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Zur 38. Ordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen Mitte November 2014 in Hamburg. Von Jochen Weichold.

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Jochen Weichold,

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November 2014

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Die Bundestagswahl 2017 wirft längst ihre Schatten voraus. Obwohl bis dahin noch rund drei Jahre ins Land gehen werden, spielte die Frage, wie sich Die Grünen für dieses Ereignis am günstigsten aufstellen können, sowohl offen als auch unterschwellig auf der jüngsten Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) der Öko-Partei in Hamburg eine wichtige Rolle. Seit der Niederlage der Grünen bei der Bundestagswahl 2013 wird eine Debatte über eine Neuausrichtung der Grünen geführt, die bis heute nicht entschieden ist und bei der es im Kern darum geht, ob sich Die Grünen eher sozial (und damit links) verorten und sich im Interesse von Energiewende und Ökologie, Gerechtigkeit und einer modernen Gesellschaft für die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums engagieren oder ob sie sich «wirtschaftsnah» orientieren und dem konservativen Lager annähern sollten, an das sie schon seit ihrer Gründung mit ihren Nachhaltigkeits- und Erhaltungsgedanken anschlussfähig sind.

In diesem Kontext war ein Antrag, den der Grünen-Fraktionschef im Hessischen Landtag, Mathias Wagner, mit prominenter Unterstützung aus dem Realo-Lager (darunter Tarek Al-Wazir, Priska Hinz, Anja Hajduk, Dieter Janecek und Tom Koenigs) eingebracht hatte, als Kampfansage an die Parteiführung, vor allem aber an die Parteilinke, zu verstehen. Das Papier wollte den Kurs für eine «Regierungsbeteiligung 2017» vorgeben und forderte, die Partei müsse «endlich die Angst davor verlieren, in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein». Manchen Mitgliedern der Grünen falle es bis heute schwer, «aus dem Kampfmodus gegen die Gesellschaft herauszukommen». Und: «Mancher scheint regelrecht Angst davor zu haben, mit den eigenen Positionen in der Gesellschaft mehrheitsfähig zu sein.» Die Grünen sollten mit dem Dreiklang «ökologisch, gerecht und frei» die inhaltliche Arbeit für den Regierungswechsel 2017 intensivieren. Ganz nebenbei entsorgte der Antrag damit die Essentials «basisdemokratisch», «sozial» und «gewaltfrei» aus dem grünen Gründungskonsens.

Der Realo-Antrag rief sofort einen als Änderungsantrag deklarierten Gegenantrag hervor, der den gesamten ursprünglichen Text durch einen neuen ersetzen wollte. Aber wie bei den rund 600 anderen Anträgen und Änderungsanträgen zu den verschiedenen Tagesordnungspunkten der BDK, die in den Antragstellertreffen von der Parteitagsregie vor allem durch Übernahmen, modifizierte Übernahmen und Kompromisse zumeist zusammengeführt werden konnten, gelang es auch in diesem Fall, die konträren Anträge zu einem neuen Papier zu vereinen, das auf Verbal-Injurien verzichtet und den Blick nach vorn richten will. Betont wird nun im beschlossenen Papier «Grüner Aufbruch 2017: Eigenständig und auf Grundlage unserer Werte», dass Die Grünen Politik und Gesellschaft aktiv mitgestalten wollen. Zwar könne man auch im Rahmen der Opposition in einem gewissen Maße die Dinge zum Besseren verändern, doch funktioniere das politische Gestalten deutlich besser durch Regieren. «Darum wollen wir spätestens ab 2017 auf Bundesebene wieder mitregieren.»

Schwerpunkte der 38. BDK der Grünen, die vom 21. bis zum 23. November 2014 in der Hansestadt tagte, waren die Debatten zu «Freiheit und Selbstbestimmung» und zu einer «Europäischen Friedensordnung». Die Delegierten befassten sich unter dem Motto «Mehr Biss. Grün» zudem mit der Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik der Partei (Stichwort: Agrarwende), mit der Klimapolitik, mit dem Schacht Konrad, mit der Flüchtlingspolitik sowie mit Fragen der Inklusion und beschlossen den Haushalt der Partei und Satzungsänderungen. Schließlich widmeten sich die Basisvertreter an Hand der Studie «Die Grünen und die Pädosexualität» des Göttinger Instituts für Demokratieforschung der Aufarbeitung eines dunklen Kapitels ihrer Parteigeschichte.

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