Pressemeldung | Eine Ökologie der Gerechtigkeit

Rosa-Luxemburg-Stiftung dachte über Theorie der Nachhaltigkeit nach. (Neues Deutschland, 23.7.2007)

Das Konzept der Nachhaltigkeit hat auch für die Linke einigen Reiz. Das zeigt der jetzt veröffentlichte Tagungsband »Theoretische Grundlagen nachhaltiger Entwicklung«, der ein Seminar des Gesprächskreises Nachhaltigkeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Mai 2006 widerspiegelt.

Als der Klimawandel noch in einiger Ferne lag, wurde nach dem Umweltgipfel 1992 in Rio jahrelang viel Papier zur nachhaltigen Entwicklung (sustainable development) beschrieben. Man schuf die Idee der Lokalen Agenda und verwandte viel Energie darauf, im Kleinen nachzuweisen, dass ein Entwicklungspfad möglich ist, der Ökonomie, Ökologie und Soziales verbindet. Praktische Relevanz im nationalen Maßstab bekamen diese Konzepte aber nie – ein Grund auch, warum sich der Klimawandel verschärfte und der sogenannte Handlungsbedarf sogar die illustre G8 erreichte.

Nachhaltige Entwicklung als ein langfristiges, evolutionäres Konzept hat deswegen aber nicht ausgedient. Für die Linke, die nicht mehr mit der sofortigen revolutionären Machtergreifung rechnet, besitzt das Nachdenken über Nachhaltigkeit einige Attraktivität.

Wenn Nachhaltigkeit schon eine ziemlich theoretische Angelegenheit ist – was sind dann deren theoretische Grundlagen? Der Grund für den abschreckenden Titel mag darin gelegen haben, dass sich die Protagonisten des Seminars nicht sicher waren, ob Nachhaltigkeit noch als konzeptionelle Anregung taugt und man sich deshalb erst ihrer Grundlagen vergewissern müsste.

Die bekannte Herleitung des Begriffs der Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft findet sich denn auch – detailgetreu wie nie zuvor – in dem Band. Aus diesem lässt sich auch unschwer herauslesen, dass die Linke nachhaltige Entwicklung nur in Kombination mit einer entsprechenden Verteilungsgerechtigkeit akzeptieren kann.

Nachhaltigkeit kennt im Grunde keine politische Präferenz, sie ist auch unter neoliberalem Vorzeichen möglich. Dass dies auf ein Überleben derjenigen Länder auf diesem Planeten hinausläuft, die die Folgen des Klimawandels zu bewältigen vermögen, und vermutlich Millionen Menschen das Leben kosten wird, steht auf einem anderen Blatt.

Ökologie biete »keine Basis, um Gerechtigkeitsbegriffe abzuleiten, sondern Gerechtigkeitsbegriffe haben ihren eigenen Stellenwert, sind keine abgeleiteten Werte, sondern sind primäre Werte im Leitbild der Nachhaltigkeit«, betont im Band Joachim Spangenberg vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. So weit, so gut. Die nicht ganz neue Frage für die Linke ist nur: Wie bekommt man Gerechtigkeit hin, wenn man zugleich davon ausgeht, dass die ökologische Tragfähigkeit der Erde schon ums Mehrfache überschritten ist?

Hier steht die Bewegung noch ganz am Anfang. Eine denkbare Variante wäre, die künftig erlaubten Treibhausgas-Emissionen pro Kopf aufzuteilen – die Menschen also völlig gleich zu behandeln. Eine solche Gleichbehandlung ist, ver-glichen mit der unglaublichen neoliberalen Umverteilung zugunsten der Vermögenden, fast schon revolutionär zu nennen. Wer seine Emissionen nicht verbraucht, weil er nachhaltig lebt, könnte sie weiterverkaufen und so zusätzliches Einkommen erzielen. An den herrschenden sozialen Verhältnissen würde dies freilich nichts ändern.

Genau besehen ist Gleichheit noch eine bürgerliche Idee. Für eine Linke, die sich sozialistisch nennt, ist das zuwenig. Ihr Leitbild ist das eines menschenwürdigen, selbstbestimmten Menschenlebens. Zu fragen wäre, wie sich dieses Leitbild, das natürlich nicht nur Bedürfnisse nach Essen, Wohnen und Arbeiten, sondern auch nach Kommunikation, Mobilität und Fürsorge einschließt, unter den Bedingungen einer nachhaltigen Entwicklung realisieren lässt? Soll Jedem hier künftig eine (preiswerte) Grundversorgung garantiert werden, und würden alle darüber hinausgehenden Bedürfnisse – schon wegen des Knappheitspreises oder mit einer satten Klimaschutzsteuer belegt – teuer?
Jüngst bei der Ökokonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Bundestags-Linksfraktion gab es sogar die Forderung, durch Umweltpolitik mehr Gerechtigkeit in dieser (kapitalistischen) Gesellschaft herzustellen. Wer solche Ansprüche formuliert, sollte dann auch die Arbeit an konkreten Konzepten nicht scheuen. Um eine Ökologie der Gerechtigkeit anzugehen, bietet der vorliegende Band eine ganz hervorragende theoretische Grundlage.

Klaus Meier, Evelin Wittich (Hrsg.): Theoretische Grundlagen nachhaltiger Entwicklung, Seminar des Gesprächskreises Nachhaltigkeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung am 17./18. Mai 2006, Karl Dietz Verlag Berlin, 2007, ISBN 3-320-02107-8.