Zweifelsohne gehören Asyl und Flucht zu den umstrittensten Themen der letzten Jahre. Egal ob es um «alarmierende Asylantragszahlen» oder den «Ansturm von Armutsflüchtlingen» nach Deutschland geht, ausgelöst werden damit an vielen Orten rassistische Debatten und Praktiken, die an die «Asyldebatte» zu Beginn der 1990er Jahre erinnern. «Besorgte Bürger» füllen Straßen und Plätze – zum Teil Hand in Hand mit Neonazis und anderen Vertreter/-innen offen rechter und populistischer Ideologien –, machen mobil und hetzen gegen den Einzug von Asylsuchenden und Geduldeten in ihre Kommunen. Politiker/-innen heizen die Debatte, und wieder geht es nicht um die grausame Dimension von Rassismus, sondern um deutsche Befindlichkeiten. Der Alltagsdiskurs ist mit rassistischen Bildern, Codes und Sprechweisen überladen. Es wird diskutiert, wie man sich vor dem «Ansturm von Balkanflüchtlingen» retten und den eigenen Wohlstand sichern kann. Mit Blick auf die PEGIDA-Aufmärsche in Sachsen erklärte der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich: «Ich glaube, dass wir in der Vergangenheit mit der Frage nach der Identität unseres Volkes und unserer Nation zu leichtfertig umgegangen sind. Auch andere Politiker/-innen äußerten Verständnis für derlei Bündniskonstellationen und biederten sich ihnen an wie der aktuelle Bundesinnenminister Thomas de Maziere (CDU): «Unter denjenigen, die da teilnehmen, gibt es doch ganz schön viele, die bringen ihre Sorgen zum Ausdruck vor den Herausforderungen unserer Zeit» . Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) – der in Freital und Heidenau auf ganzer Linie versagte - warnte vor einer Stigmatisierung der Anhänger der Bewegung und sprach sich für Dialog aus.
Dieser dynamische Prozess, der vielerorts als Zusammenspiel von Medien, Politik, Verwaltung und rechten sowie populistischen Akteuren betrachtet werden kann, entsteht nicht im politischen Vakuum, sondern ist in einer Reihe rassistischer Kontinuitäten zu begreifen, der seinen Ursprung spätestens in der sogenannten Asyldebatte der 1980er Jahre nahm. Insbesondere nach dem Mauerfall und der sogenannten Wiedervereinigung verging kein Tag ohne rassistische Übergriffe oder Anschläge auf Menschen, die nicht als Teil dieser Gesellschaft verstanden wurden. Unvergessen bleiben die Pogrome in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mannheim-Schönau, die Brandanschläge in Mölln und Solingen sowie unzählige weitere Ausschreitungen, Exzesse und Attacken, die die «deutschen Zustände», so lautete ein Chiffre der Kritiker/-innen, definieren, und in der Summe ein ungeheures Bild vom rassistisch geprägten Alltag im «wiedervereinten» Deutschland präsentieren. Umso hässlicher die aktuellen O-Töne von politischer Seite, welche die sogenannte «Leitkulturdebatte» reaktivieren, von plötzlichen Ängsten «besorgter Bürger» jammern und damit die unwürdige Situation für viele Fluchtsuchende weiterhin politisch aufladen und somit neonazistischem Terror Tür und Tor öffnen. Warum das Thema «Asyl» mindestens seit 2011 wieder Konjunktur hat und hochpolitisch diskutiert wird – von der europäischen bis zur kommunalen Ebene – lässt sich anhand unterschiedlicher Faktoren erklären. Einer und gleichwohl der wichtigste davon heißt Rassismus. Darüber zu diskutieren warum Asylsuchende zur Projektionsfläche für gesellschaftliche Krisen herhalten müssen, ist die dringende Voraussetzung, wollen wir etwas daran ändern.