Publication Staat / Demokratie - Rassismus / Neonazismus Tierrechts-Bewegung auf Abwegen

Standpunkte 21/2011 von Peter Bierl

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Standpunkte

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Peter Bierl,

Published

June 2011

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Ein Debattenbeitrag aus Anlass der fragwürdigen Ehrung
des Bioethikers Peter Singer durch die Giordano-Bruno-Stiftung

Peter Singer ist von der Giordano-Bruno-Stiftung (GBS) am 3. Juni in Frankfurt am Main ausgezeichnet worden. Der australische Bioethiker und die italienische Tierrechtlerin Paola Cavalieri erhielten zusammen den mit 10.000 Euro dotierten Ethik-Preis als Initiatoren des «Great Ape Project» und «für ihr engagiertes Eintreten für Tierrechte».1 Der Tierrechtler Colin Goldner fungierte als einer der Laudatoren. Als Singer Ende der 1980er Jahre nach Deutschland kommen wollte, protestierten Krüppel-Initiativen und AntifaschistInnen vehement dagegen, weil dieser die Tötung von Behinderten und Säuglingen gutheißt. Seine Veranstaltungen fielen der Proteste wegen reihenweise aus. Zeit für eine Rückschau aus aktuellem Anlass und als Beitrag zur Debatte über blinde Flecken und nach rechts offene Flanken der deutschen Linken.

Das «Great Ape Project» (GAP) engagiert sich für Orang-Utans, Gorillas, Bonobos und Schimpansen. In Brasilien hat die Organisation Tierheime für Schimpansen eingerichtet, die sich von Misshandlungen in Gefangenschaft erholen sollen. In der Öffentlichkeit wird die Initiative vor allem mit der Affenforscherin Jane Goodall verbunden, über die seit Herbst 2010 ein neuer Dokumentarfilm in den Kinos läuft. Der Einsatz für Affen ist an sich eine gute Sache, allerdings basiert und vertritt GAP darüber hinaus die Ideologie der so genannten Tierrechte. Demnach bestünden zwischen Menschen und «nicht menschlichen großen Primaten» keine wesentlichen Unterschiede, wie bereits der Titel des Buches «Equality beyond Humanity» nahelegt, das Cavalieri und Singer 1993 herausgegeben haben, um das Projekt zu initiieren.2 Die Haltung dieser Affen im Zirkus oder Zoo oder zu Unterhaltungszwecken würde der rassistisch begründeten Sklaverei des 19. Jahrhunderts ähneln. Den Affen sollten darum grundlegende Menschenrechte eingeräumt werden.

Mit dieser Gleichsetzung von Menschen und Tieren geht in der Tierrechtsszene die Abwertung von Menschen einher. Dafür ist Singer verantwortlich. Erst sein Buch «Animal Liberation » (1975) hat den Begriff Tierrechte populär gemacht und eine menschenfeindliche Radikalisierung in einem Teil der Tierschutz-Szene ausgelöst. Schon in diesem Werk befürwortet er Euthanasie und Menschenversuche. Sein Hauptwerk «Praktische Ethik» (1979) ist insofern nur eine Variation, die auf Interessen jener Kapitalfraktionen hinweist, die von Gen- und Reproduktionstechniken profitieren. Singer suggeriert grausame wissenschaftliche Experimente, als gäbe es keine Alternativen, und zeichnet geistig Behinderte, vor allem Säuglinge, als Negativfiguren. Die Weigerung, sie anstelle von Tieren zu töten, gilt ihm als «Speziesismus», eine Diskriminierung von Arten, die er mit Rassismus gleichsetzt.

Die Empörung über «Speziesismus» als Rassismus hat die Funktion einer Nebelkerze. Während Singer mit emanzipatorischem Gestus die Trennung zwischen Mensch und Tier ideologisch aufheben will, propagiert er eine Hierarchie von lebenswerten und lebensunwerten Menschen. Seine Thesen erinnern an den Juristen Karl Binding und den Psychiater Alfred Hoche. In dem berüchtigten Werk über «Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens» (1920) plädierte das Duo für die Tötung von Geisteskranken, von «leeren Menschenhülsen», die als «Ballastexistenzen» bloß Kosten verursachten.

Korrigierte Fassung vom 6. Juli 2011. Zum Standpunkt 21 hat sich Gunnar Schedel in hpd, Humanistischer Pressedienst geäußert (Meinung 30 Jun 2011 - 08:20 Nr. 11742). Siehe http://hpd.de/node/11742.