Publication Gesellschaftliche Alternativen - Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Soziale Bewegungen / Organisierung Kapitalismus Reloaded

Von Giovanni Arrighi, Christina Kaindl, Christoph Lieber, Oliver Nachtwey, Rainer Rilling und Tobias Ten Brink(Hrsg) in Kooperation mit der Rosa Luxemburg Stiftung.

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October 2007

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Die kapitalistische »Gesellschaft (ist) kein fester Kristall, sondern ein umwandlungsfähiger und beständig im Prozess der Umwandlung begriffener Organismus« (Marx) – und in diesen Umwandlungsprozess gilt es einzugreifen.

 

Ein Vorschlag zur Bestimmung der Kategorie Imperialität ist jetzt erschienen in dem nun publizierten Band zur gleichnamigen interner Link folgtTagung »Kapitalismus reloaded« im November 2005 in Berlin.

Auf dieser Tagung ist es gelungen, unterschiedliche Befunde und Zeitdiagnosen aufeinander zu beziehen und die gegenseitige Kenntnisnahme der Diskussionen zu befördern. Wie ist das Verhältnis von Politik und Ökonomie, von nationalstaatlichen Ressourcen und sich internationalisierenden ökonomischen Strukturen in der gegenwärtigen Welt(un)ordnung beschaffen? Welche Bedeutung haben die Umbrüche in den kapitalistischen Produktionsverhältnissen insbesondere im Hinblick auf neue betriebliche Herrschaftsverhältnisse? Worin ist die ideologische Mächtigkeit des Neoliberalismus bezogen auf Subjektivitäten, Denkformen und Lebensweisen begründet und wo zeigen sich Risse in der neoliberalen Hegemonie?

Der Kongress »Kapitalismus Reloaded« wurde getragen von Zeitschriftenprojekten wie PROKLA, Das Argument, Sozialismus, Sand im Getriebe, Z., analyse & kritik, Soz, Fantomas, arranca!; von politischen Gruppen wie Attac, Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft des BUKO, Kritik & Praxis Berlin, FelS, Linksruck; von wissenschaftspolitischen Organisationen wie Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung, BdWi, WISSENTransfer; und schließlich Stiftungen wie Rosa Luxemburg, Helle Panke, Bildungswerk Berlin der Heinrich Böll Stiftung, Hans Böckler Stiftung.

 

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Giovanni Arrighi u.a.
Kapitalismus Reloaded
Kontroversen zu Imperialismus, Empire und Hegemonie
Herausgegeben von Christina Kaindl, Christoph Lieber, Oliver Nachtwey, Rainer Rilling und Tobias ten Brink
400 Seiten   (2007)
EUR 22.80   sFr 40.10
ISBN 978-3-89965-181-2

Vorwort

»Neuland. Tausend Probleme. Nur Erfahrung ist imstande, zu korrigieren und neue Wege zu eröffnen.« (Rosa Luxemburg)

 

Was sind heute gesellschaftliche Alternativen? Fängt man erst einmal an, gemeinsam darüber nachzudenken, fallen einem im Nu zahlreiche historische und aktuelle Projekte, Bewegungen, Institutionen und Forderungen sowie alte und neue Praxen ein. Und Begriffe, die eben diese Praxen konturieren und benennbar machen, von anderen abgrenzen, gegebenenfalls Menschen motivieren und orientieren für anderes Handeln, historisch Erlebtes und Erlittenes festhalten. Eine große Schatzkiste an Erfahrungen und Ideen öffnet sich, und es ist »lexikalisches Glück«, dass dieses Buch mit »Ästhetik des Widerstands« beginnt.

Der Begriff Alternative bezeichnet herkömmlich eine Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten (französisch alterne, lateinisch alternus, abwechselnd, wechselweise) Im Gegensatz dazu wird der Begriff umgangssprachlich verwendet, um die Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten auszudrücken und weist dementsprechend über eine Entweder-Oder-Entscheidung hinaus.

Um diese zweite Bedeutung geht es in diesem Buch. Nicht nur um zwei, sich ausschließende Perspektiven: dort die herrschaftliche, imperiale-neoliberale und kapitalistische, patriarchale, rassistische, andere Menschen und gesellschaftliche Gruppen ausschließende, hier die emanzipatorische. Es geht zwar um die Kritik und Veränderung bestehender Macht- und Herrschaftsverhältnisse, die Alternativen dazu sind jedoch vielfältig, müssen praktisch entstehen, stehen teilweise in Spannungen zueinander.

Die Ausrichtung von Alternativen kann am Staat orientiert, staatskritisch oder anti-staatlich sein, vom Anspruch her oder in der Praxis systemimmanent oder System transformierend. Ökologische Alternativen stehen häufig in Spannung mit jenen, die auf eine bessere Verteilungspolitik setzen und die Art und Weise wirtschaftlicher Produktion weniger in den Blick nehmen. Sie können eher kleinräumig oder in ganzen Gesellschaften gedacht und praktisch angegangen werden.

