Archiv 2000 bis 2002







"Coole Wampe" und "Nacht und Nebel"

Ein Hanns Eisler Abend, am 19. Oktober 2000, aus Saarbrücker Zeitung vom 21.10.2000

Schrille Dissonanzen gegen den verlogenen Nazi-Pomp
Der Musikwissenschaftler Konrad Vogelsang sprach im Filmhaus über Hanns Eisler als Komponist von Filmmusik

„Können Sie Klavier Spielen?“ Mit enthusiastischem Glanz in den Augen drückt Konrad Vogelsang einem Studenten in der zweiten Reihe ein paar Notenblätter in die Hand. Noch bevor der antworten kann, verteilt Vogelsang bereits fleißig weitere Partitur-Kopien und Filmkritiken an das Publikum, dass sich am Donnerstagabend in der Saarbrücker Filmhaus-Galerie versammelt hat, um seinen Vortrag „Hanns Eisler als Filmkomponist“ zu hören. Die Peter Imandt Geselllschaft e.V. hatte eingeladen. Mit seiner Stahlbrille, seinem in Ehren ergrrautem Bärtchen, dem stetigen Hüsteln und seinem wachen Blick, der eine beinahe manisch wirkende Begeisterung für seine Forschungen verrät, wirkte Vogelsang fast wie ein Gelehrter aus längst vergangener Zeit....

Hans Eisler (1898 bis 1962) war einer jener Künstler, die ihr musikalischen Können bewusst in den Dienst ihrer leninistisch-marxistischen Überzeugung stellten. Kein Wunder, dass die Filmografie Eislers vorwiegend „linke“ Filme enthält: neben Alain Resnais’ Antifa-Dokumentarfilm „Nacht und Nebel“ (1955) auch den einzigen rein kommunistischen Propagandafilm der Weimarer Republik, „Kuhle Wampe“, der 1931 unter der Regie Slatan Dudows nach einem Drehbuch von Bertolt Brecht gedreht worden war. Beide Filme führte Vogelsang in Ausschnitten vor.

Den Vortragsgästen blieb wohl vor alem der „Nacht und Nebel“-Flm im Gedächtnis, ein Doku-Bilderreigen über die Grausamkeiten in deutschen Konzentrationslagern. Der Streifen verdankt einen Teil seiner kaum erträglichen Schock-Wirkung Eislers Musik: Eisler unterfütterte das unaussprechliche Grauen mit unheilschwangeren Moll-Passagen und konterkarierte den verlogenen Pomp der Nazis mit schrillen Dissonanzen. Doch Eisler beherrschte nicht nur die praktische Seite der Musik meisterhaft; mit seinem zusammen mit Theodor W. Adorno verfassten Buch „Komposition für den Film“ ist er bis heute laut Vogelsang „der einzige deutsche Komponist, der ein theoretisches Konzept für Filmmusik entwickelt hat“ - allein diese Tatsache rechtfertigte die Beschäftigung mit seinen Filmen. Ganz zu schweigen von deren Themen: „Wir brauchen doch nur an die wieder aufkeimeinde rechte Gewalt in Deutschland zu denken, oder dran, dass wir immer noch fast vier Millionen Arbeitslose haben - so ähnlich war’s ja damals auch schon mal im Lande.“ Damit sich die Stimmung, die Hitler an die Macht gebracht hatte, nicht wiederholt, leistet Vogelsang auch noch mit 72 Jahren seinen Beitrag. Der erschöpft sich nicht in filmmusik-theoretischen Vorträgen. Im Auftrag des schleswig-holsteinischen Kulturministeriums hält er für Oberstufenklassen Vorträge, führt Filme vor und erarbeitet pädagogische Konzepte.