Publication Parteien / Wahlanalysen - Rassismus / Neonazismus Die extreme Rechte bei den Landtagswahlen vom 30. August 2009

Eine Auswertung der Ergebnisse rechtsextremer Parteien. Von Dr. Gerd Wiegel und Fritz Burschel

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Friedrich Burschel,

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September 2009

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Dr. Gerd Wiegel, Ref. Rechtsextremismus/Antifaschismus, Bundestagsfraktion DIE LINKE

Fritz Burschel, Ref. Rechtsextremismus/Antisemitismus bzw. Antifaschismus, Rosa-Luxemburg-Stiftung


Mit dem Widereinzug in den Sächsischen Landtag hat die NPD ihr Minimalziel erreicht, wenngleich das knappe Scheitern in Thüringen und das desaströse Ergebnis im Saarland deutliche Dämpfer für die Ambitionen der Nazis sind. Als „Schritt in die richtige Richtung, dem jetzt weitere folgen müssen“ bezeichnet Parteichef Udo Voigt das Ergebnis der Landtagswahlen für die NPD. Aber der gequälte Ton der Stellungnahmen zeigt, dass sich die NPD mehr ausgerechnet hatte für den 30. August. Dabei sind die Zahlen aus antifaschistischer Sicht erschreckend genug: Mit 5,6 Prozent gelang der NPD der Wiedereinzug in Sachsen, mit 4,3 Prozent scheiterte die Partei in Thüringen nur knapp und selbst die enttäuschenden 1,5 Prozent im Saarland reichen immer noch für eine weitere Finanzspritze durch die Wahlkampfkostenerstattung. Dennoch und trotz des historischen Wiedereinzugs in Sachsen (der DVU gelang dies bereits in Brandenburg und Bremerhaven) – die Wahlen vom 30. August waren keine reine Erfolgsgeschichte für die extreme Rechte: Schwere Verluste in Sachsen, schwere Verluste im Saarland und keine signifikante Steigerung des WählerInnenpotenzials in Thüringen, vergleicht man das Ergebnis mit dem Bundestagswahlergebnis 2005 der NPD in Thüringen. Vor dem Hintergrund eines kaum steigerungsfähigen materiellen Einsatzes in Sachsen und Thüringen scheint die NPD ohne thematische Hilfe (Hartz IV vor fünf Jahren) an die augenblickliche Grenze ihres WählerInnenpotenzials gestoßen zu sein. Abzuwarten bleibt, welche strategischen Schlussfolgerungen die Partei aus den Ergebnissen ziehen wird.

2009

2004

Sachsen

5,6 %

9,2 %

Thüringen

4,3 %

1,6 %

Saarland

1,5 %

4,0 %

 

Sachsen

Bei den Kommunalwahlen im Juni 2009 kam die NPD landesweit auf ein Ergebnis von 2,3 Prozent, war allerdings nicht in allen Wahlkreisen angetreten. Dennoch konnte sie ihre kommunale Basis (2004 = 26 Mandate, 2009 = 73 Mandate) deutlich ausbauen. Von dieser Basis ausgehend setzte die Partei alles daran, den Erfolg von 2004 zu bestätigen und den Wiedereinzug in den Landtag zu schaffen. Mit einer wahren Materialschlacht zeigte die NPD dabei eine Präsenz im Land, die alle anderen Parteien übertraf. Vor diesem Hintergrund ist mit dem Ergebnis von 5,6 Prozent tatsächlich nur das Minimalziel erreicht worden. Das Ergebnis von 2004 mit 9,2 Prozent ist für die NPD in weite Ferne gerückt und ihre Stimmenzahl hat sich von 190 Tsd. auf gut 100 Tsd. fast halbiert. Schwerpunktregionen der NPD sind nach wie vor im ländlichen Bereich auszumachen, so in der Sächsischen Schweiz mit 10,1 Prozent oder dem Wahlkreis Riesa-Großenhain mit 8,8 Prozent. Gerade in diesen Gebieten mussten mit 5 Prozent und mehr aber auch die größten Verluste hingenommen werden.

