Vom 4. bis 6. Oktober 2017 fand an der Goethe- Universität Frankfurt anlässlich der Verabschiedung von Ulla Wischermann in Kooperation zwischen dem dort angesiedelten Cornelia Goethe Centrum und der Fachgruppe Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) die Tagung „Feminismus und Öffentlichkeit“ statt.
Im Zentrum der dreitägigen Konferenz standen die Verbindungselemente von feministischer Kritik und Praktiken des herrschaftskritischen Widerstands in Zeiten von medialem Wandel. Hintergrundfolie der Diskussion bildete die Formierung von Frauenbewegungen und die Differenzierung von Öffentlichkeiten, was gleichsam Kernfragen nach Akteur*innen, politischen Netzwerken und deren Nutzung von Medien bzw. dem Zugang zu Öffentlichkeiten mit sich brachte.
Die Denk- und Diskussionsbewegungen der Konferenz, in deren Mittelpunkt die Gegenwartsanalyse zur aktuell stark vernetzten und organisierten Neuen Rechten stand, zielten insgesamt auf die Würdigung des Werkes von Ulla WISCHERMANN. Diese hatte u.a. bei der Forschung zu Medien- und Öffentlichkeitshandeln der sog. Alten Frauenbewegungen durch die Differenzierung und Systematisierung von Öffentlichkeitsmodellen die Habermas‘-schen Konzepte von Öffentlichkeit deutlich hinterfragt und erweitert. Diese Forschungsrichtung von Wischermann, die es ermöglicht, emanzipatorische Strategien sozialer Bewegungen und deren Zugang zu Öffentlichkeiten ebenso verständlich zu machen wie die repressiven Gegenbewegungen zu durchdringen, wurde in den meisten Beiträgen der Tagung aufgegriffen. Denn, wie Elisabeth KLAUS bereits in der ersten Keynote aufwarf, galt es angesichts des Tagungsthemas und gilt es angesichts aktueller politischer Verhältnisse, Vergangenheit und Gegenwart zusammen zu denken. Die Gegenwart, so Klaus, sei gekennzeichnet durch politische Prozesse der hochgradig organisierten Neuen Rechten, die nicht nur im Medienhandeln die Narrative der Neuen Linken kapert, sondern gerade in ihren aktuellen antifeministischen Angriffen auf die Geschlechterforschung in der Lage ist, besorgniserregende Bündnisse zu schließen, bis hin zu solchen mit (ehemals) feministischen Medien wie der Zeitschrift EMMA. Dass dies für Historiker*innen und Gegenwartsanalytiker*innen einerseits altbekannt erscheint und doch zugleich in seiner Zuspitzung neu ist, erklärt sich ebenfalls durch den Blick auf die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart. Feministische Bewegungen des 19. und frühen 20. Jahrhundert, die besonders im deutschsprachigen Raum mit machtvollen Gegenbewegungen wie dem ‚Bund gegen die Emanzipation der Frau‘ konfrontiert waren, deren Organisationsweise und Vernetzung der gegenwärtig aktiven Neuen Rechten auffällig ähnlich war, zeigen Ansatzpunkte, um Überschneidung und Differenz zu gegenwärtigen (queer-)feministischen Strategien aufzuzeigen.
So galt es im Rahmen der Konferenz besonders differenzierend auf Begrifflichkeiten wie ‚Feminismus‘ und ‚Öffentlichkeit‘ zu blicken, diese pluralistisch zu begreifen und kritisch nach den Motiven, Strategien und politischen Hintergründen von Akteur*innen zu fragen. Der durchweg historisierende Blick der Beiträge machte frappierende Analogien der Vergangenheit zur Gegenwart deutlich, ohne in pauschale Kontinuitätsannahmen zu verfallen. Beeindruckend wurden dabei politische Konzepte und Narrative herausgearbeitet, etwa auch bei Analysen zur Verknüpfung von Antifeminismus und Antisemitismus, die sich gegenwärtig im Grundnarrativ der Neuen Rechten gegenseitig zu Popularität verhelfen und daher häufig verschränkt auftreten. Dieses Grundnarrativ der Verbindung von emotionaler Pädagogik der Angst mit hierarchischem Autoritätsdenken, Verkehrung von Täter-Opfer-Verhältnissen und der Forderung nach antidemokratischen Lösungen für postulierte Probleme, wurde auf der Tagung u.a. in den Beiträgen von Jonas FEDDERS und Katharina HAJEK pointiert illustriert, z.B. anhand der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von ‚Pegida‘ und der ‚Demo für Alle‘.
In den insgesamt 13 inhaltlichen Beiträgen der Tagung ergab sich Gesellschaftsanalyse in Form eines Mosaiks, das die Frage nach dem Potenzial (queer-)feministischer Intervention gegen die Einflussnahme anti-emanzipatorischer sowie rechter Positionen (und Akteur*innen) als gleichsam relevant wie komplex begreifbar machte. Denn spätestens mit dem Aufgreifen und Integrieren von kapitalismuskritischer Rhetorik in die gegenwärtigen, antidemokratischen Narrative der Neuen Rechten hat sich der Verständigungsprozess über linkspolitische und emanzipatorische Positionen selbst erheblich verkompliziert. In welcher Form und auf welchen Ebenen von Öffentlichkeiten konnten geschlechterpolitische Akteur*innen das eigene Medienhandeln bisher einsetzen und für emanzipative Anliegen mobilisieren? Dies wurde anschaulich anhand von Fallbeispielen der vorgestellten Forschungsprojekte zu Frauen*bewegungen und ihres Medienhandelns skizziert. Welche Rolle der dezidiert feministische Journalismus in der Geschichte der Frauen*bewegungen bis heute spielt, war gemäß der Vorarbeiten von Ulla Wischermann eine zusätzliche thematische Klammer, die angesichts der würdigenden Verabschiedung besonders betont wurde, wenngleich feministisch intendierter Journalismus noch immer marginalisiert zu sein scheint. Offen blieb letztlich die Frage nach effektiven Kommunikationsmodellen und Strategien mit denen nicht nur Akteur*innen von Frauen*bewegungen, sondern insbesondere die Geschlechterforschung auf gegenwärtige rassistische, antifeministische und antidemokratische Angriffe der Neuen Rechten reagieren kann, wenn aus dem Reagieren-müssen (wieder) ein eigenständiges Agieren werden soll.
Das Tagungsprogramm kann hier eingesehen werden (Zugriff am 2.12.2017)
Das Cornelia Goethe Centrum für Frauenstudien und die Erforschung der Geschlechterverhältnisse (CGC) ist ein interdisziplinär und international ausgerichtetes Forschungs- und Studienzentrum der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Die Kategorie Geschlecht als wesentliches Strukturelement jeglicher Kommunikation zu begreifen, ist die zentrale gemeinsame Auffassung der Mitglieder der Fachgruppe „Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht” in der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft. Die Tagung vom 4.-6. Oktober war zugleich die Jahrestagung der Fachgruppe.
Text: Susanne Böhm (Hannover)