Nachricht | Parteien- / Bewegungsgeschichte - GK Geschichte Fahlenbrach et.al (Hrsg.): Protest Cultures. A Companion, 2016

Handbuch untersucht kulturelle Praktiken des Protestes

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Es gibt sicherlich Bilder und Symbole, deren emanzipatorischer Inhalt oder Absicht sofort erkennbar ist. Bei anderen ist dies nicht zwingend der Fall. In der Regel hängt es auch von der medialen Rahmung ab, wie etwas wahrnehmbar ist oder wahrgenommen wird. Dies wurde z.B. im Zeitraum der Proteste gegen den G20 deutlich, als in den Medien hierzulande Militante in Venezuela ganz anders «gerahmt» wurden, als jene in Hamburg. Obwohl das Bild an sich, oder sein Ausdruck sehr ähnlich waren, wurden die einen als Freiheitskämpfer_innen (Venezuela) und die andere als Verrückte (Hamburg) dargestellt.

Proteste und soziale Bewegungen verwenden eine Unmenge an kulturellen Praktiken. Der hier anzuzeigende englischsprachige Sammelband enthält 57 Einträge, die dieses Universum an Ausdrucksformen abbilden, beschreiben und kritisch reflektieren. Die Beiträge umfassen meist nicht mehr als jeweils acht bis zehn Seiten und sind nach einem ähnlichen Schema aufgebaut. Nach einer Definition des Gegenstandes des Artikels folgt eine Untersuchung seiner Bedeutung in Protestkulturen und –bewegungen. Danach werden theoretische und empirische Forschungsperspektiven und ggf.-Lücken aufgezeigt, um dann abschließend ein halbes Dutzend Lektüreempfehlungen anzubieten.

Die ersten sieben Beiträge sind etwas theoretisch bzw. grundsätzlicher, hier geht es um Protest und Protestbewegungen überhaupt, und die Forschung dazu im engeren Sinne: Also z.B. auch um Protest als Lifestyle, als Gegenkultur oder als Medienphänomen. Viele der folgenden Beiträge behandeln dann «Protest» als performativen, expressiven (Sprech-) Akt: Mit der Untersuchung von Formen von Protest, die klassischerweise eher dem Theater, der Sprache, den Medien oder der Musik zugeordnet werden, z.B. Kino, öffentlicher Raum, Poster, Mode oder Graffiti. Weitere setzen dann etwas anders an, in dem sie z.B. Utopien, Narrative, Erinnerung, Emotionen oder Identität untersuchen. Ab Beitrag 48 geht es dann um Reaktionen auf Protest, bzw. (ab Aufsatz 53) um langfristige Konsequenzen aus Protest, etwa für die eigene Biographie oder sich verändernde Geschlechterrollen.

Die allermeisten Texte durchzieht ein «kultureller» und nicht ein politisch-kritischer, von Konflikt oder gar Macht und Herrschaft her denkender Ansatz. So ist der Umfang und die Breite der beschriebenen Themen und Praktiken zwar beeindruckend, aber manches auch arg banal. Thesen, wie etwa Protest sei «längst Bestandteil des Mainstreams» werden auch nicht wirklich begründet. Anlässlich von «Hamburg» entstand ja nicht unbedingt dieser Eindruck; auch wenn «Protest» in der Popkultur überall anzutreffen ist.

Das Buch ist in der Buchreihe Protest, Culture & Society des Berghahn Verlages erschienen, von der seit ihrer Gründung 2008 bereits 24 Bände erschienen sind. Ein Begleiter, was der Untertitel «A Companion» ja bedeutet, ist dieses Buch (Inhaltsverzeichnis) leider nur insofern, als es wegen des hohen Preises in Deutschland nur in Bibliotheken stehen.

Kathrin Fahlenbrach, Martin Klimke, Joachim Scharloth (Hrsg.): Protest Cultures. A Companion; Berghahn Publishers, Oxford / New York 2016, 568 Seiten, ISBN 978-1-78533-148-0, 170.00 USD /£ 121