Pressemeldung | »Im Westen ist jeder Euro gut investiert«

Aufbauhilfe aus dem Osten: Die RLS will Büros besser ausstatten und den Fusionsprozeß von Linkspartei und WASG begleiten. Ein Gespräch mit Evelin Wittich (junge welt, 24.10.2005)

F: Nach dem guten Wahlergebnis der Linkspartei.PDS hofft die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS), künftig deutlich mehr staatliche Fördermittel zu erhalten. Wofür werden Sie das zusätzliche Geld hauptsächlich verwenden?

Schwerpunkt sind ganz klar die westlichen Bundesländer. Wir haben im Westen keine Landesstiftungen, die Mittel der Länder bekommen, wie das im Osten der Fall ist, wo die Linkspartei in den Landtagen sitzt. Dort haben wir Landesstiftungen und Clubs mit ehrenamtlichen Mitarbeitern. Diese wollen wir mit Hauptamtlichen besetzen, zumindest aber mit halben Stellen. Überhaupt wollen wir mehr Projektmittel in den Westen geben, denn die Vereine im Westen haben sich ausgezeichnet entwickelt. In sie ist jeder Euro wirklich gut investiert.

F: Wie wird sich die Zusammenarbeit der RLS mit der WASG in Zukunft gestalten?

Wir arbeiten auch mit der PDS nicht unmittelbar zusammen, sondern mit den Fraktionen und Einzelpersonen der Partei. Wir sind offen für neue Mitglieder und haben die WASG aufgefordert zu schauen, welche linken Intellektuellen und Menschen mit Erfahrung in der politischen Bildung aus ihrem Umfeld für eine Mitgliedschaft in der RLS geeignet oder bereit wären, in Gesprächskreisen und Arbeitszusammenhängen mitzumachen.

F: Der Verein WAsG e.V., der Vorgänger der Partei, besteht noch immer. Sehen Sie die Gefahr, daß dieser in eine Stiftung umgewandelt wird, die dann gewissermaßen Konkurrent der RLS wäre?

Die Gefahr sehe ich nicht. Die rechtliche Situation ist ja so: Wir sind die Stiftung der Linkspartei, anerkannt durch den Parteitag. Die Fraktion im Bundestag ist die der Linkspartei – mit Mitgliedern der WASG. So ist die Rechtslage zur Vergabe der Mittel eindeutig. Sollte die WASG jetzt eine eigene Stiftung gründen, müßte sie nachweisen, daß sie vier Legislaturperioden im Bundestag war, um Bundesmittel zu bekommen. Das ist nicht möglich. Außerdem haben wir schon die nötigen Strukturen und wir waren traditionell immer offen für linke Strömungen, haben uns bemüht, einen sehr pluralen linken Anspruch zu vertreten.

F: Inwieweit gestaltet die RLS den Fusionsprozeß von Linkspartei.PDS und WASG mit?

Wir begleiten ihn durch öffentliche Diskussionsveranstaltungen zu programmatisch wichtigen Fragen. Das Ganze nennt sich gesellschaftspolitisches Forum. Die erste Veranstaltung hat bereits am 8. Oktober stattgefunden. Thema: »Die Neufindung des Sozialstaates«. Zu der Debattenreihe laden wir Akteure der Linkspartei, der WASG und andere Linke ein. Aus diesen Forumsveranstaltungen werden wir Dokumentationen herstellen. Darauf können die Verteter von Linkspartei und WASG in den programmatischen Diskussionen zum Parteibildungsprozeß zurückgreifen. Wir haben da die Funktion des Think-Tanks und hoffen natürlich, daß sich die Politiker die Ergbenisse dessen, was hier diskutiert wird, auch anschauen.

F: In welchen Punkten sollte die Linkspartei auf ihren Forderungen beharren, wo kann man auf die WASG zugehen?

Die Linkspartei hat eine lange programmatische Debatte hinter sich zu Fragen der gesellschaftlichen Perspektive, also sollte Sozialismus als Wert in jedem Fall eine Rolle spielen. Ich habe auch den Eindruck, daß führende Vertreter der WASG durchaus bereit sind, darüber nachzudenken. Keine Abstriche darf die Linkspartei bei der Quotierung und bei der Einbindung von Frauen in die Politik machen. Außerdem sollte sie sich gegenüber den Gewerkschaften und anderen Akteuren der westdeutschen Linken öffnen. Das Gewerkschaftsverständnis des Westens ist längst noch nicht Allgemeingut in der Linkspartei. Es gibt da noch für uns hochinteressante Menschen und Milieus, die uns bislang verschlossen geblieben sind und die die Linkspartei mit offenen Armen aufnehmen sollte.

Ein saniertes Haus
 
Nach dem Wahlerfolg der Linkspartei.PDS darf die Rosa-Luxemburg-Stiftung auf deutlich mehr staatliche Fördermittel als bisher hoffen
 
Auf dem staubüberzogenen Fußboden stehen dicke Rollen mit filzigem Teppich, Farbeimer, Kisten mit Werkzeug. Die Heizung geht nicht. Mal wieder.

