Archiv 2003





Dunkles Kapitel: Als Adolf Hitler 1935 der Stadt Saarbrücken einen Besuch abgestattet hatte, erwartete ihn eine riesige Menschenmenge vorm Rathaus St. Johann. Damals war der "Führer" seit zwei Jahren an der Macht. Eine Vortragsrunde in der Stadtgalerie hat sich mit der Machtergreifung Hitlers beschäftigt. FOTO: BUCH "SAARBRÜCKEN, SO WIE ES WAR


Veranstaltungsankündigung der Peter-Imandt-Gesellschaft

Saarbrücker Zeitung am 28. Januar 2003
Vor 70 Jahren holte sich Hitler die Macht in Deutschland

Gespräch in der Saarbrücker Stadtgalerie über den Nationalsozialismus und seine Folgen im Saarland
Von EVA HÄNERT und CATHERINE EBERSOLD

Saarbrücken. Mit lautem "Dädää, dädää, dädää" steigen die Narren wieder in die Bütt' - nicht ohne Grund: Sie sagen ihre (politische) Meinung und tanken Energie für den Ernst des Lebens. Ein zwangloses Ventil für den Unmut in der Gesellschaft, aber nicht in jeder. Unter den Vorzeichen "Diktat" und "Gehorsam" stand der Spaßfaktor im Nationalsozialismus. "Kraft durch Freude" hieß die Unterhaltungs-Maschinerie im Dritten Reich unter Adolf Hitler: Kraft tanken für die Arbeit war erwünscht, freie Meinungsbildung nicht. Auftakt dazu war am 30. Januar 1933: Hitlers Machtergreifung.

Die Peter-Imandt-Gesellschaft hat das so eröffnete dunkle Kapitel der deutschen Geschichte in der Saarbrücker Stadtgalerie beleuchtet - mit der Heinrich-Böll-Stiftung, Saarland, dem Verein Geographie ohne Grenzen und der Vereinigung Verfolgter des Naziregimes - Bund der Antifaschisten. Drei Referenten kamen zum Kolloquium mit dem Titel "30. Januar 1933 - Auftrag für Hitler?".

Schlachtrufe und Schlagwörter waren im Nationalsozialismus beliebt, sagte Professor Kurt Pätzold aus Berlin. "Deutschland erwache" etwa - eine Aufforderung an die Deutschen, sich der eigenen Kräfte bewusst zu werden. Das Schlagwort ist der Geschichte entliehen. Schon Kaiser Barbarossa erwachte aus seinem Schlaf in einer Berghöhle, um Deutschland wieder zu Stärke zu führen. Und in der Weimarer Republik schworen Nationalsozialisten mit diesem Ausspruch Rache an den Kommunisten. Das meist gezeigte Bild dieser Zeit war, sagte Pätzold, die Sportpalastkundgebung in Berlin am 18. Februar 1943. Goebbels prägte die Frage "Wollt ihr den totalen Krieg?" Das Volk sollte glauben, dass der Krieg noch nicht verloren sei. Natürlich blieben von all dem die Nachbarn nicht unberührt. Johannes Becker von der Universität Marburg schaute sich im Frankreich der damaligen Zeit um. Die Wirtschaftskrise, welche die USA und Deutschland sehr hart traf, begann in Frankreich Anfang der 30er Jahre. Mit Hitlers Macht waren in Frankreich die rechten und linken Parteien zugleich im Aufwind. 1936 bildete sich die linke Volksfront und erlangte gleich die Parlamentsmehrheit. 1938 aber wurden die Kommunisten zum Rücktritt gezwungen. Die rechten Parteien gewannen die Vorherrschaft - eine geeignete Grundlage für den kommenden Krieg.

Als "Zone" zwischen Deutschland und Frankreich verdient das Saarland natürlich besondere Aufmerksamkeit. Luitwin Bies aus Völklingen berichtete von Herrmann Röchling. Der war hier eine der treibenden Kräfte für den Nationalsozialismus, berichtete Bies. Hitler empfing ihn gar in Berlin. Diese historischen Erfahrungen könnten im Hinblick auf aktuelle Friedensbedrohungen hilfreich sein, meinte Bies. Man solle die Vergangenheit nicht vergessen, um aus ihr zu lernen. Damit das nicht passiert, erzählten Besucher von ihren eigenen Erfahrungen im Nationalsozialismus und diskutierten mit den Rednern, denn Austausch und Meinungen waren hier, anders als unter Hitler, gewollt und gefordert.

Aus Saarbrücker Zeitung, veröffentlicht auch bei www.sol.de