Gab es zur Landtagswahl 2004 mit der gesellschaftspolitischen Debatte um die Hartz IV-Gesetze ein eindeutiges Mobilisierungsthema für die Nazis, so war das bei dieser Wahl nicht der Fall. Die thematische Ausrichtung der NPD auf die rassistische Lösung der sozialen Frage und den Appell an „Volksgemeinschaft“ und Nation ist an ihre Plakatierung ablesbar, die auf  alt bewährtes setzte: „Heimreise statt Einreise“, „Arbeit für Deutsche“, „Kriminelle Ausländer raus“, „Lohndrücker stoppen“ aber auch „Volksgesundheit statt Ärztemangel“, „Kinder, Heimat, Vaterland“. Dazu immer wieder „Wehrt euch: NPD“. Sieht man sich an, wen die NPD mit diesen Parolen erreicht hat, dann zeigen sich die seit langem bekannten Muster.

Weit überdurchschnittlich wurde die NPD von jungen WählerInnen gewählt: 15 Prozent der 18-24 jährigen machten ihr Kreuz bei den Nazis (bei den ErstwählerInnen kam sie ebenfalls auf 15 Prozent), 9 Prozent der 25-34 jährigen und noch überdurchschnittliche 7 Prozent der 35-44 jährigen. Während die NPD bei Frauen auf einen Anteil von 4 Prozent kommt, sind es bei Männern 8. Aufgeschlüsselt nach sozialen Kriterien erzielte die NPD ihr bestes Ergebnis bei Arbeitslosen mit 13 Prozent (DIE LINKE liegt hier mit 33 Prozent vor allen anderen), gefolgt von ArbeiterInnen mit 10 Prozent (LINKE 18 Prozent und Platz 2; CDU = 40 Prozent). Interessant auch die Wanderungsbewegungen bei der NPD: Während die NPD an SPD und LINKE marginal (je 3.000) Stimmen abgab und an die Grünen nichts, gingen 11.000 Wähler zur CDU und 15.000 zur FDP. Den größten Verlust verzeichnete die NPD zu den Nichtwählern (39.000).

Das für NPD-WählerInnen wahlentscheidende Thema „Integrationspolitik“ (43 Prozent Nennungen) zeigt, dass der rassistische Ansatz der Partei genau die Bedürfnisse ihrer WählerInnen trifft. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei den 5,6 Prozent hauptsächlich um ideologische Überzeugungswähler handelt, die NPD somit ein Stammwählerpotenzial in Sachsen hat, das ihr das parlamentarische Überleben ermöglicht. Vor dem Hintergrund der sehr jungen Wählerschaft dürfte es sich um ein langfristiges Problem handeln.

 

Thüringen

In Thüringen hatte sich die NPD realistische Hoffnungen auf den Einzug in ein drittes Landesparlament gemacht. Heftige interne Streitigkeiten hatten diese Aussichten jedoch getrübt (der Erfurter Ex-NPDler Kai-Uwe Trinkaus ist nach zerstörerischen Intrigen schließlich zur DVU gewechselt, Kameradschaftsführer Wohlleben in Jena gar nicht erst zur Wahl angetreten und widmet sich dem Knüpfen eines „Freien Netzes“) und auch das Kommunalwahlergebnis vom Juni 2009 war kein guter Startschuss für den Landtagswahlkampf. Mit 4,3 Prozent und 45.401 Stimmen konnte die NPD zwar ihr Landtagswahlergebnis von 2004 um 2,7 Prozent steigern. Überraschend liegt die NPD mit einem Gesamtergebnis ihrer DirektkandidatInnen von 4,5 % sogar noch über dem Listenergebnis. Bedenkt man jedoch, dass die NPD bei den Bundestagswahlen 2005 in Thüringen 3,7 Prozent bei einer weit höheren Wahlbeteiligung erreichte, ist es ihr nicht gelungen, ihr Potenzial voll zu entfalten (damals kam die NPD absolut auf knapp 53 Tsd. Stimmen, d.h. also fast 8000 Stimmen mehr). Mit den Reps hatte die NPD in Thüringen eine der „großen“ Wahlparteien der extremen Rechten zur Konkurrenz. Jedoch, auch wenn man die 0,4 Prozent der Reps zum NPD-Ergebnis hinzurechnet, hätte es nicht für einen Einzug in den Landtag gereicht. Überdurchschnittliche Ergebnisse konnte die NPD in Saalfeld-Rudolstadt (6,2 Prozent), im Wartburgkreis (6 Prozent) oder auch im Weimarer Land (5,6 Prozent) erreichen.

