleichmäßige Auslastung des Gasnetzes garantieren sollen. Zweitens eine Gasspeicherumlage in Höhe von 0,059 Cent pro kWh. Da die privaten Gasspeicherbetreiber nunmehr gesetzliche Füllstands-Vorgaben haben, können sie am Markt nur noch beschränkt ihrem Geschäftsmodell nachgehen, etwa günstigere Gaspreise zum Einspeichern und höhere zum Ausspeichern abwarten. Die Zusatzkosten soll diese Umlage auffangen. Drittens wird eine Konvertierungsumlage von 0,038 Cent pro kWh fällig, mit der zusätzliche Umwandlungskosten abgefangen werden sollen, die aus den nunmehr sich physikalisch stärker unterscheidenden Gassorten und damit Brennwerten resultieren.

Auch auf diese drei Umlagen wird die Mehrwertsteuer erhoben. Zusammen macht das in unserem Beispiel noch einmal 80 Euro pro Jahr aus.

War die Gasumlage alternativlos?

Nein. Alternativ hätte die Bundesregierung direkt den Importeuren die Kosten auch aus dem Staatshaushalt erstatten können. Die Mittel dafür könnten aus einer Übergewinnsteuer finanziert werden, die nach Berechnung einer aktuellen Studie im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung dem deutschen Fiskus zwischen 30 und 100 Mrd. Euro jährlich einbringen würde. Überschüssige Mittel daraus wären – ergänzt durch höhere Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen – zur Abfederung der bisherigen Energiepreissteigerungen einsetzbar. Diese Wege wurden aus ideologischen Gründen nicht gewählt. Die Bundesregierung hat zwar angekündigt, hier nachzubessern. Wie, und wie umfassend das geschehen soll, steht aber bislang in den Sternen.

Gibt es Entlastungskonzepte der Regierung?

Um die Endkunden zu entlasten, beabsichtigt die Bundesregierung zumindest, die Mehrwertsteuer auf den Gasverbrauch von 19 auf 7 Prozent zu senken. Das würde die Mehrkosten der Gasumlagen aber nur zu einem Teil ausgleichen, je nach Gaspreishöhe in unterschiedlichem Maß. An der Mehrbelastung durch die bisherigen Preiserhöhungen ändert sich dadurch jedoch zunächst gar nichts. Inwiefern das angekündigte dritte Entlastungspaket hier spürbare Hilfe bringt, ist noch nicht absehbar. Angesichts der bisherigen zwei vollkommen unzureichenden Entlastungspakte der Ampel dürfte Skepsis angebracht sein. Nicht zuletzt deshalb, weil Finanzminister Lindner (FDP) weiter an der Schuldenbremse festhält und gleichzeitig die Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen verhindert.

Unter welchen Bedingungen wird die Gasumlage an die Unternehmen gezahlt?

Der Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich von 90 Prozent der Mehrkosten der Ersatzbeschaffungen besteht nur für Importeure von russischem Erdgas nach Deutschland. Und zwar sofern die Gasbezugsverträge vor dem 1. Mai 2022 abgeschlossen worden sind. Nach Rechnungsprüfung erfolgt der Ausgleich ab dem 1. Oktober 2022. Insgesamt haben zwölf Unternehmen rund 34 Mrd. Euro Ausgleichsvolumen angemeldet. Über 90 Prozent dieser Summe fällt auf die drei Unternehmen Uniper SE (ursprünglich eine E.ON-Abspaltung, die heute mehrheitlich dem finnischen Energiekonzern Fortum gehört), SEFE (ehemals Gazprom-Deutschland, zu dem auch Wingas gehört, und das inzwischen unter Verwaltung der Bundesnetzagentur steht) sowie die Leipziger EnBW-Tochter VNG.