Zu teures Essen? Kommt nicht in die Tüte!
Die Lebensmittelpreise sind seit 2020 stark gestiegen und belasten vor allem einkommensschwache Haushalte. Große Konzerne machen Riesengewinne.
Brot, Butter, Käse, Speiseöl, Kartoffeln: Die Preise für Lebensmittel sind seit 2020 massiv gestiegen. Was anfangs als vorübergehende Preisanpassung erschien, wurde zum dauerhaften Trend und entwickelt sich zu einer sozialen Krise. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung macht mit einer Aktion und zahlreichen Informationsmaterialien auf diese Entwicklungen aufmerksam. Klick dich durch und erfahre, was hinter den Preissteigerungen steckt, wer davon profitiert, wie sie die soziale Spaltung vorantreiben und wie der Trend aufgehalten werden kann.
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Die Lebensmittelpreise wurden stark erhöht
Längst lassen sind nicht mehr alle Preissteigerungen nur auf die Covid-19 Pandemie und den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zurückführen. Für Menschen mit wenig Geld wird der Einkauf im Supermarkt zu einer massiven Herausforderung. Während viele Verbraucher*innen Preise vergleichen, rechnen und sparen müssen, verzeichnen große Supermarkt- und Lebensmittelkonzerne allerdings Riesengewinne. Das wirft Fragen nach den wahren Ursachen der Preissteigerungen auf.
Preise steigen schneller als Löhne
Die Entwicklung der Einkommen in Deutschland zeigt ein alarmierendes Bild: Zwischen 2020 und 2024 sind die Löhne zwar leicht gestiegen, doch bereinigt um die Inflation zeigt sich ein deutlicher Kaufkraftverlust. Nach Berechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung verzeichneten die Beschäftigten 2022 den stärksten Reallohnverlust seit Beginn der Aufzeichnungen. Menschen in Deutschland können sich heute deutlich weniger leisten als noch vor der Krise.
Unternehmensprofite als Inflationstreiber
Oft wird behauptet, die Inflation sei hauptsächlich durch externe Faktoren wie Energiepreise, Klimawandel oder Lieferkettenprobleme verursacht. Doch aktuelle Untersuchungen zeigen ein anderes Bild: Eine Analyse der Europäischen Zentralbank aus dem Jahr 2023 belegt, dass ein erheblicher Teil der Inflation auf gestiegene Unternehmensgewinne zurückzuführen ist. Besonders im Lebensmittelsektor wurden die höheren Kosten nicht nur weitergegeben, sondern als Vorwand für überproportionale Preissteigerungen genutzt. Dadurch wurde die Lebensmittelpreisinflation ab 2023 zum Haupttreiber der allgemeinen Inflation. Während andere Preistreiber wie Rohstoff- und Energiekosten sich stabilisierten, blieben die Lebensmittelpreise auf hohem Niveau.
Nahrungsmittelpreiskrise von internationalem Ausmaß
Die Preissteigerungen bei Lebensmitteln sind ein weltweites Phänomen, das besonders in ärmeren Ländern Armut und Hunger verschärft. Die Welternährungsorganisation FAO dokumentiert diese Entwicklung in ihrem monatlichen Nahrungsmittelpreisindex. Dieser Index erreichte 2022 ein historisches Hoch und lag auch 2023 deutlich über dem Niveau von vor 2020.
Mehrere Faktoren treiben die Lebensmittelpreise weltweit in die Höhe: Zum einen nehmen klimabedingte Ernteausfälle durch die fortschreitende Klimakrise weiter zu. Die zunehmende Marktmacht weniger großer Agrarkonzerne macht die Märkte anfälliger für Spekulationen. Sie kontrollieren weite Teile des globalen Handels mit Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Mais und Soja und nehmen Einfluss auf Preise und Qualität vom Saatkorn bis zum fertigen Gericht auf unseren Tellern. Das ermöglicht es ihnen, in Krisenzeiten Einkaufspreise zu drücken und zusätzliche Gewinne durch Preissteigerungen zu erzielen.
Auch die zunehmende Finanzialisierung der Agrarmärkte ist ein Problem. An den Warenterminbörsen wird ein Vielfaches der tatsächlich gehandelten Getreidemengen als Finanzprodukt gehandelt. Diese Spekulation mit Nahrungsmitteln verstärkt Preisschwankungen und kann zu künstlichen Preissteigerungen führen.
Die internationalen Preisentwicklungen wirken sich auch direkt auf die Situation in Deutschland aus. Als Teil des europäischen Binnenmarktes und durch die internationale Verflechtung der Lebensmittelkonzerne sind die deutschen Verbraucherpreise eng mit den globalen Märkten verbunden. Große Supermarktketten nutzen diese komplexen Zusammenhänge auch in Deutschland häufig als Begründung für Preiserhöhungen, selbst wenn die tatsächlichen Kostensteigerungen im internationalen Handel dies nicht immer rechtfertigen.
