Pressemeldung | Aufbau-Stunden beleben das Dorf. Bürgerschaftliche Projekte bleiben die Ausnahme.

Lebensfähige Dörfer sind unverzichtbar für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft. Was ist zu tun, um das soziale Miteinander, die lokale Ökonomie, die Infrastruktur im ländlichen Raum zu stärken, fragte kürzlich eine Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung. (Neues Deutschland, 30.6.2006)

Es gibt kaum mehr eine Dorfpolitik in Deutschland, kritisiert Prof. Kurt Krambach, Leiter des Gesprächskreises Ländlicher Raum. Dagegen könnten in anderen europäischen Ländern von Finnland über Polen bis Portugal ehrenamtliche ländliche Parlamente, die die lokalen Akteure vereinen, Einfluss auf die Kommunalpolitik nehmen.

Eigene soziale Kräfte

Doch im Land Brandenburg tut sich etwas. Seit zwei Jahren besteht die »Arbeitsgruppe Dorf«, berichtet deren Leiter Jens-Uwe Siebert, als Teil der »Brandenburgischen Werkstatt Lokale Agenda 21«. Sie will die nachhaltige Entwicklung von Dörfern dergestalt fördern, dass die lokalen Akteure die Zukunft des Dorfes selbst planen und die eigenen sozialen Kräfte und anderen Ressourcen für die Lebendigkeit ihres Dorfes nutzen.
Obwohl bürgerschaftliche Projekte im Natur- und Umweltschutz sowie bei Dorf- und Stadtentwicklung aus Lottomitteln unterstützt werden, hat das personelle und finanzielle Engagement der Verwaltungen für die Lokale Agenda 21 angesichts der Haushaltsprobleme deutlich nachgelassen, kritisiert Siebert. Das könne nur zum Teil durch ehrenamtlichen Einsatz von Bürgern aufgefangen werden.
Die Arbeitsgruppe will Beispiele der Dorfaktivierung schaffen und publik machen. Dem diente eine Untersuchung in fünf brandenburgischen Dörfern durch Studenten der Humboldt- und der Freien Universität Berlin. In Experteninterviews, »Küchentischgesprächen« und Repräsentationen vor Ort trugen sie Wünsche zur Gestaltung der Dörfer, eigene Aktionen und Beschwerden zusammen. Zwei der Dörfer haben sich schon einen Namen gemacht: das Ökodorf Wulkow im Kreis Märkisch-Oderland und das Sportdorf Deetz nahe Potsdam. Aber auch in den anderen Dörfern gestalteten Bürger die Dorfplätze neu, unternahmen gemeinschaftliche Aktionen etwa zur Waldreinigung, Pflege öffentlicher Grünstreifen oder zur Renaturierung der Ufer der Weißen Elster. In Fürstlich Drehna, Kreis Dahme-Spreewald, war die Parkgestaltung wichtigstes Bürgeranliegen. Maasdorf, Kreis Elbe-Elster, glänzte mit 600 freiwilligen »Aufbau«-Stunden je Bewohner und Jahr.
Durch den Einsatz vieler werden auch öffentliche Einrichtungen geschaffen, um Einwohner und Touristen gleichermaßen anzulocken: so ein Fachwerkhaus in Kroppen im Oberspreewald oder das Heimatmuseum in Deetz. Lebenswichtig aber ist auch, dass vom Gemeinschaftssinn in den Dörfern das lokale Gewerbe profitiert. Gaststätten werden für Familienfeiern und überdörfliche Theaterveranstaltungen genutzt, Dorfbewohner verschenken Gutscheine für lokale Einrichtungen (Sauna), kaufen im Dorfladen regionale Produkte.

Licht und Schatten

Die Leiterin der Studie, Silke Stöber, gab zu bedenken, dass die Integration von ABM in den 1. Arbeitsmarkt nicht gelungen und Sozialneid zwischen Arbeitenden und Arbeitslosen nicht zu übersehen sei. Ungerechte Verteilung von Fördermitteln und unterschiedliches Engagement wurden ebenfalls bemängelt. Dennoch leben 95 Prozent der Befragten gern in ihrem Dorf.
Die Studie lässt aber auch erkennen, dass vereinsübergreifende Arbeit nur punktuell praktiziert wird. Im Bereich kommunale Politik und Dorfentwicklung ist Zusammenarbeit Ausnahmefall. Anders als etwa in Skandinavien fehlt ein Dachverband für Dorfentwicklung.