Nachricht | International / Transnational Für Menschenrechte und eine globale Weltbürgerschaft

Die RLS auf dem Weltsozialforum für Migration in Madrid

Eine Gruppe von brasilianischen Aktivistinnen von der Organisation “Grito dos Excluidos – Schrei der Ausgeschlossenen”, Mitveranstalter des Zweiten Weltsozialforums fuer Migration, befindet sich gemeinsam mit mir, dem Vertreter der Rosa-Luxemburg-Stiftung, auf dem Flug zum WSF nach Madrid.

“Du brauchst wohl keine Einreisepapiere auszufüllen”, fragt mich mein brasilianischer Sitznachbar. “Nein, ich habe ja einen deutschen Reisepass”, so meine Antwort. Deshalb brauche ich, so wie auch jene brasilianischen Passagiere, die einen spanischen oder anderen EU- Reisepass ihr eigen nennen, keine Grenz- oder Zollkontrollen bei der Einreise in Madrid über mich ergehen zu lassen.
Nur die Brasilianer, die mit viel Glück noch einen der freien Plätze in dem IBERIA– Flugzeug abbekommen haben, da die brasilianische Fluggesellschaft VARIG, die im Konkurs steht, kurzfristig ihre Flüge nach Madrid gestrichen hatte und  die bisher  noch keine Doppelstaatsbürgerschaft aus einem EU Land beantragt haben, kamen um die Kontrolle nicht herum. Dabei haben sie in der Regel Familienmitglieder in Spanien oder anderswo in der EU, aber eben noch nicht den “richtigen” Pass bei der Hand.

Hier schon fangen die Alltagsprobleme zum Thema Einwanderung an. Als zahlungskräftige Touristen, die vorübergehend die Länder ihrer nationalen Herkunft in der EU besuchen, sind sie allzeit herzlich willkommen. Wehe aber, sie wollen nicht nur Verwandte besuchen, sondern einen gut bezahlte Arbeit und gleichberechtigte Lebens- und Aufenthaltsbedingungen in ihren neuen Gastländern haben, da hört bei vielen die Freundschaft und Solidarität auf…

Der Weltsozialforumsprozess lebt und erschließt neue Räume der Bürgerpartizipation

Der 50.000 Einwohner zählende Madrider Vorortstadteil Rivas Vaciamadrid, in dem der Migrantenanteil der Bevölkerung 10% beträgt und der Beteiligungshaushalt zum Alltag gehört, war vom 22.bis 24. Juni 2006 Gastgeber des Zweiten Weltsozialforums fuer Migration. Das erste Treffen zum Einwanderungsproblem hatte im Januar 2005 in Porto Alegre stattgefunden  und die Stimmung, die die mehr als 1.000 internationalen TeilnehmerInnen aus 84 Ländern hier verbreiten, erinnerte mich an das letzte WSF in Porto Alegre.
In Fortführung des Sozialforums kamen VertreterInnen von 1.193 Organisationen und Bewegungen der Zivilgesellschaft und internationale Persönlichkeiten, die sich dem Thema des Kampfes für die Rechte der EinwanderInnen verschrieben haben. Das Treffen stand unter der Losung “ Für Menschenrechte und eine globale Weltbürgerschaft – eine andere Welt ist möglich”.

Im Mittelpunkt der zahlreichen Debatten, Seminare und Workshops standen:

- die Schaffung eines Reflexionsraumes zum Austausch über das Thema Einwanderung unter den zivilgesellschaftlichen Bewegungen und Organisationen, die sich dem Weltsozialforumsprozeß verbunden fühlen und antineoliberale politische Ziele vertreten,

- die Darstellung und Analyse der Folgen von Einwanderung in den davon betroffenen Ländern,

- das Aufzeigen von neuen Formen der Verfolgung und Diskriminierung von Einwanderern und Entwicklung von entsprechenden internationalen rechtlichen Schutznormen,

- die Durchsetzung von Rechtsnormen zur Abschaffung gewaltsamer Abschiebung und von Mechanismen zur Selbstregulierung internationaler Einwandererströme.

