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Großer Andrang herrschte auf der Buchvorstellung.


Michael Quetting, Vorsitzende der Peter-Imandt-Gesellschaft war zufrieden das lange geplante Buch endlich ankündigen zu können.


Räumt mit Mythen und Legenden um den Stahlbaron Hermann Röchling auf: Hubert Kesternichs "Kohle, Stahl & Klassenkampf"
(v.r.n.l. Michael Quetting, Hubert Kesternich, Lothar Schnitzler (MdL Die Linke), Waltraut Bies, Heidi Kesternich)


Völklingen Buch: "Kohle, Stahl & Klassenkampf" am 1. September im Haus der Fraktionen vorgestellt

Bericht aus der Saarbrücker Zeitung vom 4. September 2010:

Neues Buch erzählt die Geschichte der Völklinger Arbeiterschaft

Die Arbeiterschaft in Völklingen zwischen den Jahren 1918 und 1935 ist das Thema des neuen Buches von Heimatforscher Hubert Kesternich. Am Mittwoch haben Herausgeber, Verlag und Autor das Werk vorgestellt.

Völklingen. Seit Jahrzehnten beschäftigt sich der Völklinger Hubert Kesternich (66) mit der Geschichte der Stadt und ihrer Hütte. In seiner neuesten Veröffentlichung widmet sich der Heimatforscher der Zeit von der Novemberrevolution bis zur Rückgliederung des Saargebiets nach der Volksabstimmung. „Kohle, Stahl und Klassenkampf. 1918 – 1935 in Völklingen und Umgebung“ heißt die Publikation, die am Mittwochnachmittag im Haus der Fraktionen in Völklingen präsentiert wurde.
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung/Peter-Imandt-Gesellschaft als Herausgeber und der Blattlaus-Verlag hatten in Kooperation mit der Linken-Stadtratsfraktion zu der Buchvorstellung eingeladen. Auf rund 140 Seiten beschreibt Kesternich eine Zeit, die von Entbehrungen und Not der Arbeiter und ihrer Familien geprägt war.
Aber auch von sozialen Unruhen und Streiks, vor allem gegen die Unternehmenspolitik des Industriellen Hermann Röchling. „Im Rückblick waren die Jahre 1918 bis 1935 eine Zeit, in der es aufgrund von Lohnkürzungen durch die Herren von Gruben und Hütten zu den meisten Arbeitskämpfen und Widerstandsaktionen der Arbeiter im letzten Jahrhundert kam“, schreibt der Autor in seinem Vorwort. Die Erkenntnis, nur gemeinsam etwas erreichen zu können, führte Zehntausende in die Gewerkschaften und Arbeiterverbänden.
Den ersten Generalstreik an der Saar im Oktober 1919 analysiert Kesternich ebenso wie die Aussperrung der Völklinger Hüttenbelegschaft im September 1921. Er berichtet über Lohnkürzungen, beleuchtet die gefährliche Arbeit der Drahtwalzer, informiert über die Preise auf dem Püttlinger Wochenmarkt. Fotos zeigen streikende Arbeiter, entlassene Bergleute und ein „Galadiner“ der „feinen Gesellschaft“. Darüber hinaus veranschaulichen Statistiken, Tabellen, Flugblätter sowie Inserate und Zeitungsartikel die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse.
In seinem Buch verwendet Hubert Kesternich außerdem unter anderem Dokumente aus den Stadtarchiven von Völklingen und Saarbrücken sowie dem Landesarchiv. Die meisten von ihnen, so der Autor, waren bisher unveröffentlicht. tan

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek vom 4. September 2010

»Kohle, Stahl und Klassenkampf«
Eine interessante Buchvorstellung


Am 1. September wurde in Völklingen ein Buch mit diesem Titel vorgestellt. Das Wort »Klassenkampf« lässt aufhorchen, weil dies nicht nur bei Buchtiteln selten zu hören ist.
Völklingen im Saarland, die Stahlstadt. Über 130 Jahre geprägt von der Hüttenindustrie, von den Kapitalisten wie Hermann Röchling, der zu den maßgeblichen Akteuren für »Heim ins Reich« der Nazis gehörte. Unter Adolf Hitler stieg Hermann Röchling zum Wehrwirtschaftsführer auf und wurde dann als Kriegsverbrecher verurteilt. In Völklingen gibt es nach wie vor vier Straßennamen, die sich auf die Dynastie Röchling beziehen. Es gibt nach wie vor den Stadtteil »Hermann-Röchling-Höhe«, benannt nach dem Kriegsverbrecher.
Heute ist die Hütte eine Stiftung: Saarstahl. Ein Großteil der Hütte ist ein Weltkulturerbe. Die Rolle der Röchlings wurde in diesem Zusammenhang (bisher) nicht aufgearbeitet.


