Die Hintergründe und Verantwortlichen sind inzwischen geklärt, die Gedanktafel wurde auf Grundlage einer behördlichen Entscheidung entfernt und in ein Museum verbracht.
Am 13. März 2018 wurde in Zamość die Gedenktafel entfernt, die an Rosa Luxemburg erinnert hatte. Lange Zeit wurde das Haus, an dem die Tafel seit 1979 befestigt war, für das Geburtshaus Rosa Luxemburgs gehalten. Dokumente, die vor einigen Jahren im Archiv der Stadt aufgefunden wurden, bezeugten allerdings, dass zum Zeitpunkt der Geburt am 5. März 1871 ein anderes Haus zwei Straßenzüge weiter im Besitz des Vaters von Rosa Luxemburg gewesen war. Erst einige Monate später hatte er das Haus in unmittelbarer Nähe zum Markt erworben, in dem Rosa Luxemburg dann bis zum Umzug der Familie nach Warschau drei Jahre gelebt hatte. Der Vorgang reiht sich ein in eine Kette von Aktionen symbolischer Politik, die das Land seit einiger Zeit durchzieht. Laut einem Gesetz von 2016 sollen im Land Straßennamen und überhaupt stumme Zeugnisse beseitigt werden, die (immer noch) an die Zeit des Kommunismus erinnerten. Weil die regierenden Nationalkonservativen bei diesem Vorhaben der öffentlichen Säuberung nichts mehr dem Zufall überlassen wollten, rüsteten sie die staatliche Geschichtsbehörde IPN (Institut für das nationale Erinnern) und die von ihnen in den 16 Wojewodschaften eingesetzten Wojewoden mit besonderen Befugnissen aus, so dass die gewählten Lokal- und Regionalstrukturen, die für diesen wichtigen Teil von öffentlicher Identitätsbildung eigentlich zuständig sind, schließlich den Anweisungen von oben folgen müssen.
Noch Ende 2016 hatte Andrzej Wnuk, der Stadtpräsident von Zamość, bei Gelegenheit der Wiedereinweihung des 1950 errichteten Denkmals für die ermordeten Juden der Stadt erklärt, dass Zamość keinerlei Interesse habe, an der Gedenktafel für Rosa Luxemburg etwas zu ändern oder sie gar zu entfernen, weil vor allem ausländische Touristen immer wieder nach dieser herausragenden Persönlichkeit und berühmten Tochter der Stadt fragten. Er betonte ausdrücklich, dass er das so vertrete, auch wenn ihm die politische Richtung völlig fremd sei, der Rosa Luxemburg einst angehört habe. Nun wurde aber die aus Warschau vorgegebene Linie durchgesetzt – zum Schaden des Ansehens der Stadt.
Ein von nationalkonservativer Seite gerne erhobener Vorwurf gegen Rosa Luxemburg lautet, sie sei gegen die Wiederherstellung Polens im November 1918 gewesen, sie habe überhaupt die Unabhängigkeit Polens bekämpft. Richtig ist, dass sie in ihrem Werk vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs davon ausging, eine Wiederherstellung der staatlichen Unabhängigkeit Polens könne derzeit nur erfolgen, wenn die drei Teilungsmächte Deutschland, Österreich und Russland gegenseitig in den Krieg zögen, was aber einen großen europäischen Krieg heraufbeschwören würde. Bekanntlich war Rosa Luxemburg bis fast zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs überzeugt, die europäische Arbeiterbewegung werde das Abrutschen des Kontinents in die blutige Katastrophe verhindern. Dies prägte auch ihre Sicht auf die polnische Frage, die sie in umfassender Weise 1908/09 in der Arbeit „Nationalitätenfrage und Autonomie“ (dt. 2012) darzulegen verstand.
Rosa Luxemburg wurde am 15. Januar 1919 in Berlin von jenen politischen Kräften ermordet, deren Spur anschließend weiterreichte bis hinein in das Dritte Reich und in die deutsche Katastrophe. Unfassbar ist und bleibt, was Deutsche unter Hitlers Führung in Polen in der Zeit des Zweiten Weltkriegs angerichtet haben. Das Polen, wie es Rosa Luxemburg noch gekannt hatte, versank für immer unter den Trümmern des Kriegs der Deutschen um die Weltherrschaft. Die polnische Gesellschaft hat sich nach 1944/45 neu zusammenfügen und neu gestalten müssen. Die Bedingungen, unter denen sie es tat, waren im großen Maße von den Ergebnissen am Ende des Zweiten Weltkriegs abhängig. Wenn jetzt versucht wird, regierungsamtlich eine Sicht auf die Geschichte Polens im 20. Jahrhundert durchzudrücken, in der Rosa Luxemburg und die politische Richtung, für die sie stand, nur noch unter dem Vorwurf des schlimmsten nationalen Verrats behandelt werden, dann gleicht es primitiver Geschichtsfälschung. Das Entfernen der Gedenktafel an Rosa Luxemburg in Zamość ist ein einfacher handwerklicher Vorgang, im Handumdrehen ist die Erinnerungsspur getilgt – zurück bleibt lediglich ein nasser Fleck an der frisch verputzten Wand.