Publication International / Transnational - Krieg / Frieden Plädoyer für eine andere Iran-Politik

RLS-Standpunkte von Paul Schäfer und Jerry Sommer.

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Standpunkte

Author

Jerry Sommer,

Published

June 2010

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«Die US-Administration hat bei der Argumentation für einen Krieg wiederholt Geheimdienstinformationen als Fakten dargestellt, obwohl diese in Wirklichkeit unbelegt, widersprüchlich oder sogar nicht vorhanden waren. Die Folge war, dass das amerikanische Volk dazu gebracht wurde zu glauben, die Bedrohung durch den Iran sei viel größer als sie in Wirklichkeit war».
Jay Rockefeller, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses des US-Senates am 5. Juni 2008 bei der Veröffentlichung eines Untersuchungsberichtes über die Vorbereitung des Irak-Krieges.

Am 17. Mai legten Brasilien, die Türkei und Iran ein gemeinsames Abkommen über einen Aspekt des seit Jahren schwelenden Konflikts um das iranische Atomprogramm vor. Darin
erklärte sich der Iran bereit, 1.200 kg seines zu 3,5 Prozent leicht angereicherten Urans in die Türkei zu exportieren, wenn ihm dafür Brennstäbe für einen kleinen Teheraner Reaktor
geliefert würden, der Isotope für die Krebstherapie von circa einer Millionen Iranern herstellt.

Damit ist die Chance eröffnet, einen diplomatischen Ausweg aus dem Atomstreit zu beginnen. Denn der Vertrag entspricht zum großen Teil dem, was die USA, Russland und Frankreich vergangenen Oktober bei Gesprächen mit dem Iran gefordert haben. Allerdings haben die USA offensichtlich inzwischen ihre Meinung geändert und versuchen, dieses Abkommen klein- oder gar wegzureden. Stattdessen drängen sie auf neue UN-Sanktionen gegen den Iran und haben einen entsprechenden Entwurf im UN-Sicherheitsrat zirkuliert. Diesem Sanktions-Entwurf, der keine einschneidenden neuen Sanktionen beinhaltet, hatten zuvor auch China und Russland – ebenso wie Frankreich, Großbritannien und Deutschland – zugestimmt. Sollten neue Sanktionen beschlossen werden, was angesichts der Opposition von den UN-Sicherheitsratsmitgliedern Brasilien und Türkei und der unentschiedenen Haltung von Russland und China noch keineswegs sicher ist, und sollte der von der Türkei und Brasilien ausgehandelte Kompromiss nicht umgesetzt werden, droht eine Verschärfung der Spannungen um den Iran.

Die Verantwortung dafür läge zum großen Teil bei den USA. Denn trotz seiner Reden von «Verhandlungen ohne Vorbedingungen» und «in gegenseitigem Respekt» hat auch US-Präsident Obama, unterstützt vor allem von Großbritannien, Frankreich und Deutschland, keine grundsätzliche Wende gegenüber der Iran-Politik von George W. Bush vollzogen. Weiterhin wird versucht Maximalpositionen durchzusetzen, statt allseitig vereinbarungsfähige Kompromisse auszuloten. Das gilt sowohl in Bezug auf den Austausch von leicht angereichertem iranischem Uran gegen Brennstäbe für den Teheraner Forschungsreaktor als auch in Bezug auf die weit gewichtigere Frage der Urananreicherung im Iran generell. Stattdessen werden härtere Sanktionen diskutiert und durchzusetzen versucht – teils im UN-Sicherheitsrat, teils von «Koalitionen der Willigen» – und die militärische Option wird ausdrücklich auf dem Tisch gehalten. Die Befürworter eines solchen militärischen Angriffs schlagen wieder lauter auf ihre Trommeln. Es gab mit Obama eine andere Rhetorik, aber keine andere Politik. Für einen Weg aus der Sackgasse, in der der Streit um das Atomprogramm des Iran steckt, reicht das nicht. Die Fortsetzung der bisherigen Politik von Sanktionen und Drohungen mit Militärschlägen verlängert allerdings nicht nur die Ausweglosigkeit. Sie verschärft die Spannungen gegenüber dem Iran sowie im gesamten Nahen und Mittleren Osten. Sie droht damit gleichzeitig der demokratischen Opposition im Iran, die sich gegen Unterdrückung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit und staatliche Willkür ausspricht, zu schaden.

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