Nun machte sich einer daran, einerseits das Geheimnis des Reichtums und der Macht wie der Röchlings offenzulegen und anderseits zu zeigen, was diesem Reichtum innewohnte: Krisen, Unterdrückung, Armut, Elend für die Arbeitenden. Im Begleitwort zu diesem Buch heißt es: »Hubert Kesternich erzählt spannend und anschaulich vom Kampf der Völklinger Hüttenarbeiter in der Zeit der Novemberevolution bis zur Rückgliederung des Saargebietes nach der Volksabstimmung am 13. Januar 1935«. Er erzählt? Es ist keine »Erzählung«, sondern ein historisches Sachbuch mit Fakten: Über Klassenkämpfe, über den Alltag der Arbeiterklasse (nicht nur in Völklingen), über die Bewusstwerdung der Arbeiter und anderer Schichten und deren Handeln in dieser Zeit. Darin werden große historische Ereignisse reflektiert, wie die Novemberrevolution 1918, der Kapp-Putsch, die kapitalistische Krise Ende der Zwanziger und der Aufstieg der Hitler-Faschisten im Saargebiet. Das Buch ist voll von Fakten darüber, wie die Röchlings mit Aussperrung, Repressalien und Lohnkürzungen und mit Brutalität ihre (Profit)-Interessen durchsetzten.

Sagenhaft, wie der Autor anhand von historischen Dokumenten dies aufbereitet hat und mit Fakten zur Verfügung stellt. Das kommt nicht von ungefähr. Die IG-Metall-Bevollmächtigten von Völklingen, Robert Hiry und Guido Lesch, stellen in ihrem Vorwort fest: Hubert, »in einer Völklinger Arbeiterfamilie kommunistisch geprägt und sozialisiert, hat sein ganzes politisches Leben an marxistischen Ideen orientiert... Stets machte er den Grundwiderspruch zwischen gesellschaftlich geleisteter Arbeit und privater Aneignung zur Maxime seines Wirkens.«
Dieser Standpunkt, diese Parteilichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch dieses Buch, das zu diesem Thema, zu diesem Gegenstand (bisher) wohl als einmalig im Saarland bezeichnet werden darf. Das wird nicht allen gefallen können und nicht (immer) die entsprechende Anerkennung finden. Respekt und Anerkennung gebühren der Rosa-Luxemburg-Stiftung/Peter-Imandt-Gesellschaft, dem Blattlaus-Verlag, die die Herausgabe dieses Buches in dieser Qualität ermöglicht haben. Wir wissen aus eigener Erfahrung, was dafür aufgewendet werden muss. Hubert schreibt auch für die UZ, die Wochenzeitung der DKP. Und anlässlich seiner Verabschiedung aus dem Bezirksvorstand sagten wir auf der Bezirksdelegiertenkonferenz der DKP: »Hubert hat Profil und macht seit Jahrzehnten gemeinsam mit anderen Genossen profil, die Betriebszeitung der DKP für die Hütte. Dabei ist vor allem seine jeweilige Sachkenntnis über Probleme und Zusammenhänge und seine klassenmäßige Sicht dazu immer wieder beeindruckend.«
So ist auch sein Buch gelungen und wir beglückwünschen ihn dazu. Hubert hat sich immer organisiert: In der Gewerkschaft. In der SDAJ, in der kommunistischen Partei, der DKP. Wenn in Völklingen und auf der Hütte mit diesen drei Buchstaben ein Name verbunden wird, dann ist es (heute) Hubert Kesternich. Schade, dass gerade das von den Herausgebern dieses Buches, aus welchen Gründen auch immer, in ihren Texten und Worten zu diesem Buch nicht erwähnt wird.


Der Autor dieses Artikels kommt nicht aus Völklingen. Aber er hatte als junger SDAJ-ler seine Erfahrungen (noch) mit der Macht der Röchlings sammeln müssen. Bei der »Rote-Punkt-Aktion« 1969 in Völklingen wurde er mit anderen von der Polizei verprügelt und verhaftet. Ich erinnere mich auch an die erste Betriebszeitung der SDAJ im Saarland, den »Rotstift« für Röchling, an die Teilnahme der SDAJ an der »Messe der Familie« Anfang der siebziger Jahre in Saarbrücken. Wir zeigten damals an einer Schauwand die Tradition der Röchlings als Nazi-Kriegsgewinnler und Rüstungsproduzenten. Diese Wand musste auf Druck von »irgend jemandem« mit schwarzen Tüchern verhängt werden. Wir klebten Fragezeichen drauf und mussten oft die Tücher hochheben, weil das Interesse groß war.
Nun hebt Hubert einen Schleier hoch, in dem er sich mit den Geheimnissen und der Wirkungsweise dieser Macht in einem ganz bestimmten historischen Abschnitt beschäftigt. Wer sich mit der Lage der Arbeiterklasse, ihrer Bedeutung und Rolle in den gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen – auch heute – beschäftigt oder beschäftigen will, dem sei dieses Buch dringend empfohlen.
Artur Moses

Das Sachbuch von Autor Hubert Kesternich ist im Blattlaus-Verlag erschienen.

Es kostet 19,80 Euro. ISBN 978-3-930771-64-6.