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Rio de Janeiro: Umsiedlungen, Militarisierung und Proteste - Remoções, militarização e protestos

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June 2016

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Fotografie bietet visuellen Zugang, flüchtige Momentaufnahmen der Realität. Sie zeigt Ausschnitte und eröffnet Perspektiven. Dieses Fotobuch versteht sich daher auch als eine Aufforderung zum Hinsehen, zur Auseinandersetzung mit dem Abgebildeten, und demnach konsequent als Einladung zur Diskussion. Fotografien sollen keine Wahrheiten transportieren, sie sind künstlerische und formierte Eindrücke der Realität und gerade in dieser Form geeignet, die Betrachtenden zum Nachdenken anzuregen.

Die hier zusammengestellten Bilder zeigen eindrückliche Momente der aktuellen Auseinandersetzungen um Wohnraum, Verdrängung und Teilhabe an der Stadtentwicklung in Rio de Janeiro – sie zeigen Gewalt in vielen Facetten. Gleichzeitig sind die Bilder ästhetische Kompositionen; Form und Inhalt driften auseinander, ergänzen sich und stehen sich doch scheinbar unvermittelbar gegenüber. Gerade dieses Auseinanderdriften der Wahrnehmungsebenen erleichtert den emotionalen Zugang. Es bewirkt, dass man sich den Bildern kaum entziehen kann und doch ständig wegsehen will.

Mit den Arbeiten der Fotograf*innen in Rio de Janeiro kamen wir bereits 2013 in Kontakt. Sie fesselten und berührten uns derart, dass wir sie auch in unserem Umfeld zugänglich und sichtbar machen wollten. Gerade in Zeiten der Fußballweltmeisterschaft und der Olympischen Spiele erlangt Rio de Janeiro internationale Aufmerksamkeit, wenn auch oft unter sportlichen Vorzeichen. Daher war uns stets das Aufzeigen verschiedener Perspektiven wichtig, was ebenso mit der Möglichkeit der unterschiedlichen Interpretation des Wahrgenommenen einhergeht. Dafür muss man sie allerdings zunächst einmal zu Gesicht bekommen. Insbesondere in Deutschland verschwinden die hier vereinten Aspekte städtischer Auseinandersetzung vielfach hinter Zuckerhut und Caipirinha. Konnte vor der Fußballweltmeisterschaft zumindest noch davon ausgegangen werden, dass das Publikum von den Protesten in Brasilien Kenntnis hatte, so verloren sich die kritischen Momente im kollektiven Freudentaumel des sportlichen Wettbewerbs. Die Verlierer*innen der Spiele, diejenigen, die die Langzeitfolgen der Events tragen müssen, wurden aus der öffentlichen Wahrnehmung verbannt.

Auch dagegen positionieren sich die Fotografien dieses Bandes. Sie zeichnen keine reinen Gegensatzpaare, keine unvereinbare Dichotomie – stattdessen wird die Stadt in ihrer Gesamtheit betrachtet. Und doch verweisen die Fotos auf die Widersprüche und Kontraste, in letzter Konsequenz also auf unterschiedliche Aspekte kapitalistischer Stadtnutzung.

Umso wichtiger ist es, auf den globalen Kontext zu verweisen und die Konflikte als Kulminationspunkt schwelender Auseinandersetzungen innerhalb des städtischen Lebensraums zu verstehen, der überall auf der Welt existiert – und mit ihm die Konflikte um Partizipation.

Daher sind die Bilder nicht nur rein brasilianische Momentaufnahmen, sondern ebenso Anknüpfungspunkte für eine universale Kritik an den bestehenden Verhältnissen über alle Staatsgrenzen hinaus. Dieser Bildband fungiert deshalb als Brücke im doppelten Sinne. Soll er doch sowohl dem brasilianischen als auch dem deutschsprachigen Publikum einen Blick hinter die Kulissen eröffnen und zugleich eine weiterführende Diskussion des Gezeigten ermöglichen.

In diesem Sinne verstehen wir unser Fotobuch auch als Plädoyer für eine Auseinandersetzung mit der kapitalistischen Verwertungslogik und all ihren Implikationen. Das Hängenbleiben an einem Bild, der vielleicht eintretende Irritationsmoment und damit das Ausbrechen aus der alltäglichen Sehgewohnheit bieten hierfür einen wunderbaren Ausgangspunkt.


Ein Projekt der Gruppe OXIS mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
www.oxis.blogsport.eu
oxis.bonn@gmail.com

Veröffentlicht unter einer CC BY-NC-ND Lizenz .