Der NPD-Wahlkampf in Thüringen erreichte bundesweite Aufmerksamkeit durch eine rassistische Kampagne gegen einen schwarzen CDU-Politiker aus Hildburghausen, der jedoch nur den generell rassistischen Politikansatz der Partei auf den Punkt brachte. Die Einbindung von Nazikadern und die besondere Nähe der Thüringer-NPD zur gewaltbereiten Kameradschaftsszene waren für 4,3 Prozent der WählerInnen offensichtlich kein Hinderungsgrund, diese Partei zu wählen. Im Gegenteil, wie die frisch gebackene LINKE-MdL Martina Renner berichtet: „Die NPD verzichtete im Wahlkampf nicht auf ein taktisches Zurückfahren gewalttätiger und aggressiver Aktionen. Die Presse berichtete ausführlich über Attacken auf Wahlhelfer der LINKEN, über antisemitische Schmierereien auf Wahlplakaten demokratischer Parteien, Störungen von Veranstaltungen etc. Die NPD konnte nicht ungebrochen an ihr biederes Image anschließen, das sie sich z.B. bei der Kommunalwahl gegeben hatte.“

Renner macht auch enorme zivilgesellschaftliche Anstrengungen dafür verantwortlich, dass die NPD den Sprung ins Landesparlament schließlich doch nicht schaffte: „Gerade in den letzten beiden Wochen vor der Wahl gab es massive Aktivitäten (…) gegen die NPD und ihren Wahlkampf. So rief die Thüringer Allgemeine (TA) jeden Tag mit einem ganzseitigen Cover zum Wahlgang auf und warnte vor einem Einzug der NPD, die Thüringische Landeszeitung (TLZ) und ihr Ostthüringen-Ableger OTZ setzten sich inhaltlich mit der NPD auseinander, die Bürgermeister aus Eisenach und Weimar ließen NPD-Plakate abhängen, es gab an vielen Orten Kundgebungen gegen NPD-Wahlveranstaltungen mit vielfältigen Aktionen (z.B. braune Mülltonnen zum Einsammeln der NPD-Propaganda). Gebündelt wurden diese Aktionen durch die Kampagne ‚Deine Stimme gegen Nazis’, an der sich außer der CDU und FDP alle demokratischen Parteien, die Gewerkschaften, Kirchen, großen Verbänden wie Landessportbund oder IHK beteiligt haben.“

Beim Blick auf die WählerInnenstruktur der NPD in Thüringen zeigen sich weitgehende Übereinstimmungen mit der Analyse in Sachsen: 3 Prozent Frauen und 7 Prozent Männer wählten die NPD; bei den 18-24 jährigen kam sie auf 13 Prozent (ErstwählerInnen 14 Prozent), und auch die 25-34 jährigen (= 9 Prozent) so wie die 35-44 jährigen (= 7 Prozent) stimmten überdurchschnittlich für die NPD. Arbeitslos wählten zu 10 Prozent NPD (LINKE = 33, Platz 1), Arbeiter votierten zu 8 Prozent für die Nazis (LINKE = 29 Prozent, Platz 2, CDU = 32 Prozent).

In Thüringen zeigt sich, dass die NPD trotz eines zerstrittenen Landesverbandes und offen rassistischer Propaganda dem Einzug in den Landtag sehr nahe gekommen ist. Auch hier ist, angesichts eines fehlenden aktuellen Protest- oder Mobilisierungsthemas für die NPD von einer Stammwählerschaft auszugehen, die genau wie in Sachsen vor allem männlich und jung ist und so  zum „nachwachsenden“ Dauerproblem und zur Stammwählerschaft der Nazi-Partei werden könnte.

