NEURO-Konferenz 2004

Kongress Networking Europe (NEURO)

26. bis 29. Februar 2004, Muffat-Halle München Ronald Höhner Wie einen Kongress auswerten, dessen Charakter, Thema und Ziel die Netzwerkbildung ist? Es ging nicht um wirklich neue Erkenntnisse, sondern um den Austausch und die Vernetzung  von Wissen und Erfahrungen, um kollektives und selbstbestimmtes Lernen mit- und voreinander. Europa hat an diesem Wochenende im Laborversuch stattgefunden. Ein Europa, dass irgendwie anders funktioniert und zum Mitmachen motiviert. Da kommen 200 Leute aus 35 Ländern nach München, präsentieren sich ihre Projekte, diskutieren miteinander, feiern Party und begegnen sich auf Augenhöhe. Es wird viel geredet über das, was einem oder einer wichtig ist, über konkrete Erfahrungen und Handlungsstrategien. 200 Menschen, die sich darin einig sind, dass diese Welt veränderbar ist und damit angefangen haben, es zu tun. Jeder ist Experte und für alle gibt es einen Platz. Eine Gemeinschaft entsteht trotz unterschiedlicher Sprachen und Tätigkeitsfelder. Beim Frühstück  im Hostel lächelt man sich ob der verschlafenen Gesichtszüge wissend zu und denkt noch kurz an die lange Unterhaltung der letzten Nacht. Es war keine theoretische Tagung über Netzwerke sondern praktizierte Vernetzung. Der Ort Muffathalle war mit seinem Industriecharakter hervorragend geeignet und für kurze Zeit wahrscheinlich der Ort mit der höchsten Elektrosmok-Konzentration in München. Handys, Laptops, Kameras, Beamer und Internet-Terminals waren allgegenwärtig. Die Web-Galerie aus Kasachstan, die Videoprojekte aus Israel und Italien, das online-Reiseführerprojekt oder der „Kiosk für nützliches Wissen“ - hier ist zumindest technisch die EINE Welt bereits Realität. Offizieller Anlass des Kongresses war der Relaunch des Internetportals „D-A-S-H.org“, eine Plattform für Initiativen gegen Rassismus und Ausgrenzung in Europa. Dazu war sogar Renate Schmidt angereist, um in einer mäßigen Rede das enorme Engagement der Bundesregierung zu betonen. Gleiches taten dann auch Offizielle aus Brüssel, der Stadt München und der Bundeszentrale. Übervolles Lob dafür, dass diese jungen Menschen den politisch intendiertes Geist von Toleranz und Kooperation des Projektes Europa leben und besser hätten es dann die Offiziellen selber auch nicht hinbekommen. Diese verlogene Situation wurde noch grotesker, als auf einer Leinwand neben den Zuschauern ein Video mit gewalttätigen Ausschreitungen lief und damit die Realität vielerorts dokumentierte. Wahrscheinlich haben es die PolitikerInnen in Wahrheit schnell realisiert, dass die NEURO*-Netzwerkwelt und die Politik-Bühne schlicht Paralelluniversen sind und nur eine gute Miene gemacht. Mit der D-A-S-H-Plattform, die im Internet anzusehen ist und zu der es auch eine Hochglanz-Werbung gibt, können sie sich als Finanzierer zurücklehnen und ein „erfolgreiches“ Ergebnis ihrer Fördertätigkeit mitnehmen. Mit den Projekten, die die Palttform nutzen, werden sie wohl kaum etwas anfangen wollen. Neben der zentralen Projektbörse gab es ein umfangreiches Angebot an Diskussionen. In den NEURO-Talks kamen TeilnehmerInnen über den politischen Hintergrund ihrer Arbeit ins Gespräch. Da wurde viel über Negri gesprochen über Technik und Technikfolgen gefachsimpelt und Fragen nach dem General intellect oder der Bedeutung Neuer Medien diskutiert. Die Konferenzsprache Englisch erwies sich dabei als kleines Hindernis, da eben Verstehen und Freisprechen nicht das gleiche sind. Vertiefend fanden dazu Workshops, Vernetzungstreffen und Gespräche in kleinerem Rahmen statt, bei denen sich dann auch die Muttersprachler etwas mehr „Mühe“ gaben. In anderen Formaten gab es Präsentationen vom Alternativtheater, dem Video, Radio oder der Webseite über die Musikperformance des Projektes „Brothers/Sisters keepers“ bis hin zur Party mit opensource Musik frisch aus dem Netz gesaugt. Eine außerordentlich spannende Form waren Gespräche von je zwei TeilnehmerInnen unterschiedlichster Hintergründe über das jeweilige Netzwerkverständnis. Dieses wurde von einem Nebenraum live auf zwei riesige Leinwände übertragen. Das Gespräch ohne Publikum lies viel Raum für Emotionen und „unkontrollierte“ Kommunikation und faszinierende Wissensvernetzung. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung war über das Jugendbildungsnetzwerk auf dieser Tagung deutlich präsent. Es gab einen Stand und insgesamt 3 verantwortete Veranstaltungen. Ein zentrales Podium beschäftigte sich mit der Debatte um den General intellect [>>> Podiumsbeitrag RLS] und die Frage, ob die Wissensgesellschaft eine Wohlstandsgesellschaft sein kann. Der Workshop zu education in practise erwies sich als besonders fruchtbar. 22 junge Menschen diskutierten ihre Alltagserfahrungen in der Erreichung von Zielgruppen sowie Formen der Zielgruppenarbeit und über offene Konflikte. Zu diesen zählen öffentliche Mittel und damit verbundene effizienzzentrierte Evalution und kommerzialisierte Werbung, die ausschließende Wirkung moderner Technik und die mangelnde Dokumetation praktizierter Ansätze. Das digitatlisiert verfügbare Wissen wird nun via Internet zwischen USA, Italien, Spanien, Israel und Deutschland möglicherweise geteilt werden. Solche lose erscheinenden Verabredungen wurden in München viele getroffen. Es war nicht wichtig, sich mit allen zu einigen. Netzwerke funktionieren in überlappenden Teilbereichen und das ist ihre Stärke. Wenn ein paar der Verabredungen Wirklichkeit werden, dann hat der Kongress ein wichtiges Ziel erreicht. Ob man sich wiedertrifft, ist unklar. Auf jeden Fall bleibt die Gewissheit, man ist nicht allein werkelt und überall haben Leute angefangen eine andere Politik zu leben. Und weil alle Beteiligten wissen, dass Netzwerke ohne Verbindlichkeit schnell zerfallen, gleichzeitig das Netzwerk aber Voraussetzung ist, um diese andere Politik erfolgreich zu praktizieren, genau deshalb wird es funktionieren. Das ist meine Auswertung der Konferenz, andere haben ihre eigene. Vielleicht ist das alles wegen der Offenheit der Entwicklung Zeitverschwendung, vielleicht aber auch gerade deshalb nicht!

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