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Die Macht in Guatemala konzentriert sich auf eine kleine Oligarchie. Schafft die Linke einen Kurswechsel bei den Wahlen Mitte Juni?

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Reihe

Online-Publ.

Autor

Thorben Austen,

Erschienen

Juni 2019

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Thelma Cabrera, MLP
Hoffnung für die Linke: Thelma Cabrera, Präsidentschaftskandidatin der 2018 gegründeten Partei «Bewegung zur Befreiung der Völker» (MLP) @GtMlp (Facebook)

Am 16. Juni wird in Guatemala gewählt. Neben dem Amt des Staats- und Vizepräsidenten sind die WählerInnen aufgerufen, die Abgeordneten des nationalen Kongresses, Abgeordnete für das zentralamerikanische Parlament sowie im ganzen Land die Bürgermeisterämter und lokale Verwaltungen neu zu bestimmen.

1985 fanden nach drei Jahrzehnten Diktatur und noch während des Bürgerkrieges die ersten, allerdings vom Militär kontrollierten, demokratischen Wahlen im Lande statt. 1996 unterzeichneten die Regierung und die Guerillaorganisation «Vereinigte Nationale Revolutionäre Guatemalas» (URNG) einen Friedensvertrag, der den 36-jährigen Bürgerkrieg offiziell beendete. Seit 1999 nimmt die 1998 zur politischen Partei umgewandelte ehemalige Guerilla an den Wahlen teil. Bei den Wahlen 1999 erreichte die URNG 12,36 Prozent der Stimmen, bei den Wahlen 2015 kam die Partei mit 2,11 Prozent auf ihr schlechtestes Ergebnis. Auf einem jährlich stattfindenden Seminar linker Parteien in Mexiko Stadt analysierte die URNG ihre Lage in einem selbstkritischen Vortrag. Ihr Generalsekretär Gregorio Chay führte aus, dass ihrer Partei die Fähigkeit abhandengekommen sei, die Oligarchie wirksam herauszufordern. Dies liege auch an eigenen Fehler und Schwächen, unter anderem an der Priorisierung von Wahlen. Die URNG wolle in Zukunft die Basisarbeit wieder intensivieren und paternalistische Verhaltensweisen gegenüber der Bevölkerung überwinden.

Die Hoffnung auf ein friedlicheres, demokratisches Guatemala hat sich nach Ende des Bürgerkrieges kaum erfüllt. Laut aktuellen Zahlen aus der guatemaltekischen Zeitung Prensa libre leben 59,3 Prozent der Bevölkerung in Armut und 23,4 Prozent in extremer Armut. Mit 46.5 Prozent chronischer Unterernährung bei Kindern unter fünf Jahren weist das Land den höchsten Wert in Lateinamerika auf, gefolgt von Honduras mit 22 Prozent. Im Falle der indigenen Bevölkerung Guatemalas sind die Werte noch dramatischer  – bis zu 80 Prozent aller Menschen sind dort mangelernährt.

Viele der im Friedensvertrag zwischen Regierung und Guerilla geschlossenen Verträge wurden nicht oder nur unzureichend umgesetzt. Mit der Regierungszeit 1996 – 2000 des aus einer der reichsten Familien des Landes stammenden Unternehmers Alvaro Arzu begann sich das neoliberale Wirtschaftssystem voll zu entfalten. Telefon, Strom, Wasser, etc. wurden privatisiert, ebenso wie die bis heute stetig voranschreitenden Privatisierungen im Bildungs- und Gesundheitsektor. Dies hat dramatische Folgen für die Bevölkerung: durch die dauerhafte Unterfinanzierung und damit verbundene schlechte Qualität des öffentlichen Sektors gehen heute beispielsweise 65 Prozent aller Kinder auf kostenpflichtige Privatschulen, ähnlich ist die Situation im Gesundheitsbereich.

Dazu kam eine Welle der Kriminalität. Diese geht vor allen Dingen von den aus El Salvador stammenden Jugendbanden (Maras), die sich in den ärmeren Stadtteilen der großen Städte fest etabliert haben. Wie auch in den Nachbarländern hat die organisierte Kriminalität Politik und Wirtschaft unterwandert.