Saarland

Im Saarland hatte die NPD bei den Landtagswahlen 2004 ein wenig beachtetes aber überraschend starkes Ergebnis von 4 Prozent geholt. Dennoch waren die Erwartungen und dementsprechend auch der materielle Einsatz diesmal eher gering. Insofern sind die 1,5 Prozent der Stimmen für die NPD ein herber Rückschlag aber keine Überraschung. Erreichte sie 2004 noch 17.590 Stimmen, so waren es diesmal nur 8.099. Schon das Kommunalwahlergebnis vom Juni mit 0,5 Prozent (2004 = 1,2 Prozent) deutete diese Niederlage an. Verloren hat die NPD zudem am deutlichsten in ihren Hochburgen: So konnte die Partei bei den Kommunalwahlen in Völklingen noch 4,6 Prozent erzielen und bei den letzten Landtagswahlen 2004 sogar 9,7 Prozent. Jetzt fuhr sie hier ein Ergebnis von 2,2 Prozent ein. Ein Blick auf DIE LINKE deutet an, wo die Stimmen hingegangen sind: Diese wurde in Völklingen, einer traditionellen Arbeiterstadt, mit 29,6 Prozent zu stärksten Fraktion. Auch die Wählerwanderungen zeigen, dass die NPD vor allem an DIE LINKE abgegeben hat (5.000 Stimmen) und erstaunlicherweise – ähnlich wie in Sachsen – an die FDP (3.000 Stimmen). Sehr viel stärker als es noch in Ostdeutschland der Fall ist, scheint DIE LINKE im Westen eine wirksame Barriere gegen die Wahl der extremen Rechten zu sein.

Wie in Sachsen und Thüringen war die NPD auch im Saarland überdurchschnittlich erfolgreich bei jüngeren Menschen (18-24 jährige = 5 Prozent; 25-34 jährige = 4 Prozent, Erstwähler = 5 Prozent). Bei Arbeitslosen und Arbeitern konnte sie jedoch nur wenig überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen, was sicherlich mit der oben genannten Barriere durch DIE LINKE zu tun hat.

Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen

Irgendwie eingeklemmt zwischen Europawahl und den Kommunalwahlen in sieben anderen Bundesländern sowie der Bundestagswahl fanden am Sonntag, 30.8.09, neben den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Saarland noch die Kommunalwahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) statt. Für neonazistische Parteien war es kein großer Tag und auch z.T. deutliche Zugewinne der rechtspopulistischen „Bürgerbewegung Pro Köln“ und ihres Landesverbandes „Pro NRW“ sind bei aller Abscheu keine Überraschung. Der Vorsitzende Markus Beisicht jubelt in deutlichen Worten: „Pro Köln und Pro NRW haben sich in Nordrhein-Westfalen regelrecht festgebissen. Mit der Pro-Bewegung ist damit ein neues erfolgreiches rechtspopulistisches Politikmodell (…)  in der politischen Landschaft Deutschlands fest verankert.“ Im Kölner Stadtrat sitzen künftig – nach Zugewinn von 0,7 % (= 3437 Stimmen) 5 Vertreter von „Pro Köln“. Damit konnte die Pro-Bewegung landesweit 46 kommunale Mandate erringen: In den kreisfreien Städten erlangte die – wie sie sich selbst nennt – „nonkonforme Bürgerbewegung“ neben Köln ( 5 Sitze) in Gelsenkirchen (3), in Leverkusen (3) und in Bonn (1) Sitze in Stadträten. In den kreisangehörigen Städten ist sie in Bergheim (3), Dormagen (2), Radevormwald (2), Leichlingen (1) und Lemgo (1) im Stadtrat vertreten. In den Kreistagen sitzen „Pro“-Aktivisten im Rhein-Erft-Kreis (2), im Rheinisch-Bergischen Kreis (1), im Oberbergischen Kreis (1) und im Rheinkreis Neuss (1). Ihre Rekordstimmenzahl erzielte die Bewegung in Bergheim mit 6,6 %.

