Nachricht | Afrika - Nordafrika - Stadt / Kommune / Region Neoliberale vs. Solidarische Ökonomie

PolitikerInnen, AktivistInnen und WissenschaftlerInnen diskutieren Möglichkeiten und Herausforderungen sozio-ökonomischer Alternativen in Nordafrika

Im Rahmen der offiziellen Programm- und Büroübergabezeremonie der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tunis fanden vom 20. – 22.November mehrere Veranstaltungen statt, an denen Partnerorganisation der RLS aus Marokko und Tunesien, als auch MitarbeiterInnen der Stiftung aus Deutschland teilnahmen.

Am 20. November kamen im Rahmen der offiziellen Übergabe des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit einem Seminar zu Fragen von neoliberaler vs.solidarischer Ökonomie PolitikerInnen aus Europa (MdEP Helmut Scholz, GUE/NGL) und Nordafrika (Fathi Chamkhi, FP Tunis) als auch WissenschaftlerInnen und AktivistInnen aus Nordafrika (Jihan Chendoul, OTE) zusammen. Anhand der aktuellen Verhandlungen des europäischen-nordafrikanischen vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens (DCFTA) diskutierten die Beteiligten unter Moderation der neuen Büroleitung Ivesa Lübben die Frage, inwiefern und unter welchen Bedingungen Freihandel auch zu Entwicklung führen kann. Das Land, das im Vergleich zu den anderen Ländern des „Arabischen Frühlings“ relativ positive gesellschaftliche und politische Entwicklungen genommen hat stellt sich aus europäischer Perspektive als zentraler Partner im Stabilitätsdiskurs dar, das es an Europa zu binden und zu halten gilt. Bereits seit den 70er Jahren gibt es Annäherung in den wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Regionen, die zuletzt unter dem Mantel der „Europäischen Nachbarschaftspolitik“ geführt wurden. Ein zentraler Kritikpunkt am derzeitigen Verhandlungsstand ist, dass es sich um ein allgemeines Abkommen mit den Eliten handelt, das sich vor allem an den Interessen Europas ausrichte. Es fordere zwar offene Märkte, hielte jedoch im Gegenzug kein überzeugendes Konstrukt für lokale Entwicklung sowie insbesondere die Lösung der sozialen Frage in den Ländern Nordafrikas bereit. Im besten Falle minimale Verbesserungen der Lebensrealitäten hielten jedoch gerade junge Menschen nicht vor einem irregulären Migrationsversuch über das Mittelmeer nach Europa ab. Doch diese Grenzen sind – entgegen der Marktgrenzen – zusehends unüberwindbar.

Ein weiteres Seminar befasste sich mit sozialen Bewegungen in Tunesien im Feld sozio-ökonomischer Alternativen als Gegenentwicklung zum neoliberalen Wirtschaftsmodell. Eine allgemeine Einführung in das Thema Neoliberalismus mit theoretischem und historischem Abriss machte Ingar Solty (IfG, Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin). Er illustrierte die Schwierigkeiten, Alternativen zum Neoliberalismus zu etablieren, bewegten diese sich doch immer im gleichen Referenzrahmen und Markt. Genossenschaftlich organisierte Betriebe könnten zwar intern in ihren Arbeitsabläufen und –strukturen eine Alternative zum gängigen Modell bieten, müssten sich aber dennoch auf dem allgemeinen Markt der neoliberalen und meist billigeren Konkurrenz stellen. Im Anschluss daran machten VertreterInnen des Water Forum of the Arab Region (RWFAR) und von der Association for the Protection of Jemna's Oasis (APJO) konkrete Beispiele aus ihren Initiativen, wie sie sich in Zeiten politischer Umwälzungen organisieren und ihre Betriebe führen. Gerade die Oase in Jemna ist ein in Tunesien sehr positiv diskutiertes Beispiel, wie bisherige Mitarbeiter eines Betriebes die Führung übernehmen und basisdemokratisch und am lokalen Gemeinwohl orientiert leiten.

Am 21. und 22. November wurde im Rahmen der Konferenz der „Oktoberrevolution und ihrer Auswirkung auf die Arabische Welt“ an der Universität Manouba in Tunis offiziell Nadia elOuerghemmi als neue Programmleiterin der Wissenschaftskooperation Nordafrika eingeführt.

WissenschaftlerInnen aus verschiedenen Ländern der Region diskutierten Fragen, wie die Oktoberrevolution vor hundert Jahren und auch heute in arabischen Ländern wahrgenommen und diskutiert werde. Siehe hierzu auch den detaillierten Veranstaltungsbericht.