Als wir diesen Band konzipierten, waren wir schnell bei über 250 Begriffen. Margaret Thatchers berühmt-berüchtigte Killerphrase von der Alternativlosigkeit (»There Is No Alternative«), das TINA-Prinzip, wie Pierre Bourdieu ironisch das simple Muster bezeichnete, mit der in der Öffentlichkeit Entscheidungen begründet werden, hat noch nie gestimmt und stimmt heute weniger denn je. Vielmehr gilt der Ausruf »TATA« (There Are Thousend Alternatives!), den Susan George prägte. Aus 250 oder »tausend Alternativen« wurden schließlich 126. Denn wir haben uns dafür entschieden, ins »ABC der Alternativen« Begriffe aufzunehmen, die alternative »Weltsichten« eröffnen und für emanzipatorisches Denken und Handeln wichtig sind. Wir haben die Autorinnen und Autoren darum gebeten, nach den historischen Entstehungskontexten, nach den kritischen und emanzipatorischen Potenzialen der Begriffe zu fragen. Aber auch, inwieweit die Begriffe auf wichtige gesellschaftliche Widersprüche hinweisen oder wie sich ein Begriff – und die damit benannten Weltsichten und Praxen – produktiv entwickeln könnte. Damit fallen etwa konkrete Bewegungen wie Attac oder Vía Campesina und Praxen wie z.B. Tauschringe heraus.

Wir sind uns auch der Tatsache bewusst, dass mit den Begriffen gesellschaftlich bestimmte Sachverhalte benannt – und damit andere »entnannt« werden. Dieses ABC erhebt jedoch nicht den Anspruch, erschöpfend zu sein. Sicherlich fallen uns und den Leserinnen und Lesern im Nachhinein noch zahlreiche weitere Begriffe ein, die alternative Perspektiven öffnen. Und wahrscheinlich wird der eine oder die andere mögliche Alternativen ganz anders einschätzen. Sollte das der Fall sein, dann hat das Buch seinen Sinn erfüllt. Denn: Wenn man – in nicht ganz zulässiger Weise – eine Gemeinsamkeit aus den Begriffen herausdestillieren wollte, dann wäre es die breit geteilte Perspektive, dass emanzipatorisches politisches Handeln unter sehr widersprüchlichen Bedingungen stattfindet und die Reflexion dieser Widersprüche zum praktischen Bestandteil von Emanzipation wird.

Wir freuen uns sehr darüber, dass sich derart viele Menschen aus sehr unterschiedlichen linken politischen und beruflichen Zusammenhängen zur Mitarbeit an diesem Projekt bereit erklärt haben und dass somit ein breites und internationales Spektrum der gegenwärtigen linken kritischen politischen Praxis vertreten ist. Diese Pluralität ist eine der Stärken des aktuellen alternativen Denkens und Handelns und spiegelt sich in diesem Buch wider.

Die Idee der bildungspolitischen Intervention in Form von ABCs geht auf Claudia von Braunmühl zurück, die ab 2004 für den wissenschaftlichen Beirat von Attac eine wöchentliche Rubrik in der »taz« organisierte. Dieser Ansatz wurde ausgebaut und im Jahr 2005 erschienen die überarbeiteten Stichworte in dem Buch »ABC der Globalisierung«. Nach dem »ABC zum Neoliberalismus «, das Hans-Jürgen Urban 2006 in der Schriftenreihe der Otto-Brenner- Stiftung im VSA-Verlag herausgegeben hat, wird diese positiv aufgenommene kleine Serie nun um ein »ABC der Alternativen« ergänzt.

Der Band ist in Kooperation mit dem Wissenschaftlichen Beirat von Attac, der »tageszeitung« und der Rosa Luxemburg Stiftung entstanden. Letztere hat das Projekt dankenswerterweise auch finanziell unterstützt.

Wir bedanken uns bei allen Autorinnen und Autoren für ihre Beteiligung am Brainstorming und ihre Bereitschaft, die Herausforderung angenommen zu haben, komplexe Begriffe auf zwei Buchseiten abzuhandeln. Herzlich bedanken möchten wir uns auch bei Gerd Siebecke vom VSA-Verlag, der das Projekt von Anfang an intensiv begleitet hat. Der VSA-Verlag wird einmal mehr seiner Rolle als wichtige publizistische Plattform für die aktuellen emanzipatorischen Debatten und Praxen gerecht.

Wir hoffen, dass mit dem »ABC der Alternativen« dem kritisch-emanzipatorischen Denken und Handeln im deutschsprachigen Raum neue Impulse gegeben werden können.

 

Köln, Berlin und Wien im Oktober 2007

Bettina Lösch, Stefan Thimmel, Ulrich Brand