Dennoch, auch wenn sie damit weit hinter ihrem Ziel flächendeckende Präsenz zu erreichen zurückgeblieben  ist, ein Anfang ist gemacht und der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Alexander Häusler fasst seine Einschätzung der Pro-Populisten folgendermaßen zusammen: „Es bleibt nun abzuwarten, ob die ‚Pro’-Bewegung diese Ausgangslage zum weiteren Ausbau ihrer Struktur in NRW nutzen kann, um ihr Ziel, einen erfolgreichen Antritt zu den Landtagswahlen im kommenden Jahr, zu erreichen, oder ob der weitere Ausbau an inneren Zerwürfnissen und fehlenden personellen Kapazitäten scheitert und das Projekt ‚pro NRW’ implodiert.“

So schnell nicht implodieren dürfte jedoch der Kölner Nukleus dieser Bewegung, „Pro Köln“. In ihrem Bulletin „Lokalberichte“ (Nr. 18, 4.9.09) zitiert die Kölner LINKE, die anders als die Grünen trotz 1,8 Prozent Zugewinn (= 7601 Stimmen) nicht zum erträumten Höhenflug ansetzen konnte, den  verdutzten Soziologie-Professor Jürgen Friedrichs von der Uni Köln, dem zum weiteren Erstarken von „Pro Köln“ nur mögliche „Fehler bei der Stimmauszählung“ einfielen. Außerdem stellt sie in ihrer Wahlauswertung fest, dass „Pro“ vor allem in „sozial schwachen“ Stadtvierteln und im Stadtteil Ehrenfeld, wo die Moschee gebaut wird, erfolgreich war. „Der Pro-Bewegung ist es gelungen, mit dem Angst-Thema ‚Islam’ zu punkten. Dabei orientiert sie sich an den Kampagnen europäischer  Rechtsaußen-Parteien, die darin ein Erfolgsrezept für ihre Propaganda sehen. Muslime werden dabei unter Fundamentalismusverdacht gestellt und als potentielle Bedrohung dargestellt.“

Die NPD jedenfalls konnte sich diesmal noch nicht wie gewünscht in NRW kommunal festsetzen. Von den angekündigten 100 Kommunalmandaten blieb sie weit entfernt: rund ein Viertel hat sie erreicht; zählt man die Mandate der anderen extrem rechten Gruppierungen und Parteien (DVU, Republikaner) dazu, leppert sich das auf 49 kommunale Sitze, 13 mehr als bei der Kommunalwahl 2004. Ein Durchbruch ist das nicht, allenfalls die Aussaat dessen, was mal „Graswurzelbewegung“ werden soll. Inwieweit einem rechtsextremen Wahlerfolg das gute Abschneiden der Pro-Gruppierungen entgegenstand, muss erst noch eine genaue Analyse der Ergebnisse und Wählerwanderungen ergeben, um zu sehen, welche Schnittmengen die Rechtsextremen mit den Rechtspopulisten haben oder ob es sich um eine völlig getrennte Klientel handelt.

 

Schlussfolgerungen

Im Frühjahr wurde anlässlich der vermeintlichen Flügelstreitigkeiten beim NPD-Parteitag der NPD und dem versuchten Putsch gegen Udo Voigt darüber spekuliert, welches Wahlergebnis welchem Flügel nützen könnte. Nach der Wahl, so muss der Beobachter gestehen, ist man da so schlau wie zuvor. Mit dem Wiedereinzug in Sachsen hat der Apfel/Pastörs-Flügel einen relativen Erfolg zu verbuchen und kann trotz herber Verluste darauf verweisen, dass bisher nur ihnen der Einzug in Landesparlamente geglückt ist. Für den stark in Thüringen engagierten Flügel um Voigt und Rieger ist das Scheitern dort sicherlich eine Niederlage, allerdings mit einem respektablen Ergebnis. Dass mit Peter Marx im Saarland ein Vertreter des Apfel/Pastörs-Flügels grandios gescheitert ist, macht die Bilanz nach diesen Kriterien nur noch unübersichtlicher.

