Nachricht | International / Transnational Gemeinsamkeiten auf zwei Seiten der Welt

Vom 9. bis 14. Mai 2008 hielt sich eine Delegation der RLS in Japan auf. Anlass war ein Workshop der Sozialistischen Assoziation zu Fragen der (linken) Kommunalpolitik in Deutschland.

Brigitte Wolf, Stadträtin in München, Angelika Gramkow, MdL Mecklenburg-Vorpommern, Thomas Händel, stellv. Vorsitzender der RLS und Lutz Brangsch, Leiter des Bereichs Politische Bildung der RLS, vertraten die Stiftung auf diesem Treffen. Die Assoziation ist ein linker Bildungsverein, in dem vielfältige Veranstaltungen angeboten werden. An dem Treffen nahmen etwa 40 KommunalpolitikerInnen aus verschiedenen Teilen Japans teil.

Im Zuge der Diskussion zeigte sich, dass auf der kommunalen Ebene viele Gemeinsamkeiten zwischen den Problemen in Deutschland und Japan bestehen. Dies betrifft vor allem die finanzielle Situation der Kommunen und die Frage der zukünftigen Rolle der Beteiligung von BürgerInnen an politischen Entscheidungen über den Wahlakt hinaus. In Japan sind die den Kommunen zur Verfügung stehenden Mittel in den letzten Jahren um ein Drittel gesunken. Es wachsen die regionalen Unterschiede und junge Menschen wandern in die großen Städte ab. Auf großes Interesse stießen die Informationen über die Auseinandersetzungen um Privatisierung und die ersten Ansätze zur Rekommunalisierung privatisierten öffentlichen Eigentums.

Auch hier in Japan wird über sinkende Akzeptanz des politischen Systems und entsprechend sinkende Wahlbeteiligung geklagt. Dies hängt immer auch mit dem Zustand der politischen Parteien zusammen. Dementsprechend nahm nach der Vorstellung von zentralen Fragen der Kommunalpolitik in Deutschland die Diskussion zur Situation der LINKEN in Deutschland einen breiten Raum ein. Der Hintergrund für dieses rege Interesse wurde bei Besuchen der Delegation bei verschiedenen politischen Parteien sowie bei weiteren Diskussionen mit Aktivisten vor allem aus der Sozialistischen Assoziation deutlich.

Die Delegation nutzte die Gelegenheit, sich bei verschiedenen Parteien über deren Bewertung der gegenwärtigen Situation in Japan, vor allem auch der der oppositionellen linken Bewegungen zu informieren. Es fanden Gespräche mit der Sozialdemokratischen Partei, mit der Demokratischen Partei, mit der Neuen Sozialistischen Partei und mit der Kommunistischen Partei statt.

Zwei Dinge fielen besonders auf: in der generellen Bewertung der Situation herrscht sehr weitgehende Einigkeit – gleichzeitig aber scheinen die Gräben zwischen den verschiedenen Parteien recht tief zu sein. Übereinstimmend wurden Themen wie Mindestlohn, Regulierung bzw. Zurückdrängung von Leih- und Zeitarbeit, wachsende Jugendarbeitslosigkeit sowie die Bewahrung des Artikel 9 der japanischen Verfassung als besonders wichtig benannt, wobei die Schnittmengen zwischen Sozialdemokratischer, Neuer Sozialdemokratischer und Kommunistischer Partei besonders groß zu sein scheinen. Gleichfalls stimmten aber die Parteien darin überein, dass ein Bündnis (oder gar die Schaffung einer gemeinsamen Partei) derzeit nicht möglich sei. Dem Betrachter erschließt sich von außen nicht ohne weiteres, warum die gegenseitige Ablehnung so stark ist.

Auf einem Treffen mit verschiedenen älteren Mitgliedern und Sympathisanten der Sozialistischen Assoziation wurde allerdings klar, dass die Entwicklung der genannten Partei stark miteinander verwoben ist. Dort trafen sich Männer jenseits der 60, deren Wege sich in ihrem politischen Leben immer wieder gekreuzt, die zeitweise gemeinsam, zeitweise gegeneinander agiert hatten. Sie waren zeitweise Mitglieder der Sozialistischen oder Kommunistischen Partei oder auch maoistischer Gruppen, bekleideten dort und in den entsprechenden Jugendorganisationen Funktionen. Sie treffen sich nun, um zu helfen, das Gegeneinander zu beenden und bei Konzentration auf einige wenige gemeinsame zentrale Punkte, etwa die Frage Krieg/Frieden, die bestehenden Gräben zu überwinden.

Generell ist diese offensichtliche Verunsicherung in der Linken mit vielen Fragen zu einer zukünftigen Gesellschaft verbunden. In den Diskussionen wurden Fragen nach der Haltung der deutschen Linken zu Wegen des Übergangs zu einer neuen Gesellschaft gestellt, es wurde zu den theoretischen Quellen der Programmatik der Partei DIE.LINKE, den Perspektiven der Sozialen Marktwirtschaft, der Rolle von Frauen in der Partei und in der Politik überhaupt sowie finanz- und steuerpolitischen sowie umweltpolitischen Positionen der DIE.LINKE nachgefragt. Auch interessierte die Position zur Gewalt in politischen Auseinandersetzungen.

Besonders interessant dabei ist, dass auch in Japan der „Sozialismus im 21. Jahrhundert“ Bezugspunkt vieler Diskussionen geworden ist. So charakterisiert die Neue Sozialistische Partei als langfristiges Ziel ihrer Politik die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft, die eine demokratische Gesellschaft, die auf friedlichem Wege erreicht wird, die Frieden, Menschenrechte und Demokratie auf verfassungsmäßiger Grundlage garantiert (2002). Die Sozialdemokratische Partei betrachtet „Frieden, Freiheit, Gleichheit und Koexistenz“ (im Sinne friedlicher Koexistenz im internationalen Rahmen) als die zentralen Ideen der sozialen Demokratie in Japan (2006). Soziale Demokratie sei die ununterbrochene Bewegung von Reformen zur Verwirklichung dieser Ziele. Die Kommunistische Partei schließlich vertritt in ihrem Programm von 2004 die Auffassung, dass die Welt des 21. Jahrhunderts von stärker werdenden Tendenzen zur Überwindung des Kapitalismus und zur Schaffung einer neuen Gesellschaft gekennzeichnet sein wird. Die Partei sieht sich dabei vor allem von den Entwicklungen in Lateinamerika bestätigt. Sie vertritt die Position, dass nur Veränderungen möglich sind, wenn die Massen meinen, dass diese nötig sind und die entsprechenden Bedingungen vorhanden sind. Sie stützt sich dabei auf die Theorie der „Revolution durch Mehrheiten“, d.h. auf die Position, dass Mehrheiten sozialen Wandel unterstützen müssen.

Sicher ist dies nur ein kleiner Ausschnitt aus den vielfältigen Prozessen, die sich in der japanischen Gesellschaft abspielen. Allein dieser kleine Ausschnitt zeigt aber, wie nah die Probleme in Japan und Deutschland beieinander liegen.