«Die Ossis werden nie Demokraten. Vielleicht sollte man aus der ehemaligen DDR eine Agrar- und Produktionszone mit Einheitslohn machen.» Die jüngste Äußerung von Springer-Chef Döpfner empört in ihrer Drastik, überraschend ist sie nicht. Auch nach 30 Jahren gehört die Stigmatisierung Ostdeutscher zum guten Ton. Dabei geht es nicht nur um symbolische Abwertung. Das Gefühl, Bürger*innen zweiter Klasse zu sein, hat einen materiellen Kern: von der anhaltenden Lohnlücke über «Wessi»-dominierte Führungsetagen bis zu abgehängten Landkreisen und ungleichen Erbschaften. Die brachiale kapitalistische Transformation der 1990er-Jahre hat nicht nur den demokratischen Aufbruch erstickt, sondern Staatseigentum en masse privatisiert und Ostdeutschland zum Billiglohnreservoir gemacht. Die Wunden sind längst nicht verheilt.
Den Frust weiß die Rechte zu instrumentalisieren. Sie proklamiert ein neues «Ost-Bewusstsein», skandiert «Vollende die Wende» und droht mit der Faschisierung des ganzen Landes. Klima, Demokratie und Gerechtigkeit stehen im Osten auf dem Spiel. Jahrzehnte eines autoritären Neoliberalismus werfen ihre Schatten. Was hier «blüht», hat aber gesamtdeutsche Relevanz.
Höchste Zeit, genauer hinzusehen und Stimmen aus dem Osten zu Wort kommen zu lassen: Was sind erfolgversprechende Initiativen, den Rechten das Wasser abzugraben? Wie sehen migrantische Allianzen aus, die Ermächtigung und Schutz bieten? Gibt es ein linkes Sprechen über «Ost-Identität»? Wie kann eine gerechte Politik für den ländlichen Raum aussehen? Und wie zum Teufel kann sich eine linke Partei in all diese Kämpfe erfolgreich einmischen?
Inhalt
- «Na, dann müssen Sie da wegziehen!»
Vom Bleiben, trotz alledem
Von Manja Präkels - Unheimlich ähnlich
Wo sich Realsozialismus und Neoliberalismus treffen
Von Stefanie Hürtgen - GESPRÄCH
Die große Wunde
Warum wir die Zeit nach der Wende kollektiv aufarbeiten müssen
Mit Grit Lemke - INFOGRAFIK
Weiterhin zweiklassig - Der Osten kann keine Demokratie?
Wie der Medienfrühling im Keim erstickt wurde
Von Mandy Tröger - GESPRÄCH
Zwischen Systemkritik und Regierungspraxis
Hat die LINKE im Osten eine Zukunft?
Mit Lena Saniye Güngör und Sören Pellmann - GESPRÄCH
Mehr als DDR-Erfahrung
Wie kann der Bezug auf Ost-Identität linke Politik inspirieren?
Mit Renate Hürtgen, Doris Liebscher und Katharina Warda - Neuseenland
Eine Fotodokumentation
Von René Zieger - Grüne Modernisierung – eine Chance für Ostdeutschland?
Von Klaus Dörre - Land am Rand
Solidarische Ökonomie statt neuer Gutsherrenschaft
Von Laura Boemke, Tine Haubner und Mike Laufenberg - GESPRÄCH
Abgehängt im Aufschwung
Arbeitskonflikte und Umbrüche in der ostdeutschen Peripherie
Mit Sarah Hinz und Stefan Schmalz - GESPRÄCH
Handfeste Partnerschaften
Was tun gegen die rechte Hegemonie?
Mit David Begrich und Oliver Preuss - Der Zukunft zugewandt
Wie regionale Projekte den Weg weisen - GESPRÄCH:
Ackerland gerecht verteilen
Warum Bodenpolitik uns alle angeht
Mit Gesine Langlotz - Ost-Feminismus 2.0
Eine Absage an Arbeitsfetisch und Leistungsdruck
Von Claudia Sprengel - GESPRÄCH
(P)Ost-migrantische Allianzen
Warum Antirassismus auch Beziehungsarbeit ist
Mit Trong Do Duc und Danilo Starosta - GESPRÄCH
Geht Arbeitskampf im Osten anders?
Mit Katja Barthold, Stefan Bornost und Boris Bojilov - Politik in der Ostkurve
Was Fußball mit Gramsci zu tun hat und warum die Linke auch das Stadion bespielen muss
Von Katharina Dahme und Paul Georgi - Ver-kümmert?
Was wir von der PDS lernen können
Von Lutz Brangsch und Judith Dellheim - WIEDERGELESEN
«Den Ring um die PDS sprengen»
Dieter Strützel als Vordenker einer Partei von unten - GESPRÄCH
Weiter so funktioniert nicht mehr
Wie kommt die LINKE in die Offensive?
Mit Isabelle Vandre - Anders als die anderen Parteien
Wie die LINKE in Leipzig den Aufbruch versucht
Von Marlen Borchard