Streit in der Oligarchie

Die politische und wirtschaftliche Macht hält seit der Gründung der Republik 1821- mit Einschränkungen in der als «demokratischer Frühling» bezeichnete Phase nach der Revolution von 1944 unter den Regierungen Juan José Arévalo und Jacobo Arbenz - eine kleine weiße Oberschicht in den Händen. Diese besteht vor allem aus den Großgrundbesitzern, Militärs und großen Unternehmern. Exemplarisch für die reichsten Familien des Landes lassen sich die Familien Castillo, Bosch-Gutiérrez, Arzú, Novella-Klée und Paiz aufführen. Die Liste ihres Besitzes ist lang: Banken, Telefongesellschaften, Fastfoodkettten, die großen Supermärkte des Landes, Wasserkraftwerke, etc. Dazu kommt großer Landbesitz an der Costa Sur genannten Pazifikküste und im Osten des Landes.

Allerdings lassen sich gerade im Vorfeld der diesjährigen Wahlen Konflikte innerhalb der Oligarchie ausmachen. Auf der einen Seite steht der reaktionäre, traditionelle Flügel, der im Wesentlichen aus Großgrundbesitzern besteht, die sich unter anderem im Verband der Kaffefinca-Besitzer Anacafé (Asociación Nacional del Café) zusammengeschlossen haben. Auf der anderen Seite ist ein modernerer Flügel, zu dem die Unternehmerfamilie Gutiérrez Bosch gehört, Besitzer der Fastfoodkette Pollo Campero, sowie der Telefonanbieter Movistar und Tuenti. Bei den politischen Parteien gehören zum erstgenannten Flügel unter anderem die Partei des aktuellen Präsidenten Jimmy Morales, «Frente de Convergencia Nacional» (FCN), die Parteien «Unión del Cambio Nacional» (UCN), «Fuerza», VAMOS und CREO. Der letztgenannte Flügel hat sein politisches Sprachrohr vor allem in der Partei Movimiento Semilla, die als Präsidentschaftskandidatin Thelma Aldana aufstellen wollte. Aldana hatte sich durch ihre Arbeit als Generalstaatsanwältin einen guten Ruf als engagierte Kämpferin gegen die Korruption gemacht. Ihre Kandidatur wurde allerdings durch einen Beschluss des Verfassungsgerichtes unterbunden. Hintergrund waren Korruptionsvorwürfe gegen ihre Person, die sie selbst als «erfunden» bezeichnete. Dass der reaktionäre Flügel der Oligarchie ihre Kandidatur mit allen Mitteln verhindern wollte, zeigt auch der Fall Mario Estrada. Der Präsidentschaftskandidat der Partei UCN («Union für einen nationalen Wechsel») wurde im April in den USA verhaftet. Er war US-amerikanischen Drogenfahndern in die Falle gegangen, die sich als Mitglieder des Drogenkartelles Sinaloa ausgegeben hatten. Bei ihnen hatte er nicht nur gegen Geldzahlungen «Sicherheit» beim Drogentransport in Aussicht gestellt, sondern soll auch die Ermordung zweier KonkurrentInnen für das Präsidentschaftsamt in Auftrag gegeben haben, unter anderem die Thelma Aldanas.

Die Kommission gegen Straffreiheit (CICIG)

Ein entscheidender Punkt in dieser Auseinandersetzung ist die Position zur «Internationalen Kommission gegen Straffreiheit» (CICIG) der Vereinten Nationen.

Die CICIG war 2007 in der Regierungszeit von Alvaro Colom von der Partei «Einheit der nationalen Hoffnung» (UNE) in Guatemala installiert worden, weil die guatemaltekische Justiz nicht in der Lage oder willens war, die ausufernende Korruption und Straffreiheit wirksam zu bekämpfen. Zuerst drang die Arbeit der Organisation wenig ins Bewusstsein der Bevölkerung ein. Dies änderte sich jedoch schlagartig 2015, als Ermittler der CICIG ein Netzwerk namens «La Línea» (die Linie) enttarnten. Dieses Netzwerk hatte Unternehmern geholfen, Waren am Zoll vorbei ein- und auszuführen, womit dem Staat Millionen der ohnehin sehr geringen Steuereinnahmen verloren gingen. An der Spitze von La Línea soll der damalige Präsident Otto Pérez Molina gestanden haben. Das Verfahren der CICIG führte ab April 2015 zu Massenprotesten gegen Korruption und letztlich zum Verlust der Immunität des Präsidenten und seiner Inhaftierung. Die CICIG und ihr Chefermittler, der Kolumbianer Iván Velásquez genießen seitdem großes Ansehen bei der Bevölkerung.

