Überschattet von den geplanten Massenentlassungen des Unternehmens Airbus hielten Politiker der Linksfraktion im Bundestag am Freitag ihre seit längerem geplante internationale Konferenz zur EU-Verfassung ab. Die Linke wolle »einen anderen europäischen Weg gehen«, erklärte Fraktionschef Oskar Lafontaine auf der Veranstaltung. Weiteres »Sozialdumping« müsse mit einer Sozialcharta verhindert werden, weiteres »Lohndumping« durch die Einführung EU-weiter Mindestlöhne sowie »Steuerdumping« durch Einführung gemeinsamer Mindeststandards bei Einkommenssteuern. Die Eckpunkte eines alternativen Verfassungsvertrages hatte die Linksfraktion bereits im Januar in einem »Memorandum für eine demokratische, freiheitliche, soziale und Frieden sichernde Europäische Union« vorgelegt.
Neben Lafontaine erklärten auch Marie-George Buffet, die Präsidentschaftskandidatin der französischen Linken, Fausto Bertinotti, der Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer, und Francis Wurtz, der Fraktionsvorsitzende der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL), ihre Ablehnung des von Airbus geplanten Abbaus von 10000 Stellen. Das Vorhaben zeige die »Legitimationskrise« des wirtschaftlichen und sozialen Modells der Europäischen Union und mache deutlich, daß dieses nach »grundsätzlichen Änderungen« verlange, so Wurtz.
Eine weitere Konferenz der europäischen Linken begann am Freitag abend mit einem Kulturprogramm und endete nach mehreren Podiumsveranstaltungen am Sonntag. Unter dem Motto »Die Europäische Union neu gründen?« diskutierten auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der GUE/NGL Politiker aus allen Teilen der EU linke Strategien im europäischen Einigungsprozeß. Unter den Teilnehmern waren etwa die Europaabgeordneten der GUE/NGL Gabi Zimmer und André Brie (Deutschland), Erik Meijer (Niederlande) und das Vorstandsmitglied der kommunistischen Partei Frankreichs (PCF) Daniel Cicera.
Obwohl man sich in der Ablehnung des vorliegenden Verfassungsentwurfes einig war, offenbarte die Diskussion unterschiedliche Einschätzungen der europäischen Integration insgesamt. Bereits im Vorfeld der Konferenz hatte André Brie in einem Strategiepapier ein klares Bekenntnis zu einem »vereinigten Europa« gefordert. »Vieles«, bekräftigte er nun am Samstag mit Blick auf die Euroskeptiker in der Linken, sei »nicht aufzulösen, indem man es radikal negiert«. Die erneuerte Linke müsse »eine europäische Linke« sein und die Einigung »aktiv und konkret« unterstützen. Die richtige Antwort auf den Neoliberalismus sei nicht eine »Renationalisierung«, sondern die »Demokratisierung der EU«. Auch Gabi Zimmer zeigte sich eher pragmatisch, als sie zu bedenken gab, die Linke habe nun einmal »nicht die Mehrheit, eine eigene Verfassungsvorlage durchzusetzen«. Nötig sei daher eine Suche nach Chancen, »jetzt Einfluß zu nehmen«.
Die Rolle des Mahners, sich nicht im internen Richtungsstreit zu verlieren, übernahm indessen der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Wolfgang Gehrcke. Statt nur den Dissens zu diskutieren, riet er, müsse man »auch Konsenspunkte zusammenstellen, um zum politischen Handeln zu kommen«.
Pressemeldung | Westeuropa Zaghaftes »Nein«
Auf zwei Konferenzen diskutierten linke EU-Politiker die Europäische Verfassung. Einige fordern aktive Unterstützung des Einigungsprozesses (junge welt, 12.3.2007)