Logo

Vortrag und Diskussion

Max Henninger: „Immaterielle Arbeit und Subjektivierung“

Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Club Tübingen in Kooperation mit dem Infoladen Tübingen

Termin: 5.04.2006, 20:00-22:00

Ort: Infoladen Tübingen, Schellingstr. 6, 72072 Tübingen

In den Resultaten des unmittelbaren Produktionsprozesses schreibt Marx zur “nichtmateriellen Produktion,” es könne dort “kapitalistische Produktionsweise” nur “beschränkt” und “der Natur der Sache nach nur in einigen Sphären stattfinden.” So könnten z.B. “bei Unterrichtsanstalten […] die Lehrer bloße Lohnarbeiter für den Unternehmer der Lernfabrik sein.” Dergleichen sei aber “nicht zu berücksichtigen für das Ganze der kapitalistischen Produktion.”
Eine Reihe aus dem italienischen Operaismus hervorgegangener Theoretiker hat dieses kritische Urteil revidiert und die These aufgestellt, dass es mit dem vom Marx in einigen fragmentarischen Aufzeichnungen skizzierten Übergang von der “formellen” zur “reellen” Subsumption der Gesellschaft unter das Kapital zu einer gesteigerten Zentralität “nichtmaterieller” oder “immaterieller” Arbeitsformen kommt. Durch solche Arbeitsformen würden nicht so sehr materielle Waren als vielmehr deren kulturelle und informationsvermittelnde Eigenschaften produziert.
Wenn man diese These ernstnimmt, ergeben sich schwerwiegende Fragen bezüglich der Quantifizierbarkeit der geleisteten Arbeit, den Mechanismen der Mehrwertabschöpfung und den Möglichkeiten, Widerstand gegen das Kapitalverhältnis zu leisten. Vor allem stellt sich wieder die alte Frage nach der Arbeit als dem subjektiven Moment des Produktionsprozesses. Handelt es sich beim Arbeitsprozeß nach wie vor um den von Marx untersuchten “Selbstverwertungsprozeß der vergegenständlichten Arbeit vermittelst der lebendigen Arbeit”? Wie ist dann der Gegensatz zwischen lebendiger und toter Arbeit zu denken, also die “Diremtion zwischen den objektiven Arbeitsbedingungen (den Produktionsmitteln) und der subjektiven Arbeitsbedingung, dem zweckmäßig tätigen Arbeitsvermögen, d.h. der Arbeit selbst” (Marx)?
Entgegen der vielerorts anzutreffenden Tendenz, die Rede vom “immateriellen” Charakter der neuen Produktionsweise zu sehr beim Wort zu nehmen, soll versucht werden, diese und andere Fragen durch Überlegungen über die materielle Verwurzelung und räumliche Organisierung (Territorialisierung) der neuen Arbeitsformen zu beantworten. Wie schon bei den operaistischen Untersuchungen zur fordistischen Fabrikproduktion soll dabei vor allem geklärt werden, wie die im Kapitalverhältnis vollzogene “Verkehrung des Subjekts in das Objekt” ihrerseits umgekehrt, also eine antagonistische Subjektivierung eingeleitet werden kann.

Max Henninger lebt und arbeitet in Berlin. Er schreibt u.a. für die Zeitschrift „Grundrisse“. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich operaistischen und postoperaistischen Theorieansätzen sowie Fragen der Subjektkonstitution.




Gedruckt: 11.12.2010  |  www.rosaluxemburgforum.de
©  2005-2010 Rosa-Luxemburg-Forum für Bildung und Analyse in Baden-Württemberg e.V.