Mit Rücksicht auf die Popularität der UN-Institution trauten sich die Parteien des reaktionären Flügels der Oligarchie auch nicht, offensiv gegen die CICIG Stellung zu beziehen. Erst als die Kommission ihre Ermittlungen zunehmend auf Verbrechen des Bürgerkrieges ausdehnte und einige aufsehenerregende Urteile gegen ehemalige Militärs durchsetzte, begann die von Militärs gegründete Partei des Präsidenten Jimmy Morales und Organisationen wie die reaktionäre «Stiftung gegen den Terrorismus» offensiv das Ende der CICIG zu fordern. Als dann noch die Familie des Präsidenten James «Jimmy» Morales selbst ins Visier der CICIG gerieten, setzte dieser - nach mehreren vergeblichen Anläufen -Anfang Januar 2019 das Ende des Mandates der CICIG durch. Dabei setzte sich Morales nicht nur über massive Proteste seitens der Bevölkerung, sondern vor allen Dingen über die Gewaltenteilung hinweg. Er ignorierte gegenteilige Urteile des Verfassungsgerichtes und drohte mit dessen Auflösung.

Im Vorfeld der Wahlkampagne führte die ehemalige Guerrilla-Partei URNG Gespräche mit Ex-Staatsanwältin Thelma Aldana über eine mögliche Unterstützung oder sogar Kandidatur für die URNG. Und das obwohl diese keine linken Positionen vertritt. Carlos Barrios, Kandidat der URNG für Quetzaltenango wies darauf hin, dass Aldana den selbsternannten «Interimspräsidenten» Venezuelas, Juan Guaidó befürwortet und einen Teil der guatemaltekischen Oligarchie repräsentiert. «Aber sie hätte als Präsidentin Reformen im Justizbereich durchgesetzt, die Arbeit mit der CICIG fortgesetzt und mindestens versucht die Korruption zu bekämpfen».

Alles ganz anders machen – die «Bewegung für die Befreiung der Völker» als Instrument der sozialen Bewegungen

Erstmalig zur Wahl tritt die erst im letzten Jahr gegründete «Bewegung für die Befreiung der Völker» (MLP) an. Die Partei ist aus der Landarbeiterorganisation CODECA («Komitee für bäuerliche Entwicklung») hervorgegangen. Geschichte und Ziele der Organisation beschreibt Emma Vicente, Kandidatin für das Departamento Quetzaltenango für die MLP «Der Ursprung von CODECA war eine klassenbewusste Organisation der ArbeiterInnen auf den großen Fincas, eine Selbstorganisierung gegen die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen. Als zweites zentrales Thema ist der Kampf gegen Privatisierungen dazugekommen, hier vor allem die Forderung nach Vergesellschaftung der Stromversorgung.»

Zu den Kernforderungen der Partei gehört neben dem Kampf gegen Privatisierungen die Forderung nach einem plurinationalen Staat und der Einleitung eines Prozesses einer verfassungsgebenden, plurinationalen Nationalversammlung und Autonomieregelungen für indigene Völker. Die Indigenen, insbesondere die Maya, stellen einen bedeutenden Teil der guatemaltekischen Bevölkerung (nach unterschiedlichen Zählungen von knapp der Hälfte bis zur deutlichen Mehrheit). Trotz formeller Gleichstellung sind sie nach wie vor ökonomisch benachteiligt und im politischen Leben klar unterrepräsentiert.

Der Schutz der Natur steht ebenfalls ganz oben auf der Agenda der MLP. Als Ziel gilt das «Gute Leben» (Buen Vivir). Was unter diesem Begriff zu verstehen ist, erklärt Thelma Cabrera, Präsidentschaftskandidatin der MLP «Das ‹Gute Leben› bedeutet, neben den Rechten der Menschen auch die Rechte der Natur, der Madre Tierra zu berücksichtigen. Wir setzen uns für den Erhalt der Umwelt ein, kämpfen für die Verteidigung unserer Territorien gegen Bergbaugesellschaften, Megaprojekte und exportorientierte Monokulturen wie großflächige Zuckerrohrplantagen oder die Palma Africana, wir wollen eine saubere Umwelt, eine Landwirtschaft, die unsere Ernährung sicher stellt und gesundes Essen, das nicht kontaminiert ist. Wir vermeiden die Begriffe Wachstum und Entwicklung, wenn damit nur die materielle Steigerung des Lebensstandards gemeint ist. Das Territorium Guatemalas ist begrenzt, die Bevölkerung wächst. Guatemala ist kein armes Land, es verfügt über vielfältige natürliche Ressourcen, kein guatemaltekisches Kind bräuchte zu hungern.»

