DossierDie neue multipolare Welt
Das internationale System befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Die unipolare Phase nach dem Kalten Krieg, die durch die Dominanz der USA geprägt war, weicht zunehmend einer multipolaren Ordnung. Neue und wiedererstarkende Staaten beanspruchen regionalen und globalen Einfluss, wodurch sich die geopolitische Landschaft hin zu einer Konstellation mit mehreren unterschiedlichen Machtzentren verändert. Diese Entwicklung wird teilweise als Korrektiv zur westlichen Hegemonie verstanden. Ihre Auswirkungen auf globale Gerechtigkeit und die Durchsetzung internationaler Normen sind jedoch umstritten.
Anstatt eine gerechtere Weltordnung einzuleiten, könnte die gegenwärtige multipolare Konfiguration auch Konkurrenz, Fragmentierung und geopolitische Spannungen verstärken. Internationales Recht wird zunehmend selektiv angewandt und multilaterale Institutionen sind durch politische Blockaden und strukturelle Ungleichgewichte gelähmt. Ob bei den andauernden Kriegen wie in Palästina oder der Ukraine – es offenbart sich eine tiefgreifende Krise normativer Prinzipien im globalen Umfeld. Die Entstehung neuer Machtpole geht bislang nicht unbedingt mit einer Neugestaltung globaler Governance im emanzipatorischen Sinne einher, sondern droht bestehende Hierarchien und Ungleichheiten zu reproduzieren.
In diesem Dossier kommen Stimmen aus der internationalen Zivilgesellschaft, aus der Wissenschaft und aus der Praxis zu Wort, um verschiedene regionale Perspektiven aufzuzeigen und die Widersprüche des multipolaren Moments zu beleuchten. Dabei stellen wir die Frage, ob eine gerechte Multipolarität möglich ist und welche politischen Konzepte, institutionellen Reformen und solidarischen Strategien sie erfordern würde.