Archiv 2011





Bericht von der Veranstaltung:

9. Juni 2011
Links von Obama?

mit STEPHAN PETER, National Co-Chair, International Commission, Democratic Socialists of America (DSA)

Wie ist es um die verschiedenen linken Strömungen in den USA bestellt? Welche Rolle spielen sie als Akteure links der Demokratischen Partei in einem Land, in Bezug auf das die Frage: „Warum gibt es in den USA keine Gewerkschaften und keinen Sozialismus?“ schon seit Jahrzehnten formuliert wird?

Stephan Peter (Ph.D.), der mehr als zwei Jahrzehnte in den USA lebte und arbeitete, bis vor einigen Wochen als Lehrender für Politikwissenschaft an einem College in Minneapolis, konnte aus einer Innenperspektive Antworten auf diese Fragen formulieren. Er skizzierte ein Panorama verschiedener linker Bewegungen, Gruppen und Ansätze, die in den vergangenen Jahren tendenziell an Stärke und Bedeutung zugenommen haben – doch insgesamt nach wie vor eher marginal sind und jenseits der USA kaum wahrgenommen werden.

Diese präsentierte er vor dem Hintergrund der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situation der USA. Insbesondere die Wahl von Barack Obama zum Präsidenten stellte einen wichtigen Bezugspunkt dar, schließlich war er durchaus ein Hoffnungsträger vieler Linker – ist es aber nur noch für einige, so Peter. Für die linken Bewegungen und Gruppierungen war die Wahl jedoch nicht mit einer zunehmenden Integration in staatliche und parteinahe Institutionen verbunden.

Peter unterschied mehrere Akteure, deren aktuelle Entwicklung er schlaglichtartig beleuchtete: Parteien (Kommunistische Partei, Sozialistische Partei, Demokratische Sozialisten, Grüne), soziale Bewegungen (Friedensbewegung, Umweltbewegung), Bewegungen der Hispanics insbesondere in südlichen Bundesstaaten, Bürgerjournalismus als Alternative zu den großen Medienunternehmen, Genossenschaften. Außerdem vertrat die These, dass es ein erneutes Interesse an einem demokratischen Sozialismus in USA gäbe, begründet in der Krise des Kapitalismus, der historischen Ferne der Sowjetunion und der durch konservative Medien und Institutionen fortgesetzten Verteufelung sozialdemokratischer und sozialistischer Ideen, die insbesondere bei jüngeren Menschen Neugier und Interesse weckten.

Für Peter steht fest, dass für linke Politik die Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen und insgesamt am parlamentarischen System aufgrund des Wahlrechts wenig Erfolg versprechend ist. Eine konsequente außerparlamentarische Orientierung und punktuelle Zusammenarbeit mit Gruppen demokratischer ParlamentarierInnen sei daher zielführend. Es müsse dabei sowohl darum gehen, die konkrete Lebensbedingungen zu verbessern, aber auch Alternativen zum Marktfundamentalismus zu formulieren und praktisch zu erproben.

Letzteres sieht Peter vor allem im genossenschaftlichen Ansätzen, die er unter Bezeichnungen wie „Cooperative Commonwealth“ und „Solidarity Economy“ diskutierte. Sie verbinden für ihn idealtypisch Individualismus und Solidarität, sind zugleich Selbsthilfe, weisen aber auch als Form von Wirtschaftsdemokratie auf Möglichkeiten anderen Wirtschafts. Diese Genossenschaften sind untereinander vernetzt, kooperieren mit bestimmten Gewerkschaften, aber nur teilweise mit den anderen linken Bewegungen.

Es zeigt sich in der Gesamtschau eine Vielzahl von Kämpfen, die regional verwurzelt sind, aber nur selten auf nationaler Ebene zusammenfinden. Peter zeigte sich dennoch vorsichtig optimistisch, dass in Zukunft linke Bewegungen etwas Druck auf Obama ausüben könnten. Dass sie nach wie vor am Leben sein, zeigten schließlich, so Peter, die gewerkschaftlichen Proteste im Frühjahr 2011 in Wisconsin.