Die politische Dimension des Einwanderungsthemas

Das Einwanderungsproblem ist von globaler Dimension und wird immer mehr zu einem Hauptthema der alternativen sozialen Bewegungen sowie der gesamten Linken.
In den letzten 30 Jahren ist die Zahl der Einwanderer weltweit auf über 200 Millionen Menschen angewachsen. Es führt zu wachsenden sozialen Konflikten, vor allem in den Einwanderungsländern, in denen die Regierungen keine vernünftigen politischen Lösungen entwickeln und mit restriktiven Maßnahmen versuchen, der wachsenden Probleme der Migration Herr  zu werden.
Deshalb ist es auch kein Zufall, dass dieses Treffen in einem Land wie Spanien stattfand, wo immer mehr Menschen aus Osteuropa, Lateinamerika, Asien und Afrika  zusammenleben und die unterschiedlichen Kulturen täglich sichtbar aufeinandertreffen.
Die Gastgeber in Rivas haben deshalb auch parallel zum Forum ein internationales Straßenkulturfestival organisiert, um über  die völkerverbindende Kraft der Kulturen die Teilnehmer und Gastgeber noch stärker miteinander in Kontakt zu bringen.
Die wachsende Bedeutung des Einwanderungsthemas wurde auch auf dem Europäischen Sozialforum vom 4. bis 7. Mai in Athen deutlich. Wie ein roter Faden zog sich die Kritik an der Ausgrenzungspolitik der EU, der Einschränkung der Ausländerrechte , der Kampf für die Legalisierung und Verteidigung der Rechte von Asylanten sowie die Annahme einer internationalen  Konvention zum Rechtsschutz der Einwanderer und ihrer Familien durch die Debatten auf dem Forum in Athen. Im Ergebnis des ESF wurde die Durchführung von Manifestationen zum Thema Einwanderung am 7. Oktober 2006 beschlossen.

Dieser Vorschlag wurde auf dem Abschlußtreffen von den Vertretern der teilnehmenden  Organisationen und Bewegungen auf dem WSF in Rivas unterstützt und zu weltweiten Kampfaktionen zur Verteidigung der Rechte der Einwanderer am 18. Dezember  2006 aufgerufen.
In der “Deklaration von Rivas” verpflichten sich die Teilnehmer zur Organisation eines weiteren eigenständigen WSF für Migration und zur Umsetzung der im Ergebnis dieses Treffens vereinbarten gemeinsamen Aktionen. Es wird ein ständiges internationales Arbeitsgremium geschaffen, das für die weitere Arbeit an der “Weltcharta der Einwanderer”, die Ausarbeitung der Konzeption und des Programms zum Einwanderungsthema auf dem WSF 2007 in Nairobi sowie die Vorbereitung einer jährlichen weltweiten Kampfaktion zur Durchsetzung der Rechte und Forderungen der Einwanderer verantwortlich ist.

In der Abschlußerklärung von Rivas wird hervorgehoben, dass das Migrationsproblem im Zusammenhang mit der neoliberalen Entwicklung steht. “Es handelt sich um einen politischen, ökonomischen, kulturellen und sozialen Entwicklungsprozeß, der im direkten Zusammenhang  mit den Auswirkungen des Wirkens des weltweit dominierenden neoliberalen Gesellschaftsmodells zu sehen ist. Die Einwanderungspolitik ist Bestandteil der globalen Menschenrechte. Die Weltbürgerschaft bildet eine Notwendigkeit für das Zusammenleben der Völker. Deshalb müssen alle Menschen, die in andere Länder einwandern, über gleiche grundlegendende Bürgerrechte, wie das Recht auf Wahlbeteiligung, unabhängig von ihrer Herkunft und Nationalität, verfügen.”.

Der brasilianische Mitveranstalter des WSF Migration in Rivas und Projektpartner der Rosa Luxemburg Stiftung , Luiz Bassegio, forderte im Namen von “Grito dos Excluidos” und der brasilianischen  katholischen Organisation “Pastoral dos Migrantes”, dass alternative Gesellschaftsmodelle diskutiert werden sollten. „Das WSF hat zum Ziel, die Menschen in Spanien und in der ganzen Welt auf die Probleme der Einwanderung aufmerksam zu machen und Wege zur Veränderung unserer heutigen Welt aufzuzeigen, den Reichtum zukünftig gerechter zu verteilen und den heutigen Leiden und Diskriminierungen der Einwanderer und ihrer Familien für immer ein Ende zu bereiten”.