Während in der Presse die personellen Streitigkeiten der NPD als inhaltliche Differenzen zwischen Vertretern eines eher gemäßigten, auf konservativ-bürgerliche Schichten zielenden Flügels (Apfel, Pastörs u.a.) und eines radikalen, auf Einbindung der Kameradschaftsszene und NS-Verherrlichung abzielenden Flügels (Voigt/Rieger u.a.) charakterisiert werden, bleibt die Tatsache, dass in Sachsen und Thüringen beide Flügel ähnliche Ergebnisse erzielt haben. Was in dieser Gegenüberstellung für Sachsen als Verbürgerlichung beschrieben wurde ist eventuell besser mit (kommunaler) Verankerung zu umschreiben – eine Alltagsakzeptanz der NPD und ihrer Kader als verlässliche, kommunal engagierte öffentliche Personen. Die Analyse des NPD-Landesvorsitzenden in Thüringen, Frank Schwerdt, geht genau in diese Richtung wenn er hervorhebt, dass es der NPD „stärker als bisher gelingen müsse, die Personen hinter der NPD besser zu vermarkten. Denn dort, wo dem Wähler auch die Menschen bei der NPD bestens bekannt seien, erreiche man konstant hohe Ergebnisse.“ (NPD-Homepage, 2.9.09)

Ein interessantes Detail der Wahlanalyse im Bereich der Wählerwanderungen stellt die Tatsache dar, dass es offenbar ohne große Probleme möglich ist als WählerIn von der NPD zur FDP zu wechseln. Das will einem nicht so recht einleuchten, wo die FDP nicht unbedingt als Prekären-Versteherin (Arbeitslose, von Entlassung Bedrohte, kleine Angestellte und Arbeiter) in Erscheinung tritt. Im gesellschaftlichen Diskurs jedoch hält sich in der politischen Mitte kaum eine Partei beim Thema Neonazismus und extreme Rechte so zurück wie die Liberalen. Und Skandalbürgermeister, wie z.B. Gottfried Deuse in Mügeln oder Gubens Verwaltungschef Wolfgang Hübner (vgl. ND v. 13.1.09) sind FDP-Männer und zeigen mit ihren Äußerungen und ihrem Verhalten eine deutliche Anschlussfähigkeit zu rassistischen und nationalistischen Diskursen der extremen Rechten, die sich bekanntermaßen auch in der Mitte der Gesellschaft finden. Profil und Personal dieser Partei sollte man in dieser Hinsicht vielleicht mal etwas genauer beleuchten.

Das Wahlergebnis im Saarland zeigt auch, dass dort, wo ein für viele existenzielles Problem auf der Agenda steht (in diesem Falle Arbeitslosigkeit und sozialer Abstieg), die LINKE durchaus in der Lage zu sein scheint, neben der Personenwahl auch mit ihrer sozialen Bindekraft und thematischen Schwerpunktsetzung solche WählerInnen zu gewinnen, die sonst als ProtestwählerInnen ihr Kreuz vielleicht bei der extremen Rechten gemacht und so für unangenehme Überraschungen gesorgt hätten. Was das für künftige Wahlkämpfe und besonders für den laufenden Bundestagswahlkampf bedeuten könnte, sollte Gegenstand der Analyse sein.

Festzuhalten bleibt: Mit einer in allen drei Ländern deutlich rassistischen Wahlkampagne gelingt es der NPD dort, wo sie starke kommunale Strukturen hat bzw. diese entwickelt (Sachsen und Thüringen), in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Auch ohne Mobilisierungsthema und größere mediale Aufmerksamkeit hat sie offensichtlich hier eine junge Stammwählerschaft herausgebildet, die ihr auch zukünftig die Chance auf Parlamentsmandate eröffnet. Die genante Voraussetzung der kommunalen Verankerung ist jedoch bei weitem nicht flächendeckend gegeben, weshalb die NPD (und erstrecht alle anderen Wahlparteien der extremen Rechten) bei den Bundestagswahlen keine Chance hat. Hier wird es der Partei vor allem um die Wahlkampfkostenerstattung und darum gehen, das Ergebnis der letzten Bundestagswahl (1,6 Prozent) nicht zu unterbieten. Folgerung aus allem: der entscheidende Kampf gegen die Nazis findet auf der kommunalen Ebene statt, hier gilt es anzusetzen, antifaschistische Strukturen zu stärken und weiter Aufklärungsarbeit zu leisten.

(5.9.2009)

Dr. Gerd Wiegel: 030 227 51207, E-Mail Link folgtgerd.wiegel@linksfraktion.de

Fritz Burschel: 030 44310 183, E-Mail Link folgtburschel@rosalux.de