Oligopol im Lebensmitteleinzelhandel – Dominanz begünstigt Preistreiberei
In Deutschland teilt sich eine Handvoll großer Handelskonzerne – Edeka (mit Netto), Rewe (mit Penny), Aldi (Nord/Süd) und die Schwarz-Gruppe (Lidl/Kaufland) – etwa 85 Prozent des Lebensmittelmarktes. Diese extreme Marktkonzentration verschafft ihnen eine dominante Verhandlungsposition gegenüber Produzent*innen und ermöglicht es ihnen, Verbraucher*innen höhere Preise und eingeschränkte Auswahlmöglichkeiten aufzunötigen. Das Bundeskartellamt hat in seinem Bericht zur Sektoruntersucheung des Lebensmitteleinzelhandels 2023 diese Marktkonzentration als problematisch eingestuft und auf die Gefahr des Missbrauchs von Marktmacht hingewiesen.
Besonders auffällig wurde dies in den Jahren 2022 und 2023, als viele Handelskonzerne trotz der öffentlichen Diskussion über Kostensteigerungen beachtliche Gewinne verbuchten. So verzeichnete beispielsweise die Schwarz-Gruppe (Lidl/Kaufland) im Geschäftsjahr 2023/24 einen Konzernjahresüberschuss von 1,9 Milliarden Euro, die Rewe-Gruppe von 736 Millionen Euro. Daraus lässt sich schließen, dass große Einzelhandelskonzerne ihre Marktposition in den Krisenjahren weiter ausbauen und sogenannte «Mitnahmeeffekte» erzielen konnten.
Intransparente Preisbildung verschleiert wahre Kosten
Das größte Problem ist die mangelnde Transparenz bei der Preisgestaltung. Weder Verbraucher*innen noch Behörden oder unabhängige Organisationen können nachvollziehen, wie sich der Endpreis eines Produkts zusammensetzt und welche Akteure in der Lieferkette welchen Anteil erhalten. Diese Intransparenz ermöglicht es den marktbeherrschenden Unternehmen, die Preise zu ihren Gunsten zu gestalten. Daher fordert beispielsweise die Verbraucherzentrale die Einrichtung einer Preisbeobachtungsstelle in Deutschland, um Rückschlüsse auf Inflationstreiber und Preisabsprachen zwischen Konzernen aufzudecken.
Soziale Folgen der Preissteigerungen
Die Auswirkungen dieser Entwicklung sind für viele Menschen dramatisch. In Deutschland konnten sich im Jahr 2023 rund 13,1 Prozent der deutschen Bevölkerung nicht wenigstens jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit leisten. Global betrachtet sind die Folgen noch drastischer – in ärmeren Ländern müssen Familien bis zu 80 Prozent ihres Budgets für die Versorgung mit Nahrungsmitteln aufwenden, etwa 30 Prozent der Weltbevölkerung leiden an mäßiger bis starker Ernährungsunsicherheit.
Die aktuelle Situation zeigt deutlich, dass ein System, in dem wenige große Konzerne den Lebensmittelmarkt kontrollieren, in Krisenzeiten besonders anfällig für Preismissbrauch ist. Beispiele aus anderen Ländern wie Spanien zeigen, dass es dafür politische Hebel zur Regulierung wie Preisobergrenzen gibt.
Weitere Quellen:
- Statista: Nettoumsatz der führenden Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland im Jahr 2023
- Statistisches Bundesamt: Verbraucherpreisindex - Preisentwicklung für Nahrungsmittel - Januar 2020 bis Dezember 2024
- Agrarheute: Teure Lebensmittel: Diese vier Handelsriesen zocken die Verbraucher ab
- R&W Fachmedien Recht und Wirtschaft: Marktbeherrschung im Lebensmitteleinzelhandel?
- Heinrich-Böll-Stiftung: Krisengewinne und Lebensmittelteuerung
- Tagesschau, 24.5.2023: Bereichern sich Konzerne an der hohen Inflation?
- Kritischer Agrarbericht: Ernährungsarmut in Deutschland
- Verbraucherzentrale NRW: Lebensmittelpreise und Ernährungsarmut – nicht nur in der Krise
- Handelsblatt, 24.5.2023: Die Gewinner und Verlierer der hohen Lebensmittelpreise
- Rosa-Luxemburg-Stiftung: Krisenpuffer gegen die Inflation
- OXFAM: Inflation bei Lebensmitteln verschärft soziale Ungleichheit – Supermarktketten profitieren
- manager magazin, 10.10.2024: Das sind die 500 reichsten Deutschen
- Netzwerk Steuergerechtigkeit: Die Analyse der deutschen Milliardenvermögen
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