Nachricht | Amerikas - International / Transnational - Commons / Soziale Infrastruktur - Kapitalismusanalyse Vom Recht auf Wasser, Radios und Partizipation

Das Treffen der zentralamerikanischen Partner der Rosa-Luxemburg-Stiftung vom 23. bis 26. 6. 2008 brachte tiefgehende Einblicke in deren Arbeit sowie die aktuelle politische Lage in Mexiko, Guatemala, Nicaragua und Costa Rica.

Da das Treffen in Nicaragua stattfand, wurde die kritische Situation im Land dort besonders greifbar. Nach dem Ende des dreitägigen Partnertreffens fand am 27. Juni die größte Demonstration von sozialen Bewegungen seit Antritt der Regierung Ortegas unter dem Motto ‚Democracia sí, dictadura no’ (Demokratie ja, Diktatur nein) statt. Einige tausend Menschen der verschiedensten sozialen Bewegungen und Parteien fanden sich morgens im Zentrum Managuas zu einem friedlichen Protestzug zusammen. Sie äußerten ihre Sorge gegenüber der Einschränkung von Bürgerrechten und des öffentlichen Raumes sowie der zunehmenden Machtkonzentration des Präsidentenpaares Daniel Ortega und Rosario Murillo. Der Demo vorausgegangen war die Eliminierung von vier kleineren Parteien, der Partido Conservador, der MRS (Movimiento Renovador Sandinista) sowie zweier Parteien der Atlantikküste. Am 1. Juni hatte der oberste Wahlrat (Consejo Supremo Electoral de Nicaragua) diesen Parteien die juristische Grundlage entzogen, so dass sie keine Möglichkeit haben werden an den Kommunalwahlen teilzunehmen. Um ihren Protest gegen dieses Vorgehen und andere die Bürgerrechte einschränkende Schritte mit Füßen Ausdruck zu verleihen, haben sich Menschen der verschiedensten Couleur zusammengefunden. Sowohl konservative als auch liberale Gruppen waren vertreten, die autonome Frauenbewegung MAM (Movimiento Autónomo de Mujeres) als auch die linksgerichtete MRS, die der FSLN und Ortega kritisch gegenüberstehenden ehemaligen MitstreiterInnen, die für eine Erneuerung des Sandinismus stehen.

Auch beim Treffen der Projektpartner der RLS aus Mittelamerika und Mexiko standen die Themen Demokratie und Partizipation ganz oben auf der Tagesordnung. Während der guatemaltekische Partner externer Link in neuem Fenster folgtUnamg (Unión Nacional de Mujeres Guatemaltecas) sich für die Integration indigener und marginalisierte Frauen in Entscheidungsinstanzen auf lokaler Ebene einsetzt, spezialisieren sich der mexikanische Partner externer Link in neuem Fenster folgtCESEM (Centro de Estudios Municipalistas Heriberto Jara) auf die kollektive Erarbeitung von Bürgeragenden und der nicaraguanische Partner externer Link in neuem Fenster folgtADM (Asociación de Desarrollo Municipal) auf die Verhandlung und das Monitoring von Bürgerhaushalten. Bei der gemeinsamen Analyse der politischen Situation der Region Mesoamerika (Mexiko, Mittelamerika und Karibik) kamen die neunzehn TeilnehmerInnen des Partnertreffens zu dem Schluss, dass die in den neunziger Jahren hart erkämpften Räume der Diskussion und Partizipation zunehmend parteipolitischen und wirtschaftlichen Interessen weichen müssen. Nicaragua ist dafür ein gutes Beispiel, aber auch in anderen Ländern erhöht sich der Druck gegen soziale Bewegungen und werden strategisch wichtige Regionen militarisiert. Dazu kommen die Folgen der Privatisierung öffentlicher Güter und Zerstörung der natürlichen Ressourcen. Die mexikanischen Projektpartner externer Link in neuem Fenster folgtCASIFOP und externer Link in neuem Fenster folgtHIC-AL und die guatemaltekischen externer Link in neuem Fenster folgtFGT setzen deshalb auf die Aufklärung der von Großprojekten betroffenen Bevölkerung, um ihnen das nötige Handwerkszeug zur Entwicklung von sozial verträglichen Alternativen zu Staudammprojekten, Emissionshandel und Besiedlungsplänen zu geben. Die Analyse der 19 TeilnehmerInnen des Treffens ergab auch eine zunehmende Monopolisierung der Medien - auch hier hat im letzten Jahrzehnt ein Sieg des Neoliberalismus über selbstbestimmte Bürgermedien stattgefunden. Ein gutes Beispiel für die Verteidigung wirtschaftlicher Interessen durch die Massenmedien war das Referendum über den Freihandelsvertrag zwischen Zentralamerika und den USA (CAFTA-LAC) im Oktober 2007 in Costa Rica. externer Link in neuem Fenster folgtVoces Nuestras, neuester Projektpartner der RLS in der Region hat daraus die Konsequenz gezogen und einen unabhängigen Informationsdienst geschaffen, der die ganze Region abdeckt. Auch andere Projektpartner arbeiten mit einem regionalen Ansatz, bzw. nutzen die Möglichkeit, die das Netzwerk der RLS ihnen bietet. Konkrete Beispiele für diese Süd-Süd-Kooperation ist die Zusammenarbeit an einem Buchprojekt zum Thema Frauenmorde, gemeinsame Aktionen zur Privatisierung von Wasser, sowie der Austausch zur Bürgerpartizipation und ihren verschiedenen Mechanismen.

