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Anti Vietnam Rally NYC 1968
Anti Vietnam Rally NYC 1968, CC BY-NC 2.0, Winston Vargas, via Flickr

Im 50. Jubiläumsjahr wird die 68er-Bewegung im Mainstream häufig auf Kommune-Leben und kulturellen Aufbruch reduziert. Gleichzeitig werden die positiven Folgen von «1968» von der AfD und anderen rechten Kräften diffamiert.

Das fünfzigste Jubiläumsjahr bietet Anlass, Bilanz zu ziehen. Der zeitliche Abstand bringt es mit sich, dass dabei weniger die Auseinandersetzungen der damaligen Zeit im Mittelpunkt stehen, sondern am politischen Tagesbedarf orientierte Interpretationen.

«1968» steht für dreierlei: Erstens eine kurzzeitig in den Köpfen vieler Akteur*innen entwickelte Perspektive eines radikalen Bruchs: Fundamentalopposition und Ost-West-übergreifende bzw. weltweite Solidarität mit transnationalen Bezügen aufeinander, auch vermittelt durch die Massenmedien. «1968» steht in (West-)Deutschland zweitens für eine Wiederentdeckung verschütteter linker und feministischer Traditionen aus der Zeit vor 1933. Spätestens nach Prag 1968, wenn nicht schon nach Ungarn 1956, hat die Sowjetunion als Vorbild ausgedient.

Drittens: Die alternativen (und grünen) Stränge entwickeln sich – befördert durch «1968» – erst später. Die «Fundamentalliberalisierung» der politischen Kultur in der Bundesrepublik war weder das wichtigste Ziel noch der Kern der Auf- und Ausbrüche in den 1968er Jahren. Dies war eine Wirkung, die sich im Laufe der Jahre hinter dem Rücken der AkteurInnen vollzog. Der Marsch durch die Institutionen findet auch in den Einbauküchen statt. In Folge von «1968» entsteht eine, neue linke Bewegung.

Die Erkenntnis, dass «1968» global war, sich weltweit Kämpfe aufeinander bezogen und Ideen ausgetauscht wurden, ist heute weiter ins Bewusstsein gedrungen.

Die damals diskutierte Kombination aus radikaler Demokratie und sozialistischer Ökonomie bietet sich als Quelle für heutige Debatten geradezu an. Insbesondere die kulturrevolutionären wie auch die Selbstverwaltungs- und Sozialisierungskonzepte sind ein gutes Mittel, um Brücken zur Gegenwart zu schlagen, Brücken wie sie «1968» auch schon zu «1918» schlug.

Ja, «1968» hat die Welt verändert. Der Neoliberalismus ist auch eine Folge von «68», Mitbestimmung, flache Hierarchien und Selbstverwirklichung und sind heute auch Herrschaftstechniken, mit denen sich eine moderne Linke beschäftigen muss. Ist «68» also erfolgreich gescheitert?

 

Dossier «1968»

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Referent für Zeitgeschichte und Geschichtspolitik Bernd Hüttner
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