Städte sind Schauplätze sozialer Auseinandersetzungen – dies wird heute, angesichts weiter wachsender sozialer Ungleichheit, besonders sichtbar. Doch trotz seiner spektakulären Fehlschläge, die in der Finanzkrise von 2007/08 gipfelten, regiert der Neoliberalismus unangefochten weiter. In diesem Kontext gilt Austeritätspolitik – laut David Harvey ein neues Kapitel in der „Akkumulation durch Enteignung“ – als das Gebot der Stunde. Während viele Beobachter den „Gridlock” – den legislativen Stillstand – in Washington, D.C. diskutieren, finden die Folgen und Formen der Austerität auf kommunaler Ebene vergleichsweise wenig Beachtung.
In dieser Studie analysiert Jamie Peck, Professor für Geographie an der University of British Columbia in Kanada, wie der Neoliberalismus seit der Großen Rezession seinen Zugriff auf die Städte verstärkt hat – ein Phänomen, das er als „urbane Austerität” bezeichnet. Aufgrund der räumlichen Konzentration von gewerkschaftlichen Organisationen, Afroamerikanern und anderen People of Color, von armen Menschen und liberalen Wählern sind Städte bevorzugte – und zugleich besonders verwundbare – Ziele für die Implementierung von Austeritätsmaßnahmen. Städtische Verwaltungen kürzen soziale Dienstleistungen und die Löhne von Beschäftigten des öffentlichen Sektors, stutzen Schulhaushalte und reduzieren den Bestand an Sozialwohnungen. Gleichzeitig privatisieren sie wesentliche Versorgungsbereiche der Stadt und subventionieren private Anleger. Einige Stadtverwaltungen mit unternehmerischen Neigungen begrüßen diese Schritte, doch den meisten bleibt schlicht keine Wahl angesichts der Haushaltszwänge, die von Regierungsvertretern in Washington, D.C., und in den Bundestaaten geschaffen und an die kommunale Ebene durchgereicht werden. Damit bleibt letztlich jede Stadt und jede Gemeinde sich selbst überlassen. Und während einige Städte in der Lage sind, sich den Sparzwängen anzupassen und die Welle an Privatisierungen ohne Kollaps zu überstehen, gehen andere Städte – wie im letzten Jahr Detroit – unter.
Trotzdem ist die gegenwärtige Situation in US-Städten für linke Politik keineswegs völlig düster. Denn Städte werden erneut zum Nährboden für progressive Kampagnen – von Basisorganisationen und Bewegungen bis hin zum wahlpolitischen Engagement. Auch Occupy Wall Street war eine urbane Bewegung, die ähnliche Ausformungen in zahlreichen Städten überall in den Vereinigten Staaten und anderswo inspirierte. An vielen Orten kämpfen Right-to-the-City-Initiativen gegen die Flut von Zwangsvollstreckungen, Zwangsräumungen und steigenden Mieten. Viele linke Bewegungen haben sich zuletzt auf die Stadtpolitik konzentriert und den Weg für progressive Bürgermeister bereitet – in New York City, Boston und Minneapolis, um nur einige zu nennen. Diese Städte erleben soziale Verbesserungen, wie beispielsweise Mindestlohnerhöhungen, Ausweise für Papierlose, Rechtsschutz für Hausangestellte, bezahlte Krankheitstage, Kleinkindbetreuung und mehr. Während Städte also zunehmend Angriffspunkte für Austeritätspolitik werden, zeigt sich gleichzeitig, dass der Kampf gegen Austerität und für progressive Politik gerade erst richtig beginnt.
Mieten- und Stadtpolitik sind ein Schwerpunkt unserer Arbeit als New Yorker Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Mit dieser Studie schlagen wir in neues Kapitel auf und beginnen, neben unseren anderen Publikationen, eine diesem Thema gewidmete Publikationsreihe: die „City Series”.
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Eine Publikation der Rosa-Luxemburg-Stiftung New York Office.