Als politisches Vorbild gilt der Prozess in Bolivien. So gehörte auch Boliviens Präsident Evo Morales zu den ersten Gratulanten, als Thelma Cabrera im März auf einer Generalversammlung der MLP offiziell als Kandidatin aufgestellt wurde.

Stärker als die anderen linken Parteien ist die MLP von Repression betroffen. Neun leitende Mitglieder der Partei wurden in den vergangenen zwölf Monaten ermordet, zwei von ihnen unmittelbar nach ihrer offiziellen Registrierung als Kandidaten. Im vergangenen Jahr bezeichnet Staatspräsident Jimmy Morales CODECA, aus der die MLP hervorging, als «inneren Feind Nummer 1», kurz danach begannen die erwähnten Morde.

Aus der Bewegung – die KandidatInnen der MLP

Die MLP hat neben den KandidatInnen für das Amt des Staats- und Vizepräsidenten, auch KandidatInnen für den Kongress - auf nationaler Liste und in den einzelnen Departamentos, sowie, allerdings nicht flächendeckend, BürgermeisterkandatInnen. Für das zentralamerikanische Parlament hat die Partei keine KandidatInnen aufgestellt.

Alle KandidatInnen sind Mitglieder von CODECA oder AktivistInnen anderer sozialer Bewegungen. Für das Departamento Quetzaltenango kandidiert Emma Vicente auf Listenplatz eins. Ihre Motivation und Lebenslauf dürfte stellvertretend für viele KandidatInnen der MLP gelten. Geboren in extremer Armut im Departamento Totonicapan, zog sie mit ihren Eltern in die Hauptstadt. Später kaufte die Familie ein Stück Land im Landkreis Sebilia im Departamento Quetzaltenango. Auf einer Demonstration gegen eine Mine in ihrer Nähe traf sie zum ersten Mal Compañeros von CODECA. Die Privatisierungen Ende der 90er Jahre hat sie in persönlicher Erinnerung. «Mein Vater hat damals immer Kredite bei einer staatlichen Bank bekommen für sein Saatgut bei niedrigen Zinsen. Nach der Privatisierung wurden die Zinsen massiv erhöht, danach konnte er keine Kredite mehr aufnehmen. Und, ein anderes Beispiel, damals gab es noch keine Handys und Telefon hatten wir keins, aber in einem Büro der staatlichen Telefongesellschaft in Quetzaltenango konnten wir relativ günstig mit zwei meiner Brüder telefonieren, die vor Jahren in die USA ausgewandert waren. Nach der Privatisierung wurde die Tarife so erhöht, das war’s dann erstmal mit Telefonaten.»

2011 gewann der rechtsextreme Ex-Militär Otto Pérez Molina von der «Patriotischen Partei» die Wahlen. Für CODECA wurden die Zeiten noch härter «Vor der Regierung Molina haben wir zum Beispiel Hilfen aus dem Ausland erhalten, unter anderem aus Deutschland. Nach dem Amtsantritt Molinas wurden die Hilfen aufgrund seiner Intervention eingestellt. Gleichzeitig nahmen die Morde an Mitgliedern unserer Organisation und anderer Organisationen zu, die Aktivitäten von CODECA hießen plötzlich ‹Terrorismus›», erzählt Vicente.

2015 Massenproteste gegen Korruption, im September turnusmäßige Wahlen - und wieder gewinnt die extreme Rechte. Dem aktuellen Präsidenten James Morales war es gelungen, sich im Rahmen der Anti-Korruptionsproteste als «Anti-Politiker» und «Saubermann» zu profitieren. Dass er selbst Mitglied der rechtsextremen, von Militärs gegründeteten Partei FCN ist, spielte bei der Wahlentscheidung wohl bei vielen WählerInnen keine Rolle.

