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Die Welt geht unter und niemand will bezahlen. Zweite, überarbeitete Auflage der Analyse Nr. 29 «Loss and Damage!».

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Reihe

Analysen (Archiv)

Autorin

Juliane Schumacher,

Erschienen

Oktober 2016

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Die Party ist vorbei …

Am 12. Dezember 2015 um 19:26 Uhr war es so weit – und der Jubel im  Kongresszentrum Le Bourget in Paris war groß: Tausende Menschen umarmten sich, posierten für Erinnerungsfotos, klatschten minutenlang. Das Plenum der Klimakonferenz hatte nach zwei Wochen dramatischer Verhandlungen einen neuen Klimavertrag angenommen. «Das ist ein Sieg für alle auf dem Planeten und für künftige Generationen», sagte US-Außenminister John Kerry. «Die Geschichte wird sich dieses Tages erinnern», versprach der Generalsekretär der Vereinten Nationen. Und Frankreichs Präsident François Hollande erklärte: «In Paris hat es seit Jahrhunderten viele Revolutionen gegeben. Aber heute ist die schönste und friedlichste aller Revolutionen vollbracht worden, die Revolution für den Klimawandel.»

Knapp ein Jahr später stand die nächste Klimakonferenz an, dieses Mal in Marrakesch, Marokko. Wenige Tage vor Beginn der Konferenz hatten genügend Staaten das Pariser Abkommen unterzeichnet, sodass es am 4. November 2016 in Kraft treten konnte. Doch die Aufbruchsstimmung bekam einen herben Dämpfer. Mitten in die ersten Tage der Konferenz platzte die Nachricht, dass Donald Trump die Wahl zum US-Präsidenten gewonnen hatte – ein Schock für viele Delegierte und Klima-AktivistInnen. Trump hatte den Klimawandel immer wieder geleugnet und angekündigt, im Falle seines Sieges aus dem Pariser Vertrag auszusteigen. Und tatsächlich kündigten die USA 2017 ihren Ausstieg aus dem Abkommen an – da dieser aber erst in einigen Jahren möglich ist, verhandeln sie vorerst weiter mit. Die Sorge, weitere Länder könnten folgen, hat sich bislang als unbegründet erwiesen. Doch die Unsicherheit bleibt: Kann Klimapolitik gelingen, wenn die USA – der zweitgrößte Verschmutzer – nicht dabei sind?

Der Blick auf die wilden Entscheidungen des US-Präsidenten verdeckt, dass im Bereich der Klimapolitik auch andere drängende Fragen anstehen. Etwa die Frage, wie die Kluft geschlossen werden kann zwischen dem vereinbarten Ziel – den Ausstoß an Treibhausgasen zu senken – und der tatsächlichen Entwicklung – dass der Ausstoß weiter ansteigt. Zugleich ist der Klimawandel über die letzten Jahre und Monate näher gerückt: Starke Tropenstürme, extreme Niederschläge und Sommerhitze zeigen, dass es sich beim Klimawandel nicht um ein fernes Zukunftsszenario handelt, sondern um ein Ereignis, das schon heute Anpassungsmaßnahmen erfordert. Verhandelt werden muss, wie diese Anpassung gelingen kann – und wer dafür bezahlt. Woher kommen die 100 Milliarden Euro, die ab 2020 laut Pariser Abkommen jährlich bereitstehen sollen, damit nicht nur reiche Länder sich und ihre BürgerInnen vor den Folgen des Klimawandels
schützen können? Schließlich steht die Frage im Raum, wie mit den Schäden umgegangen wird, die der menschengemachte Klimawandel anrichtet.

Die schon jetzt spürbaren Folgen des Klimawandels geben einen Vorgeschmack, welche Veränderungen und Verluste die Erderwärmung mit sich bringen wird. Kein noch so ehrgeiziger Klimaschutz kann noch verhindern, dass natürliche, gesellschaftliche und kulturelle Lebensgrundlagen unwiderruflich zerstört werden, dass Landstriche oder komplette Inselstaaten im Meer versinken, Korallenriffe absterben, Ackerland versalzt oder vertrocknet.

Unter dem Schlagwort «Loss and Damage» (klimabedingte Schäden und Verluste) wird seit einigen Jahren diskutiert, wer dafür zur Verantwortung gezogen werden kann. Das Pariser Abkommen enthält erstmals einen eigenen Artikel zu Loss and Damage. Ein Erfolg für diejenigen, die vom steigenden Meeresspiegel, von Stürmen und Dürren besonders betroffen sind – und ein Anlass, sich mit dem Konzept zu befassen. Denn längst ist klar, dass sich die globale Erwärmung nicht mehr aufhalten lässt und dass die Menschheit einen Umgang mit ihren Folgen finden muss. Loss and Damage enthält aber auch die Kernfrage aller Klimapolitik: Was bedeutet eine gerechte Klimapolitik, wenn diejenigen, die am wenigsten zur globalen Erwärmung beigetragen haben, am meisten unter ihren Folgen leiden?
 

Inhalt
  • Verhandlungen: Der Stand der Klimapolitik nach Paris
  • Verletzlichkeiten: Wen trifft es (am meisten)?
  • Verluste: Was (nicht) zu reparieren ist
  • Verträge: Loss and Damage im Pariser Abkommen
  • Verantwortung und Versicherung
  • Ausblick: Über Loss and Damage hinaus
  • Literatur 

Juliane Schumacher schreibt als freie Journalistin über Umweltthemen, den Nahen Osten und Lateinamerika. Derzeit schreibt sie ihre Doktorarbeit über Klima- und Waldpolitik in Nordafrika. Zudem ist sie Mitglied der Arbeitsgruppe «Politics of Resources» am Leibniz-Zentrum Moderner Orient (ZMO) in Berlin.

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