Podcasts boomen. Laut einer Online-Studie von ARD und ZDF nutzen inzwischen 19 Millionen Menschen in Deutschland Podcasts – das sind fast 20 Prozent der Bevölkerung. Unter jüngeren Nutzer*innen liegt die Zahl noch weit höher. Gleichzeitig ist das Angebot an Podcasts rasant gestiegen. Hatte der Marktführer Spotify 2018 noch 2.000 Podcasts im Angebot, waren es vier Jahre später bereits 70.000. Podcasts werden zwar immer noch großenteils von individuellen Akteur*innen produziert; inzwischen betreiben aber auch zahlreiche Institutionen, Verbände und soziale Bewegungen Podcasts zu politischen, sozialen und historischen Fragen.
Auch wenn das rasante Wachstum den Eindruck erweckt – Podcasts sind keineswegs vom Himmel gefallen, sie sind vielmehr eine neue Form bzw. Fortsetzung des Radios. Schon Bertolt Brecht forderte in seiner Radiotheorie, den Rundfunk «aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln» (Brecht 1967: 129). Der Kommunikationswissenschaftler Tiziano Bonini stellt Podcasts in die Kontinuität der «Piratenradios» der 1970er- und 1980er-Jahre und interpretiert sie damit als digitale Fortsetzung der kritischen Gegenöffentlichkeit. In der Tat ermöglichen Podcasts und die angebundenen Social-Media- Plattformen eine wechselseitige Kommunikation und fungieren häufig auch als Austauschplattformen und Communities.
Inzwischen gibt es eine kaum überschaubare Vielzahl von Podcasts, darunter auch etliche, die einen emanzipatorischen Anspruch vertreten. In einer Online-Befragung, an der sich 653 Podcaster*innen beteiligten, gaben 88 Prozent von ihnen an, sich «eher im linken Spektrum» zu verorten (siehe Kap. 4). Das ist kein Zufall, bieten Podcasts doch ein offenes und kommunikatives Format, das sich gerade für Austausch und Diskussion anbietet. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung nimmt die Impulse der Bildung via Podcast auf, mit dem Theoriepodcast tl;dr, dem Manypod, lux: local und Rosalux History existieren momentan vier aktive Formate.
In der vorliegenden Studie richten Nele Heise und Erik Meyer den Blick auf linke und emanzipatorische Podcasts. Mithilfe von Analysetools und Schneeballrecherche identifizierten sie zahlreiche linke Podcasts und analysieren deren Themenschwerpunkte, Techniken und Erfolgskriterien. Ihre Arbeit leistet einen bedeutenden Beitrag nicht nur für die Analyse der Wirkmächtigkeit, sondern auch der Potenziale von Podcasts für linke Kommunikation. Damit setzt die Rosa-Luxemburg- Stiftung die Studienreihe fort, in der die Potenziale linker Interventionen auf digitalen Plattformen aufgespürt und vermessen werden sollen. Interessierten seien die bereits veröffentlichten Studien zu YouTube (Marius Liedtke und Daniel Marwecki: «Von Influencer*innen lernen», 2020), TikTok (Marcus Bösch und Chris Köver: «Schluss mit lustig?», 2021), Instagram (Tanja Maier: «Visueller Aktivismus mit Instagram», 2021) und zu Telegram (Sophia Jendrzejewski und Celine Strufe: «Don’t shoot the messenger», 2022) empfohlen, die die vorliegende Arbeit ergänzen.
Henning Obens, Referent für digitale Kommunikation
Inhalt
Einleitung
Rise of the Pod: Entwicklung und gegenwärtige Lage
Pod-Politics: Politische Relevanz und Dimensionen von Podcasting
- Podcast als Medium politischer Kommunikation
- Podcasting – Teilhabe und Partizipation
- Podcast als Medium der Meinungsbildung
- Vorbild USA? Zwischen progressiver Podcast-Renaissance und Plattformisierung
What’s left? Linke Kommunikation in Podcasts greifbar machen
Linke Podosphäre(n): Annäherung an aktuelle Angebotsfelder
- Vorgehen: Auswahl und Recherche
- Akteursgruppen und Themenfelder
- Wie linke Podcasts in Erscheinung treten
- Was linke Podcasts präsentieren
- Wie sich linke Podcasts präsentieren
Was linke Podcasts erfolgreich macht
Fazit und Ausblick: Perspektiven linker Audio-Kommunikation
Literaturverzeichnis
Autor*innen
- Nele Heise, M. A., ist freie Referentin, Medienforscherin und wissenschaftliche Beraterin (www.neleheise.de).
- Erik Meyer ist Politikwissenschaftler und Autor des Bands «Zwischen Partizipation und Plattformisierung. Politische Kommunikation in der digitalen Gesellschaft» (Campus Verlag 2019; vgl. www.memorama.de).