In dieser Zeit reifte bei CODECA der Entschluss selbst reagieren zu müssen. «Alle Vorschläge die CODECA gemacht hat, wurden abgelehnt, stattdessen werden wir kriminalisiert, unsere Mitglieder ermordet und wir als ‹Terroristen› bezeichnet. Daher hat CODECA zusammen mit anderen sozialen Bewegungen beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, als politische Partei und als Instrument der sozialen Bewegungen», erklärt Thelma Cabrera, den Schritt zur politischen Partei. Auch ihr Lebenslauf ist stellvertretend für viele KandidatInnen der MLP. Ihre Eltern migrierten vor Jahrzehnten aus dem Hochland auf der Suche nach Arbeit an den Küstenstreifen und arbeiteten auf den großen Fincas. Cabrera wurde dort geboren und lernte die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen am eigenen Leibe kennen. Seit über zwanzig Jahren ist sie aktiv in CODECA, zuletzt als Vorsitzende der Organisation.

Ausblick auf die Wahlen

Eine Prognose für die Wahlen ist zurzeit schwierig, auch wegen der zahlreichen Ausschlüsse im Vorfeld. Neben des erwähnten Ausschlusses Aldanas hat es auch die Tochter des Exdiktators Rios Montt, Zury Rios von der Partei VALOR getroffen. Artikel 186 der guatemaltekischen Verfassung verbietet Blutsverwandten ehemaliger Diktatoren die Kandidatur bis in die vierte Generation. Ebenso wurde der erwähnte, in den USA inhaftierte Mario Estrada von der Partei UCN ausgeschlossen und Mauricio Radford von der Partei FUERZA.

Hiervon könnte Sandra Torres von der Partei «Einheit der nationalen Hoffnung» (UNE) profitieren. Die Partei sieht sich in ihrem Selbstverständnis als «Linke-Mitte», vertritt aber ein strikt konservatives Familienbild, ist in zahlreiche Korruptionsaffären verstrickt und steht für das typische Machtstreben guatemaltekischer PolitikerInnen ohne wirkliche Inhalte. Torres selbst kandidiert schon zum vierten Mal für das Amt der Staatspräsidentin und ist die Exfrau von Alvaro Colom, der Guatemala von 2007-2011 regierte. In seine Amtszeit fielen einige kleinere Sozialprogramme, von denen ein Teil der armen Bevölkerung profitierte. Der Kurs der Privatisierungen wurde jedoch fortgesetzt, zahlreiche Vergaben von Konzessionen an Bergbauunternehmen fielen ebenfalls in seine Amtszeit.

Auch ein Wahlsieg der extremen Rechten zum Beispiel in Person von Alejandro Eduardo Giammatei von der Partei VAMOS liegt im Bereich des möglichen. Giammatei kandidiert ebenfalls bereits das vierte Mal für das Amt des Staatspäsidenten, jede Kandidatur für eine andere Partei, 1999 kandidierte er erfolglos für das Bürgermeisteramt der Hauptstadt für die Partei «Unidad Nacionalista». Giammatei hat vor kurzem eine Klage gegen die CICIG eingereicht und sieht sich und seinesgleichen «im Visier von zwanzig schwarzen Kampagnen der CICIG» (Prensa libre, 31. Mai 2019).

Letztlich könnte aber auch die Linke vor allem vom Ausschluss Thelma Aldanas profitieren. Alle linken Parteien führen zur Zeit einen engagierten Wahlkampf, wobei der Umstand das neben der MLP und der URNG mit Convergencia, Winaq und Libre noch drei weitere linke Parteien zur Wahl antreten, die Sache nicht einfacher macht. Sollte ein linker Kandidat/linke Kanditatin tatsächlich die Stichwahl erreichen, ist dann mit Unterstützung durch die anderen linken Parteien zu rechnen. Zu erwarten ist aber auch das die Parteien der Oligarchie ihren eingangs erwähnten Konflikt zurückstellen werden, wenn es darum geht, einen Wahlsieg der Linken zu verhindern.

 
Thorben Austen, von Beruf Krankenpfleger, lebt in Quetzaltenango und ist aktiv in der Wahlkampagne für MLP im Departamento Quetzaltenango.