Die Dame des Hauses hat das Weite gesucht. An den Wänden des Flurs in der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) in Berlin-Friedrichshain hängen für gewöhnlich Bilder aus dem und Infotafeln über das Leben der Ikone des demokratischen Sozialismus. Jetzt aber wird renoviert.

Zwar geht die Initiative von der Hausverwaltung aus, aber es paßt ins Bild. Die der Linkspartei.PDS nahestehende Stiftung ist im Aufwind – dem guten Ergebnis der Linken bei der Bundestagswahl sei Dank. So zieht die RLS gestärkt in die Verhandlungen um staatliche Fördermittel. Dabei feilschen die Vertreter der Stiftungen der politischen Parteien um die zuletzt insgesamt 87 Millionen Euro, die der Bund für vier Jahre zur Verfügung stellt. »Es gibt kein Gesetz für die Verteilung, es wird zum Beispiel nicht nach Fraktionsstärke verteilt«, erklärt Geschäftsführerin Evelin Wittich, die für die RLS verhandelt.

Bisher wurde diese eher wohlwollend geduldet, bekam für die vergangene Legislaturperiode 3,48 Millionen Euro, also vier Prozent der Höhe der Gesamtfördersumme. Allerdings nicht aus diesem Haushaltsposten, sondern nach einem anderen Schlüssel.

Wittich strebt nun eine Gleichbehandlung mit den Stiftungen von CSU, FDP und Grünen an. Diese haben zuletzt jeweils elf Prozent aus dem Topf erhalten. »Wir wollen künftig genauso viel bekommen wie die Seidel-, die Naumann- und die Böll-Stiftung«, betont Wittich, »aber das wird sehr schwer.« Der Regel nach muß die einer Stiftung nahestehende Partei viermal hintereinander in den Bundestag einziehen, damit die Stiftung Gelder aus dem großen Fördertopf bekommen kann. Wittich hofft, daß die RLS ähnlich wie einst die Böll-Stiftung behandelt wird. Die Grünen waren von 1990 an eine Legislaturperiode lang nicht im Bundestag vertreten, aber ab 1994 wurde die Böll-Stiftung wieder sehr viel stärker gefördert.

Die Höhe des Mittelzuwachses mag ungewiß sein, die Stimmung in der RLS ist prächtig. »Wir sind völlig ausgeflippt vor Freude«, sagt Marion Schütrumpf, Verantwortliche für Publikationen, mit Blick auf den Wahlabend.

Noch vor gut einem Jahr sah es dagegen schlecht aus für die RLS. »Wir hatten Existenzängste. Die Befürchtung war, daß wir zum 31.12.2005 abgewickelt werden«, so Schütrumpf. Nach dem Wahldebakel der PDS 2002 lief es wegen der Mittelkürzung auch für die RLS schlecht. Michael Brie, der Bereichsleiter Politikanalyse, wollte 2003 in einer Publikation wissen: »Ist die PDS noch zu retten?«.

Doch sie haben nie aufgegeben im Hause Luxemburg. »Verzweifelt-hoffnungsvoll« sei die Stimmung gewesen, so Marion Schütrumpf. Und im Zuge der Proteste gegen die »Agenda 2010« und »Hartz IV« merkten sie: Es geht noch was. Die Linkspartei.PDS kann den Enttäuschten und Benachteiligten eine Stimme geben.

Und dann kam Oskar.

Nach der angekündigten Zusammenarbeit mit Lafontaine und WASG und der folgenden Explosion der Umfragewerte für die Linken ging »ein Ruck durch unsere Mitarbeiter«, wie Geschäftsführerin Wittich es formuliert. Allein im Westen wurden nach der NRW-Wahl binnen 14 Tagen zwölf Informationsveranstaltungen aus dem Boden gestampft. »Die Mitarbeiter gucken seitdem nicht mehr auf die Arbeitszeiten und ackern, engagieren sich unheimlich«, erzählt Wittich.

Da wollte auch die Partei nicht nachstehen und befeuerte die Euphorie mit 8,7 Prozent bei der Bundestagswahl. »Die Stiftung hätte das Jahr 2006 aber auch erlebt, wenn man uns die Mittel gestrichen hätte. Wir haben ja früher auch nur ehrenamtlich und mit ABM-Leuten gearbeitet«, sagt Geschäftsführerin Wittich gewohnt kämpferisch. Seit der Wahl aber planen die Macher der RLS wieder eine optimistische Zukunft.

Es wird freilich bis Mitte 2006 dauern, ehe der Bundeshaushalt steht und die Stiftungen der Parteien die Aufteilung der Fördermittel verhandeln können. Bis dahin werden die Teppichrollen, die Farbeimer und die Werkzeugkisten verschwunden sein. Rosa Luxemburg wird aus ihrem Exil im Kulturhaus im vorpommerschen Pasewalk zurück kommen. Es könnte die Heimkehr in ein saniertes Haus werden.