Die Zusammenarbeit der Partner gilt jedoch nicht nur dem Austausch an Erfahrungen, Methodik und Kenntnissen, sondern auch der politischen Stärkung und Solidarisierung untereinander. Folglich war der Zeitpunkt des diesjährigen Partnertreffens nicht willkürlich gewählt: am 26. Juni fand in der Region Boaco, in der ADM seit Jahren engagiert ist, ein Bürgerforum statt. Diese Aktivität war Teil einer von neun landesweit im Juni und Juli stattfindenden Foren, die die Stärkung der gesetzlich verankerten dezentralen Form der Bürgerbeteiligung zum Ziel hat. Das Forum wurde von ADM in Zusammenarbeit mit mehreren zivilgesellschaftlichen Netzwerken, der CC (Coordinadora Civil), RNDDL (Red Nicaraguense por la Democracia y el Desarrollo Local) und FONG (Federación de Organismos No Gubernamentales de Nicaragua) organisiert. Etwa 200 TeilnehmerInnen aus allen 12 Kommunen der Provinz haben zu dem Thema ‚Bürgerbeteiligung wie wir sie wollen’ Erfahrungen und Probleme diskutiert und gemeinsam Vorschläge zur Verbesserung erarbeitet. Diese regionalen Treffen münden in ein nationales Forum am 22. Juli, an dem VertreterInnen aus allen Kommunen des Landes teilnehmen werden. Durch die Teilnahme der mittelamerikanischen Partnerorganisationen an diesem Forum wurde die Bedeutung des Themas Bürgerbeteiligung unterstrichen. Zu sehen ist das Forum außerdem im nationalen Kontext. Die Regierung Ortegas hat neben der gesetzlich verankerten dezentralen Form der Bürgerbeteiligung eine Parallelstruktur geschaffen. Die neuen CPCs (Consejo de Poder Ciudadano – Rat der Bürgermacht) wurden 2007 als Form der direkten Demokratie geschaffen und unterstehen der Präsidentengattin. Diese neue Form der Teilhabe birgt jedoch die Gefahr die dezentral aufgebaute Bürgerbeteiligung zu schwächen und parteipolitisch zu spalten. Im Vorfeld der im November stattfindenden Kommunalwahlen wurde hiermit auch eine Form der direkten parteipolitischen Einflussnahme bis in die Kommunen geschaffen, was von großen Teilen der Zivilbevölkerung mit Sorge betrachtet wird.

 

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