Publication International / Transnational - Krieg / Frieden - Westeuropa - Europa - Ukraine Unmöglich, zur Ukraine keine Meinung zu haben

Eine Krise als Wende- und Streitpunkt. Von Tiina Fahrni, Büro Moskau.

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Tiina Fahrni,

Published

November 2014

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 «Mit dem Referendum auf der Krim wurde ein Schlussstrich unter eine Epoche gezogen, die 25 Jahre angedauert hatte. Das schnelle Zerbröckeln der Sowjetunion bezeichnete das Ende der Träumereien von gleichberechtigter Annäherung und befruchtendem Ideenaustausch. Die Deutungshoheit über Wertvorstellungen und Regeln der internationalen Beziehungen ging an die Siegerseite.»/typo3/ Mit diesem Fazit erfasst Fjodor Lukjanov, Chefredakteur der Zeitschrift Russland in der globalen Politik, bereits im März 2014 das Ausmaß der Ukraine-Krise für Russland im internationalen Kontext. Einen weiteren Schlussstrich erblickt er in den Sanktionen des Westens: «Seit dem Ende des Kalten Krieges gründet der Dialog Russlands mit dem Westen, in erster Linie mit Europa, auf der Annahme, dass Russland früher oder später zu einer erweiterten ‹westlichen Gemeinschaft› gehören würde. Demzufolge wurde die Idee der strategischen Partnerschaft beibehalten, was die Unabdingbarkeit, wenn schon nicht aufrichtigen Vertrauens, so doch seiner Nachahmung, nämlich beidseitigen Stillschweigens, voraussetzte. Mit der Einführung der Sanktionen wurde darunter ein Schlussstrich gezogen».

Das Ausmaß der Geschehnisse, die Ende 2013 auf dem Platz der Unabhängigkeit in Kiew eingeläutet wurden, ist in Russland allgegenwärtig, ohne dass es genau bestimmt werden könnte. Über die Beziehungen Russlands zur EU oder gar den USA wird kein Wort geschrieben, in dem nicht das Bewusstsein einer grundlegenden Veränderung mitschwingt. Die Entwicklungen auf dem Gebiet der Ukraine selbst werden mit großer Besorgnis verfolgt. Georgij Bovt bezeichnet das Geschehen im Südosten als hybriden Krieg, dessen Ziele unklar seien: «Der hybride Krieg ist lediglich im Vergleich zum offenen Krieg gut, kann aber auch nicht lange andauern. Schlecht ist er, weil es keinen Plan gibt, wie er beendet werden kann, da es von Beginn an keine klar umrissenen und, vor allem, bewussten Ziele gab. Wie sieht denn ein ‹Sieg› aus in diesem seltsamen Krieg? Die taktischen Ziele verändern sich ständig. Moskau, das sich nach wie vor nicht zur unmittelbaren Beteiligung bekennt, hat seine Wünsche schwammig formuliert: Die Autonomie der östlichen Regionen und (stillschweigend) Blockfreiheit für die Ukraine. Betreffend die Ukraine wird kein ‹großer Deal› angestrebt oder vom Westen vorgeschlagen. Auch da ist es mit der Zielsetzung nicht weit her: Eine Rückkehr zur Situation von 2013 ist illusorisch. Während Bereitschaft signalisiert wird, über die Berücksichtigung der Interessen Russlands beim EU-Ukraine-Assoziationsabkommen zumindest zu reden, hört man aus Brüssel zustimmende Kommentare zu einer ukrainischen NATO-Beitrittsperspektive – auch diese Variante komme nun mal in Frage. Es gibt zwar Lippenbekenntnisse zu Russlands Interessen, aber niemand bereitet ein neues Jalta vor.»

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